Essen. Kitas in Essen melden besonders im Winter oft Notbetreuung an. Für Familien bedeutet das Stress. Die SPD will, dass sie Geld zurückbekommen.
In der Woche nach Halloween fing es mit der Notbetreuung in der Kita an, erinnert sich Nadine. Die Essener Mutter möchte ihren kompletten Namen nicht öffentlich nennen – sie weiß, dass die Einrichtung ihrer Kinder nicht schuld ist an dem Problem, nennt diese ebenfalls nicht namentlich. Nadine lag mit Bronchitis im Bett, wollte die Kinder in der Kindertagesstätte bringen. Doch dort waren ebenfalls zu viele Erzieherinnen krank, es wurde eine Notbetreuung angeboten, eine von drei Gruppen war geschlossen. An diesem Zustand habe sich bis jetzt, sieben Wochen später, nichts geändert.
Die Eltern werden gebeten, ihre Kinder zeitweise zu Hause zu behalten. „Superstressig“ nennt Nadine diese Situation. Man könne sich nicht auf die Betreuung verlassen, obwohl sie für jedes Kind 45 Stunden in der Woche gebucht habe. Jede Woche müsse sie zusammen mit ihrem Mann überlegen, wer die Kinder wann im Zweifel übernehmen kann.
Personalmangel in Essener Kitas
Sie selbst arbeite 30 Stunden in der Woche, ihr Mann sei im Einzelhandel tätig – Vollzeit. „Wir hangeln uns so durch“, sagt Nadine. Früher habe sie ihre eigenen Termine auf den Vormittag gelegt, in der Annahme, dass die Kinder dann auf jeden Fall betreut seien. Jetzt überlege sie, ob ihr Mann an dem Tag zur Not die Kinder nehmen könnte. Auch die Großeltern seien eine große Hilfe, würden regelmäßig einspringen: „Wenn die nicht wären, wüsste ich nicht, wie wir es hinkriegen würden.“
Grundsätzlich gebe es einfach zu wenig Personal in den Kitas. Sobald jemand ausfalle, herrsche sofort akuter Personalmangel. Gerade in der jetzigen Erkältungszeit sei das leider der Normalfall. Alle miteinander würden dann schnell in einen Teufelskreis geraten. Die Eltern seien so froh, ihr Kind wenigstens dreimal in der Woche in die Kita schicken zu können, dass sie es auch mit Rotznase bringen. Erzieherinnen steckten sich dann an und fielen aus, was wiederum zu Gruppenschließungen führe. Die Essenerin hofft jetzt, dass sich das Problem im nächsten Frühjahr legt, wenn das Wetter besser und die Erkältungen weniger werden.
Springerpool und Zeitarbeitsfirmen helfen bei Personalengpässen in Essener Kitas
Die Caritas-SkF-Essen gGmbH (CSE) betreibt 14 Kitas in Essen. Fachbereichsleiterin Tanja Sager erklärt: „Für uns ist die Situation auch unbefriedigend.“ Auf dem Papier habe man mit 236 Mitarbeitenden genügend Fachkräfte, die würden aber tatsächlich immer wieder ausfallen. „Die Belastbarkeitsgrenze ist erreicht“, so Sager, die betont, eine Fürsorgepflicht zu haben. Die gesetzliche Aufsichtspflicht müsse erfüllt werden. Gleiches erklärt Lina Strafer vom Kita-Zweckverband, der 63 der insgesamt 305 Kitas in Essen betreibt.
Sager erlebt diesen Winter extremer als die vergangenen, in jeder Einrichtung seien derzeit bis zu vier Kolleginnen im Krankenstand. Die CSE arbeite mit einem Springerpool, der Zweckverband mit einer Zeitarbeitsfirma, dennoch seien Gruppenschließungen oder Kürzungen der Betreuungszeit teilweise unumgänglich. Sager sei dankbar für die Toleranz und das Verständnis der Eltern, das sei keine Selbstverständlichkeit.
Im Familien-Check dieser Zeitung haben 966 Teilnehmer und Teilnehmerinnen in Essen die Verlässlichkeit der Betreuung mit der Note 2,3 bewertet. Das deutet darauf hin, dass die Situation nicht überall unzufriedenstellend ist. Kritischer bewertet wurde die Vergabe der Plätze – Note 3,8 – und die Kosten der Betreuung – 3,5. In Bezug auf die Verlässlichkeit machten einige Eltern Anmerkungen.
Das ist der Familien-Check
Wie bewerten Familien das Freizeitangebot in ihrer Stadt, wie blicken sie auf Schulen und Kitas? Wie flexibel ist der Arbeitgeber, wenn das Kind krank wird? Nach diesen und vielen Themen mehr haben wir in unserem „Familien-Check“ gefragt. Und mehr als 8300 Menschen aus der ganzen Region haben mitgemacht. Die Erkenntnisse stellen wir Ihnen nun in loser Folge vor. Und natürlich haben viele Teilnehmenden auch Anregungen geliefert, die wir gerne aufgreifen. Repräsentativ war die Umfrage nicht, weil die Teilnehmenden keinen Querschnitt der Bevölkerung bilden. Die Bewertungen sind vor allem als Hinweise zu verstehen, wo etwas gut oder schlecht läuft.
- „Ich wünsche mir eine sichere Betreuung für jedes Kind und mehr Personal, denn ständig fällt der Kindergarten aus.“
- „Ich wünsche mir eine stabile Grundvoraussetzung, dass mein Kind täglich in die Kita gehen kann. Personal fehlt an allen Ecken.“
- „Kinderbetreuung muss verlässlich sein und nicht alle paar Wochen kurzfristig wegen Personalmangel ausfallen. Das kann man als Berufstätige nicht immer auffangen.“
- „Unsere Kita ist ein Träumchen, da gibt es nichts, was ich verbessern würde.“
SPD in Essen wollte Eltern Rückerstattung von Kita-Beiträgen ermöglichen
Lina Strafer rollt den Ball zur Politik: „Der Kita-Zweckverband macht in den politischen Gremien, in denen er aktiv ist, darauf aufmerksam, dass es sich bei der frühkindlichen Bildung um einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag handelt, der sich nur mit ausreichend finanziellen Mitteln, einer angemessenen Infrastruktur sowie ausreichend pädagogischem Personal adäquat erfüllen lässt.“
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Beim Thema Finanzen hat die SPD-Ratsfraktion in Essen zuletzt einen Vorstoß gemacht und sich für mehr Gerechtigkeit bei den Elternbeiträgen in Kindertagesstätten eingesetzt. Bei den letzten Haushaltsberatungen forderten die Sozialdemokraten, dass Eltern Beiträge künftig zurückfordern können, falls Betreuungszeiten in einer Kindertagesstätte oder im Offenen Ganztag ausfallen. Dafür sollte ein entsprechender Härtefallfonds aufgelegt werden.
„Es ist wichtig, dass Eltern Vertrauen in das System der Kinderbetreuung haben. Gruppenschließungen gehen zulasten der Kinder, aber auch zulasten der Eltern, die dann nicht nur eine alternative Betreuung sicherstellen müssen, sondern dann noch für die weggefallene Betreuungszeit zahlen müssen“, betont Julia Jankovic, stellvertretende Vorsitzende und jugendpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion Essen. Die Stadt müsse weiterhin mehr Anstrengungen darauf verwenden, die immer größer werdende Betreuungslücke in Essen zu schließen. Der Antrag der SPD-Fraktion wurde in der Ratssitzung Ende November jedoch mehrheitlich abgelehnt, somit wird es zunächst keine Rückerstattung der Beiträge bei Notbetreuung geben.
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