Essen. Nach der Demo am 4. November in Essen mit Kalifatstaats-Forderungen setzen Islamisten ihre Mobilisierungskampagne offenbar fort.
Zuerst die islamistische Demo am 4. November, nun die mutmaßlichen Propaganda-Flugblätter von „Realität Islam“ in Essener Briefkästen: Islamistische Gruppierungen setzen offenbar ihre Mobilisierung in Essen fort und versuchen auf subtile Weise Kapital aus dem kriegerischen Nahost-Konflikt zu schlagen. Die Flyer zeigen ein einsames kleines Mädchen, das durch eine zerbombte und von Ruinen und Schuttbergen gesäumte Straße im Gaza-Streifen irrt.
Das Flugblatt, das Schuldgefühle bei der deutschen Bevölkerung wecken möchte, spricht im Text auf der Rückseite von „Völkermord in Gaza“ und schwadroniert von einer „deutschen Beteiligung“.
„Ja, der Polizei in Essen ist der Flyer bekannt“
Die Sicherheits- und Justizbehörden in Essen haben die mutmaßlich islamistisch motivierten Propaganda-Aktivitäten auf dem Schirm, allerdings hält man sich ziemlich bedeckt. „Ja, der Polizei Essen ist der Flyer bekannt“, erklärt eine Polizeisprecherin auf Anfrage unserer Redaktion. Und fügt hinzu: „Uns liegen keine Informationen vor, wo dieser Flyer im Stadtgebiet verteilt wird.“ Es sei jedoch bekannt, dass diese Flyer nicht ausschließlich in Essen, sondern im gesamten Land verteilt würden.
Auch in der ideologischen und strafrechtlichen Bewertung halten sich Polizei und Staatsanwaltschaft zurück: „Der Flyer liegt der Staatsanwaltschaft zur rechtlichen Prüfung vor. Eine abschließende Bewertung steht noch aus.“ Keine Zurückhaltung übt der Islamwissenschaftler Ahmad Omeirate. Für ihn sind die Flugblätter von „Realität Islam“ Teil einer breit angelegten Mobilisierungskampagne in Deutschland. „Dahinter steckt eindeutig islamistische Propaganda“, sagt Omeirate.
Islamwissenschaftler: Mehrheitsgesellschaft ist Adressat der Flyer
Flugblätter, wie sie aktuell in Essen verteilt werden, seien im Internet frei verfügbar und könnten von islamistischen Sympathisanten mühelos heruntergeladen und dann mit Hilfe von Kopierern in beliebiger Stückzahl unters Volk gebracht werden. „Drei, vier Leute tun sich zusammen und werfen sie bevorzugt in Briefkästen mit nicht-muslimischen Namen darauf.“
Zu den Adressaten zähle die Mehrheitsgesellschaft, die man in der Nahost-Frage vordergründig zum Umdenken bewegen und generell für den Islam gewinnen wolle. „Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft, die ohnehin Zweifel an der deutschen Nahost-Politik hegen, könnten sich bekehrt fühlen und womöglich sogar eine Moschee aufsuchen“, sagt Omeirate. Wer diese Flugblätter in Essen und anderswo verteile, stelle sich ehrenamtlich in den Dienst der muslimischen Gemeinschaft, der so genannten „Umma“.
Verfassungschutz sieht bei „Realität Islam“ ideologische Nähe zu Islamisten
Beobachter der islamistischen Szene in Essen berichten, dass auch im Umfeld des Einkaufszentrums Limbecker Platz Flyer von „Realität Islam“ verteilt würden. Dieser Redaktion liegen entsprechende Fotos vor. Eine dieser Aufnahmen zeigt einen mutmaßlichen Aktivisten, der Propaganda-Flyer im Parkhaus des Einkaufszentrums an Autofahrer verteilt.
Der Verfassungsschutz zählt Gruppierungen wie „Realität Islam“, „Generation Islam“ und „Muslim Interaktiv“ zu islamistischen Strömungen, „die eine ideologische Nähe zu der in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten „Hizb ut-Tahrir“ aufweisen“.
Experte: „Flugblätter gehören in den Müll“
Schon die Islamisten-Demo in Essen vom 4. November, bei der unter martialischen „Allahu Akbar“ (Allah ist größer)-Rufen die Errichtung des Kalifatstaates in Deutschland gefordert wurde, war Teil der Mobilisierungskampagne – auch dort wurden die Flyer verteilt. Der Hauptredner des Abends war Ahmad Tamin, der Sprecher von „Generation Islam“. Ein Aktivist, der nach Darstellung von Ahmad Omeirate zum Umfeld der panislamistischen Bewegung „Hizb ut-Tahrir“ zählt, die nicht nur die Gründung des islamischen Kalifatsstaates auf ihre Fahnen geschrieben habe, sondern auch die Auslöschung Israels fordere.
Der Islamwissenschaftler Ahmad Omeirate hat zu den Flyern eine klare Meinung: „Die Flugblätter gehören in den Müll.“
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