Essen-Kettwig. Die Bekämpfung des Dachstuhlbrandes in Essen-Kettwig brauchte einen Tag. Was die Zerstörung des Fachwerkbaus für Eigentümer und Mieter bedeutet.
Das Haus Nummer 84 in der Kettwiger Hauptstraße hat schwer gelitten und darf derzeit nicht betreten werden. Wie berichtet waren den kompletten Sonntag (1.10.) über Feuerwehrleute aus ganz Essen damit beschäftigt gewesen, dort einen Dachstuhlbrand zu bekämpfen, der gegen 5 Uhr morgens gemeldet worden war. Der Einsatz an dem rund 400 Jahre alten Fachwerkbau gestaltete sich sehr schwierig, da immer neue Glutnester aufflammten.
Die Brandbekämpfung wurde von vielen Kettwiger Bürgerinnen und Bürgern von der gegenüberliegenden Straßenseite aus mit Sorge verfolgt. Unter ihnen Christiane Neuheuser. „Gott-sei-Dank ist niemand verletzt worden“, sagt sie. Dennoch wurde ihr Herz Stunde um Stunde schwerer, je mehr sich die Flammen ausbreiteten: Bei dem Gebäude handelt es sich nämlich um ihr Elternhaus. Bereits seit dem Jahr 1825 ist es in Familienbesitz.
Haus in Essen-Kettwig: Das Dach wirkt nach dem Feuer wie ein hohler Zahn
Früher hatten ihre Eltern dort, so berichtet Christiane Neuheuser mit angegriffener Stimme, ein Geschäft für Lederwaren und Raumgestaltung. „Insgesamt gab es mal vier Geschäfte im Erdgeschoss, seit mehr als 30 Jahren sind es aber nur noch zwei.“ Erinnerungen an ein lebendiges Wohn- und Geschäftshaus, an Kindheit, Jugend, diverse Familienereignisse kamen da am Sonntag hoch. Erinnerungen, die angesichts des nun offenliegenden Daches, das wie ein hohler Zahn wirkt, der geschwärzten Fassade und den von unglaublich viel Löschwasser durchtränkten Räumen nun sichtlich schmerzen.
Sie habe natürlich kaum geschlafen, sagt die Kettwiger Christdemokratin, die sich seit mehreren Jahren in der Bezirksvertretung unter anderem für den Erhalt der Kettwiger Altstadt einsetzt. Sie müsse das alles erst einmal sacken lassen.
Kripo nimmt Ermittlungen zur Brandursache auf
Am Tag nach dem Brand übernimmt ihr Bruder Bernhard Neuheuser alles Weitere. Der 57-Jährige ist als Eigentümer der Immobilie eingetragen. Aus Bayern habe die Anreise mit dem E-Auto wegen der Tank-Stopps entsprechend lange gedauert, berichtet er am Montagmittag dieser Redaktion.
Nun wisse er gar nicht, ob und wann er überhaupt das Gebäude betreten könne. „Zuerst wird die Kripo ihre Ermittlungen nach der Brandursache aufnehmen.“ Ein Statiker werde dann zu klären haben, inwiefern den Mietern erlaubt werden könne, einige Habseligkeiten aus dem brandgeschädigten Haus mitzunehmen.
Beim Löschen bestand bereits Einsturzgefahr
Der Hintergrund: Die Feuerwehr hatte nach Absprache mit einem Baufachberater des Technischen Hilfswerkes am Sonntag das Löschen von innen abgebrochen, da Einsturzgefahr bestand. Bernhard Neuheuser: „Für die Bewohner ist das Ganze natürlich am einschneidendsten, die sind ja mit fast nichts am Leib in der Nacht rausgeholt worden.“ Dass das halb abgedeckte Hausdach im Übrigen sehr neue Balken aufweise, liege daran, dass es erst 2018 saniert worden war, 2019/2020 dann die Innenräume renoviert wurden, erläutert der Eigentümer.
Für die Betreiberin der Modeboutique und den Inhaber der Pizzeria stelle sich unter Umständen die Existenzfrage, je nachdem wie und wann die Versicherung für den entstandenen Schaden zahle. Denn nicht nur das Feuer selbst kann zu Rußschäden und toxischen Verbindungen auf Wänden und Mobiliar führen, sondern ebenso das Wasser.
Und die Feuerwehr musste bedingt durch die Fachwerkbauweise viel Löschwasser aufwenden. Sie setzte drei Drehleitern und mehrere tragbare Leitern dazu ein. Da es auch in den Nachmittagsstunden des Sonntags immer wieder zu einem Aufflammen im Bereich alter Dachbalken kam, wurde dann aus den Rohren Löschschaum auf das Dach abgegeben. Entsprechend durchnässt wurden die unteren Teile des Hauses. Der Löschschaum sammelte sich zuletzt vor dem Eingang der Pizzeria. Die Scheiben des Modegeschäfts waren indes von innen aufgrund der hohen Feuchtigkeit beschlagen.
Rund 120 Feuerwehrkräfte waren im Einsatz
Nach dieser Maßnahme konnte gegen 18.55 Uhr „Feuer aus“ gemeldet werden. Kurz danach verließen die Einsatzfahrzeuge über die untere Hauptstraße den Stadtteil. Im Verlauf des Abends und der Nacht zu Montag seien allerdings regelmäßig Kontrollen an der Einsatzstelle durchgeführt worden. Bei diesen habe keine neue Brandgefahr mehr festgestellt werden können, teilte die Feuerwehr am Montag mit. Insgesamt war die Feuerwehr Essen über einen Zeitraum von 14 Stunden mit insgesamt rund 120 Einsatzkräften im Einsatz.
Muss das Haus nun abgerissen werden? Oder wird es wieder saniert? Über die Zukunft des historischen Fachwerkbaus mag Bernhard Neuheuser derzeit nicht spekulieren. „Ich tue mich schwer damit, das jetzt zu beurteilen“, sagt der Eigentümer. Ein Gutachter sei bestellt. Erst dann werde man weitersehen und planen können.
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