Hochwasser entlarvt Schwächen im Krisenmanagement der Stadt
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Essen. Fürs Erste ist das Hochwasser überstanden, Essen hatte diesmal Glück. Doch zeigt der Sandsack-Mangel, wie schief die Prioritäten geworden sind.
Für Erste ist das Hochwasser überstanden, die Bürger in den hochwassergefährdeten Essener Stadtteilen sind glimpflich davon gekommen. Die Stadt Essen lobt sich für ihre Kommunikation, die besser geklappt habe als bei der Juli Flut 2021 - und ja, das stimmt. Vor zweieinhalb Jahren begann die Informationspolitik erst so richtig, als in den Garagen an der Laupendahler Landstraße in Werden die Autos schwammen und die Erdgeschosse vollliefen. Dass gerade Hochwasser war, hatten die Leute da auch ohne offizielle Info schon gemerkt.
Alles gut also? Nicht ganz. Im Grunde hat Essen vor allem Glück gehabt, weil das Wasser anders als 2021 die besonders kritische Marke an den Weihnachtstagen nicht erreichte. Ansonsten aber wurden gnadenlos auch diesmal Schwachstellen offenbart, wenn auch nicht so gravierende wie etwa in der Nachbarstadt Oberhausen, wo der wichtige Ruhrdeich nur mit einiger Mühe zu halten war.
Dass die Stadt frisch reparierte Gebäude sich selbst überlässt, kann nicht richtig sein
Beim letzten Hochwasser in Essen waren es mit dem Werdener Hallenbad und dem benachbarten Gymnasium zwei städtische Gebäude, die größte Schäden erlitten. Die folgende Sanierung kostete Millionen. Da ist es mehr als irritierend, wenn Essens Ordnungsdezernent Christian Kromberg einräumt, er habe erneut nicht garantieren können, dass im Überflutungsfall genügend Sandsäcke zur Verfügung gewesen wären. Begründung: diese knappe Ressource sei für „kritische Infrastruktur“ wie etwa Wassergewinnungspumpen reserviert, nicht aber für Bäder und Schulen.
Das wirkt zunächst wie Realsatire: Die Stadt riskiert einen erneuten Millionenschaden an frisch sanierten eigenen Gebäuden, weil es an einem Pfennigprodukt wie dem Sandsack mangelt. Aber ganz so einfach ist es nicht. Sandsäcke zu lagern, in Notfall über etliche Kilometer zu transportieren und aufzuschichten, ist teuer und erfordert das Bereithalten von viel Personal. Und die Stadt kann nicht Hunderte Leute einstellen, die nur auf ein Hochwasser warten.
Kufen und Kromberg müssen sich Gedanken machen, wie der Schutz besser wird
So weit, so nachvollziehbar. Aber mit dem Benennen einer Schwierigkeit und Schicksalsergebenheit kann es trotzdem nicht sein Bewenden haben. Hochwasserlagen wird es künftig voraussichtlich öfter geben, mit schlimmeren Folgen. Verwaltung und Ratspolitik müssen sich Gedanken machen, wie der Schutz trotz begrenzter Mittel verbessert werden kann. Und eigentlich war das nach 2021 auch fest vorgesehen.
Entscheidend wäre in diesem Zusammenhang eine Tugend, die nicht nur den Kommunalverwaltungen etwas abhandengekommen ist, nämlich wieder wirklich Wichtiges von (bestenfalls) Wünschenswertem zu unterscheiden. „First things first“, wie es im Englischen so treffend heißt.
Der Schutz vor und die Bewältigung von Naturkatastrophen gehört zu den völlig unstrittigen Kernaufgaben städtischer und staatlicher Behörden. Auf einer ähnlichen Ebene bewegen sich beispielsweise die rechtzeitige Instandhaltung der Infrastruktur (A 42-Brücke!), Investitionen in Bildung, der Schutz vor Verbrechen und die Sicherheit des öffentlichen Raums oder auch - eine Ebene höher - die Landesverteidigung.
Kernaufgaben wie Katastrophenschutz oder Infrastruktur-Instandhaltung müssen Vorrang haben
Es ist kein Zufall, dass all dies mehr oder weniger im Argen liegt, stattdessen viel Steuergeld versickert für ideologisch getriebene Spielwiesen, soziale Fehlanreize (Bürgergeld!) oder übergriffige Einmischungen in die private Lebensführung - die Liste ist keineswegs vollständig. Hier die Prioritäten zurechtzurücken, ist längst überfällig.
Dann kann auch mit mehr Berechtigung auf die Eigenverantwortung der Bürger verwiesen werden, ohne die es natürlich nicht geht und noch nie ging. Städtische Sandsäcke für jedes Privathaus - da hat der Ordnungsdezernent recht - werden immer eine Illusion bleiben.
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