Der Versammlungsleiter soll in einer Formulierung eine von der Polizei verbotene Parole verpackt haben. Der Polizeipräsident meldet sich zu Wort.
Nach der islamistisch durchwirkten Demonstration mit 3000 Teilnehmern in Essen haben Staatsanwaltschaft und Polizei ein Strafverfahren wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung gegen den Versammlungsleiter der umstrittenen Kundgebung eingeleitet. Wie Polizeisprecher Thomas Weise am Montag erklärte, soll der 34 Jahre alte Essener ein von der Polizei im Vorfeld verbotenes antisemitisches Zitat benutzt haben.
Es werde geprüft, ob der Deutsch-Afghane beim Verlesen der beschränkenden Verfügungen der Polizei Beleidigungen geäußert habe, indem er Juden als Schweine bezeichnete und so das eigentlich Unaussprechliche aussprach: Nach Darstellung der Polizei benutzte er diese Formulierung, indem er explizit ausführte, dass genau diese Parole nicht auf der Demo gesagt werden dürfe. Ein Verbot dieser mutmaßlich strafbewehrten Aussage war ausdrücklicher Bestandteil der polizeilichen Auflagen, so Weise.
Bild- und Tonaufnahmenwerden noch ausgewertet
Auch wenn ein Versammlungsleiter verpflichtet ist, Teilnehmern die polizeilichen Auflagen kundzutun, kommt es aus Sicht der Strafverfolger offenbar darauf an, wie er es tut. Werden bestimmte Passagen besonders betont, andere eher leise ausgesprochen etwa. Dass der Ton auch in solchen Fällen die Musik machen kann, haben Gerichte bereits bestätigt.
In einem Statement machte Polizeipräsident Andreas Stüve am Montag deutlich, dass Verstöße einzelner Teilnehmer die Polizei in der Regel nicht berechtigen, eine gesamte Versammlung aufzulösen. Gleichwohl, so der Behördenleiter, werden gegen diese Personen entsprechende Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. „Auch wenn für uns bestimmte Äußerungen und Auffassungen schwer erträglich sind, sind wir an Recht und Gesetz gebunden“, sagte Stüve: „Wir schützen keine Meinungen, sondern unsere Grundrechte.“
Thomas Weise sagte, einer noch am Wochenende gegründeten Ermittlungskommission beim Staatsschutz lägen inzwischen zahlreiche Bild- und Tonaufnahmen der Versammlung vor, deren erschreckende Bilder am Freitag um die Welt gingen. Das Material werde durch den Polizeilichen Staatsschutz, Islamwissenschaftler und Dolmetscher gemeinsam ausgewertet.
Zu prüfen sei, ob strafrechtlich relevante Aspekte festzustellen sind, „die im Laufe der Versammlung am Freitagabend nicht beobachtet wurden“, so der Polizeisprecher. Dies gelte insbesondere auch für die gezeigten Fahnen, Banner, Transparente und Redebeiträge sowie mögliche weitere Verstöße gegen die Auflagen der Versammlung.
Denkbar wäre eine Straftatnach dem Versammlungsgesetz
Gleichzeitig versuchten Polizeiexperten herauszufinden, ob die Versammlung zum Schein unter dem Motto „Gaza unter Beschuss – gemeinsam gegen das Unrecht“ angemeldet worden war, obwohl das Ziel womöglich eine islamistisch dominierte Demo mit religiösem Anstrich war. Wenn dem so wäre, bestätigte Weise auf Nachfrage, „ist das eine Straftat nach dem Versammlungsgesetz“.
Am Montagmittag gab es dazu eine erste Einschätzung der Ermittlungskommission: „Der größte Teil der Versammlung hatte einen Pro-Palästina-Bezug“, sagte Polizeisprecher Thomas Weise: „Im Großen und Ganzen hat man sich also an das angezeigte Thema gehalten.“
Auch wenn der Eindruck der Beobachter ein anderer gewesen sein mag: Denn bei der Demonstration waren neben palästinensischen Symbolen auch Flaggen gezeigt worden, die den verbotenen Kennzeichen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat und der von radikalislamischen afghanischen Taliban ähnelten. Teilnehmer forderten auf Transparenten die Gründung eines Kalifats. Ordner trennten Geschlechter strikt. Frauen und Kinder mussten am Ende des Aufzugs laufen und bei der Abschlusskundgebung separiert von den Männern stehen.