Essen-Kettwig. An Tempo 30 hält sich nicht jeder. Die Stadt Essen zog die Bremse und installiert Warnbaken im Wohngebiet. Was Anlieger und Politik davon halten.
Von Amts wegen wurde vor einigen Wochen eine sogenannte geschwindigkeitsreduzierende Maßnahme auf der Ferdinand-Weerth-Straße in Kettwig umgesetzt: 13 Baken mit der bekannten Warn-Musterung in Rot-weiß stehen nun entlang der Fahrbahn, abwechselnd rechts und links in einem markierten Feld. Durch diese „Slalom-Fahrt“ sollen gezielt Raser ausgebremst werden, die sich nicht an Tempo 30 halten.
Doch gibt es diese Temposünder überhaupt in dem Maße? Mitglieder der für den Essener Süden zuständigen Bezirksvertretung 9 stellen das in Frage. „Zwei Messungen hat es in der Vergangenheit gegeben“, erklärt Bezirksbürgermeisterin Gabriele Kipphardt.
Im Wohngebiet gibt es eine Rechts-vor-Links-Regelung
Bei einer dieser Messungen sei ein Autofahrer mit 78 km/h durch das Tempo-30-Gebiet gefahren. „Wie das funktioniert, weiß ich nicht“, lässt Gabriele Kipphardt bei einem Ortstermin mit dieser Redaktion leise Zweifel anklingen. Zwar sei die Straße stellenweise abschüssig, dennoch gebe es einige querende Seitenstraßen und eine Rechts-vor-Links-Regelung in dem Wohngebiet. Die Messungen seien morgens und am späten Nachmittag durchgeführt worden, also zu Zeiten, wo viele parkende Fahrzeuge entlang der Straße stünden. „Allein durch den ständigen Begegnungsverkehr und die engere Fahrbahn dürfte es schwierig sein, die Tempo 30 zu überschreiten.“
Dennoch habe es immer wieder Bürgerbeschwerden bei der Verwaltung gegeben, ergänzt Christiane Neuheuser von der CDU-Fraktion. Seit 2008 beschäftige sich die BV 9 immer mal wieder mit diesem Thema. Zuletzt war dies im Februar dieses Jahres der Fall – mit der Ankündigung der Verwaltung, nun endlich Abhilfe in Form von Warnbaken zu schaffen. „Öfter mal eine mobile Geschwindigkeitskontrolle reicht aber vollkommen aus“, sagt Neuheuser angesichts der so schnell geschaffenen Tatsachen. „13 Baken sind absolut übertrieben.“
Ihr CDU-Kollege Michael Nellessen schüttelt ebenfalls den Kopf über die alle paar Meter auftauchenden Hindernisse. „Wir haben in der BV-Sitzung vom Februar der Verwaltung extra mit auf den Weg gegeben, wenn es schon solche Hindernisse geben soll, dann sollten sie auch vernünftig aussehen.“ Die geplante Maßnahme würde die Straße wie eine Rennpiste aussehen lassen, habe er in der Sitzung gesagt – und fühlt sich jetzt bestätigt. „Blumenkübel oder sogar Baumpflanzungen brächten hier mehr Grün ins Straßenbild.“ Angenehm fürs Auge und selbstredend fürs Stadtklima. Da sei von der Verwaltung am falschen Ende gespart worden – und ein „typisch Essen“ kommt dem Kettwiger da über die Lippen.
Anregungen der Bezirksvertretung wurden ignoriert
Was Gabriele Kipphardt dabei vor allem aufregt: Die Missachtung, die die Verwaltung gegenüber der Politik zeige. Sicher, man könne als BV nicht über Maßnahmen entscheiden, die aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht oder der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich seien. „Aber Anregungen können wir als Gremium geben.“ Und die seien in diesem Fall komplett ignoriert worden.
Abgesehen davon, dass die Anlieger selbst der Bezirksbürgermeisterin ihr Leid klagten, wie lieblos die Verkehrsberuhigung umgesetzt worden sei. Ulrich Herbst, seit vielen Jahrzehnten im Wohngebiet ansässig, sagt: „Ich kenne keinen, der das gut findet.“ Dass es einige Anwohner gebe, die zu schnell fahren würden, wolle er nicht ausschließen. Aber diese Alibi-Verkehrsinseln seien nicht nur optisch ein Fehlgriff, sondern auch zahlenmäßig nicht nachzuvollziehen. Ein Autofahrer, der die kleine Gruppe beim Ortstermin mit der Presse sieht, hält an. „Was für eine Slalom-Fahrt. Das Ganze kommt mir vor wie die Fahrradstangen auf der Rü – absolut sinnlos“, ist sein lakonischer Kommentar.
Ob die Baken so schnell wieder verschwinden, wie sie aufgestellt wurden, darf an dieser Stelle bezweifelt werden. Aber Bezirksbürgermeisterin Gabriele Kipphardt will das Ganze nicht auf sich beruhen lassen. Sie werde zu einer der nächsten BV-Sitzungen einen Vertreter vom Amt für Straßen und Verkehr einladen, „damit wir das klären können“.
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