Essen. Schmerzpatienten suchen oft jahrelang Hilfe, schlucken starke Schmerzmittel. Im Krupp-Krankenhaus Essen müssen manche zuerst einen Entzug machen.
Sie haben oft eine Odyssee durch Arztpraxen hinter sich und mitunter die Hoffnung auf Abhilfe verloren. „Bei Patienten mit chronischem Schmerz ist die Stimmung erheblich getrübt“, sagt Richarda Rademacher, Anästhesistin und Oberärztin am Alfried-Krupp-Krankenhaus. Dessen Klinik für Schmerzmedizin will Betroffenen mit verschiedenen Therapien helfen, ihr Leid zu lindern.
Dieses wirke sich, ergänzt Chefarzt Prof. Dr. Daniel Dirkmann, mitunter auf sämtliche Lebensbereiche aus: „Wenn der Schmerz über die Warnfunktion hinaus bleibt und kein Ende zu abzusehen ist, sieht sich der Mensch überall bedroht, von der Arbeit bis zum Familienleben.“
Mancher gehe von Arzt zu Arzt, bis einer eine Diagnose stelle, die vermeintlich zu seinem Schmerz passe. Die Bereitschaft, sich psychologisch untersuchen zu lassen, sei oft weit weniger ausgeprägt, als das Vertrauen in Spritzen oder Gerätemedizin. „Ich hab’ doch nichts an der Klatsche“, heiße es abwehrend.
Tatsächlich seien die Ursachen für chronischen Schmerz komplex, oft beeinflussten oder verstärkten sich die verschiedenen Faktoren gegenseitig. Das Team in der Klinik für Schmerzmedizin am Krupp-Krankenhaus ist daher entsprechend interdisziplinär aufgebaut: Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten und Fachpflegekräfte gehören dazu.
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Die Schmerzambulanz am Standort Rüttenscheid platze aus allen Nähten, sagt Richarda Rademacher, die seit zwei Jahrzehnten in dem Bereich arbeitet. Umso glücklicher sind sie und ihre Kollegen, dass sie die Räumlichkeiten im Steeler Krupp-Krankenhaus jüngst deutlich erweitern konnten. 16-köpfig ist allein das Team der Physiotherapie, das nun über großzügige Behandlungsräume verfügt; im Trainingsraum mit Blick ins Grüne. „Wir wollen die Leute animieren, sich zu bewegen“, sagt der Leiter der Physiotherapie-Abteilung, Sascha Palluk-Riethues, und weist auf die Kraft-Ausdauer-Geräte.
Schmerzpatienten können für zwei Wochen stationär behandelt werden
Viele Patienten kommen zu einer ambulanten Behandlung in die Krupp-Physio und erleben, dass der Schmerz unter Bewegung nicht zwangsläufig zunimmt, dass Schonung ebenso falsch sein kann wie zu hohe Belastung.
Andere Betroffene werden für 14 Tage stationär aufgenommen, sofern sie schon bestimmte Therapien durchlaufen haben und eine ambulante oder teilstationäre Behandlung nicht mehr erfolgversprechend erscheint. Es reicht nicht, dass sie chronisch – also seit drei bis sechs Monaten – Schmerzen haben, „das Schmerzniveau muss sich auch deutlich verschlechtert haben“, damit die Krankenkasse den Aufenthalt trägt, erklärt Richarda Rademacher. Dazu spielen bei ihnen psychische Faktoren eine Rolle.
Interdisziplinäres Team für Schmerzmedizin
Wenn der Schmerz seine Warnfunktion verloren hat, über Wochen, Monate oder Jahre anhält und sich zum chronischen Schmerz entwickelt, beeinträchtigt das die Lebensqualität erheblich – bis zu Depressionen und sozialer Isolation.
Das Alfried-Krupp-Krankenhaus bietet daher seit mehr als 20 Jahren sowohl ambulante als auch stationäre Schmerztherapien an. Zum interdisziplinären Team gehören Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten und Fachpflegekräfte.
Jeweils acht Patienten nehmen in diesen zwei Wochen gemeinsam an einer Gruppentherapie teil, auch wenn die Idee anfangs nicht jedem behagt. „Wenn sie gehen, sagen manche dann: ,War gar nicht so schlimm’“, erzählt die psychologische Psychotherapeutin, Mira Heil. Mancher Schmerzpatient ziehe sich erst sozial zurück und rutsche in eine depressive Episode, was einen fatalen Kreislauf in Gang setzen könne: „Einsamkeit ist für die Psyche sehr schwierig – und begünstigt Schmerzerkrankungen.“
Solche Mechanismen zu erkennen, gehört genauso zur multimodalen Schmerztherapie wie die Bewegungsangebote, wie Wärmetherapie oder Bewegungsbäder. Auch Spritzen gebe man durchaus, sagt Prof. Dirkmann: „Um aus dem Schmerzlimit zu kommen und eine Therapie erstmal zu ermöglichen.“ Das Gros der Patienten leide an Rückenschmerzen und Wirbelgeschichten, mitunter seit 25 Jahren. Hier arbeite man eng verzahnt mit dem hauseigenen Wirbelsäulenzentrum zusammen. Denn wenn auch eine Operation oft vermeidbar sei – in manchen Fällen sei es angezeigt zu operieren.
Mancher nimmt seit Jahren starke Schmerzmittel – obwohl sie ihm nicht helfen
Mancher nehme seit ewigen Zeiten stark dosierte Schmerzmittel, „obwohl sie ihm nicht helfen, aber müde machen“, erklärt Dirkmann. Hier gelte es, die Dosis zu reduzieren. Eine mögliche Abhängigkeit oder andere unangenehme Themen müsse man eben auch ansprechen, betont seine Kollegin Rademacher. So sei in manchen Fällen ein Opioid-Entzug angezeigt.
Man frage jeden Patienten nach seinen persönlichen Zielen – und müsse bisweilen unrealistische Erwartungen herunterschrauben, etwa wenn jemand sich wünsche, wieder Golfspielen zu können. Andere formulierten bescheiden: Sie wollten nur ihren Alltag bewältigen, 50 Meter weiter laufen können als bisher – oder nur einmal ohne Schmerz sein.
Das Schmerztagebuch belegt die Erfolge
Die Patienten sollen ein Schmerztagebuch führen, in dem sie Schmerzintensität auf einer Skala von null bis zehn eintragen: „Da sieht man Erfolge“, sagt Rademacher. Das ermutige die Betroffenen auch dranzubleiben, während des Klinikaufenthalts – und bei der anschließenden ambulanten Behandlung. „Viele möchten dann weiter zum selben Physiotherapeuten kommen“, hat Sascha Palluk-Riethues beobachtet.
Nach einem Jahr können die Betroffenen erneut stationär in die Klinik zurückkehren. In jeder Gruppe sei vielleicht einer, „der am Ende nicht zufrieden ist“, schätzt Dirkmann. Die meisten erlebten eine spürbare Linderung. Viele Menschen, die seit Jahren immer Schmerzen hätten, sehen sich auch als Belastung für ihre Familie, ergänzt Richarda Rademacher: „Bei uns steht dieser Mensch im Mittelpunkt.“
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