Essen-Stoppenberg. Auf einem Rundgang über das Essener Welterbe-Gelände erklärt Ingo Pohlmann auch, wie es zur Namensgebung der Zeche Zollverein kam.

Superlative gibt es auf dem Gelände der Essener Zeche Zollverein viele. Ein riesiges Grubenfeld mit fünf Schachtanlagen, das sich bis zum Schalker Markt erstreckte. Bis zu 25.000 Tonnen Rohkohle täglich. Das markante Wahrzeichen, der Doppelbock von Schacht XII, steht für das leistungsfähigste Förderwerk der Welt. Ingo Pohlmann nimmt für das Paul-Gerlach-Bildungswerk der Awo diesmal Zollverein in Augenschein. Der Gästeführer ist ein wandelndes Lexikon, so viel steht nach zweieinhalb unterhaltsamen Stunden fest. Informationen sprudeln nur so, mit Verve und Herz serviert. Heute geht es um karbonisierte Pflanzenreste, also um Kohle.

Treffpunkt ist an der langen Rolltreppe, die hoch zum Ruhrmuseum führt. Vor Postkartenkulisse gibt es beeindruckende Zahlen: „Bis zu 450.000 Bergleute arbeiteten zeitgleich im Revier. In Essen waren es in den 1960er Jahren an die 65.000 Kumpel.“ Harte, ehrliche, aber auch gefährliche Arbeit war das: „In den 1930er Jahren kamen im Ruhrgebiet jährlich 500 Bergleute um.“

Zeche Zollverein wäre fast abgerissen worden

Die „schönste Zeche der Welt“ wäre fast abgerissen worden, nachdem sie als letzte ihrer Art in Essen im Jahr 1986 die Förderung eingestellt hatte. Die Stadt Essen hatte zunächst kein Interesse und hätte Zollverein wohl geopfert. Ein architektonisches Juwel im Stile der „neuen Sachlichkeit“ mit Stahlfachwerk, gefüllt mit schlichten Backsteinen. Pohlmann berichtet: „Drei Wochen bevor die Abrissbirne kam, wurde alles von der Unteren Denkmalbehörde unter Schutz gestellt. Zunächst gammelte es vor sich hin.“ Heute ist Zollverein pulsierendes Zentrum kreativer Energie.

Die Rolltreppe zum Ruhr Museum gehört mittlerweile zum Markenzeichen des Welterbe-Geländes Zollverein.
Die Rolltreppe zum Ruhr Museum gehört mittlerweile zum Markenzeichen des Welterbe-Geländes Zollverein. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Im nördlichen Ruhrgebiet sitzt die Fettkohle. Eine sehr dichte Kohle mit einem Kohlenstoffgehalt von 88 Prozent. Zu deren Tiefe man erst vorstoßen konnte, als die Dampfmaschine aufkam. Die häufigste Kohlenart im Ruhrgebiet und bestens geeignet für Hüttenkoks. Von der Unesco wurde die Zeche Zollverein vor allem wegen ihrer Kokerei geadelt. Der immerhin zweitgrößten unseres Planeten: „Das ist der Grund, warum wir hier in einem Welterbe herumspazieren können.“

Eisenbahn entscheidend für Zollverein als Standort

Warum eigentlich heißt die Zeche Zollverein und nicht Elisabeth, Katharina oder Hubert? Gut 13 Jahre, bevor Franz Haniel 1847 hier die erste Schachtanlage abteufte, war von 13 Staaten der Deutsche Zoll- und Handelsverein gegründet worden. Davor war Deutschland geprägt von Kleinstaaterei mit jeweils eigenen Maßen, Währungen, Zeitzonen, erklärt Pohlmann: „Wie unpraktisch für Geschäftsleute wie Haniel. Der Zollverein war quasi die erste EU.“ Entscheidend für den Standort war der nahe Streckenverlauf der Köln-Mindener Eisenbahn.

Anfang der 90er-Jahre kamen die Bergleute zur letzten Schicht zur Zeche Zollverein. Danach endete der reguläre Betrieb.
Anfang der 90er-Jahre kamen die Bergleute zur letzten Schicht zur Zeche Zollverein. Danach endete der reguläre Betrieb. © Archiv Stiftung Zollverein

Die Kohle wurde mithilfe gigantischer Treibscheiben ans Tageslicht befördert aus 27 Flözen, die zwischen 160 und 1050 Metern tief lagen. Was für eine Präzisionsarbeit: „Um den Korb aus dieser Tiefe hochzuziehen und dann sanft, aber exakt abbremsen zu können, bedurfte es schon einer gewissen Erfahrung.“ Absolute Konzentration war gefragt, sagt Pohlmann schmunzelnd: „Fördermaschinist war wohl der ideale Job für einen Einzelgänger.“

Wasserdampfwolken prägten das Bild in Essen und Umgebung

Der Gästeführer lenkt seine Schäfchen in Richtung Kokerei. In 304 Ofenkammern entstand der pechschwarze Stoff, den die Hüttenwerke so dringend benötigten: „Ohne Koks kein Eisen.“ Pohlmann erläutert das Prinzip: „Kohle aus 300 Metern Tiefe hat andere physikalische Eigenschaften als welche aus 1000 Metern.“ Also wurden unterschiedliche Kohletypen gemischt, um immer bei einer „Backzeit“ von 20 Stunden zu bleiben. Denn hier wurde in der Tat aus jeweils 28 Tonnen Kohlenstaub ein gigantischer Kuchen „gebacken“. Genauer gesagt, bei 1100 Grad Celsius unter Luftausschluss entgast.

Der Koks wurde dann aus der Ofenkammer rausgedrückt und im Löschwagen zum Löschturm gebracht. Dort stürzte Wasser drauf. Das ergab die riesigen Wasserdampfwolken, die auch das Bild vom Revier prägten. Das in den Ofenkammern entstandene Gas wiederum wurde der „weißen Seite“ der Kokerei zugeführt, also der chemischen Industrie. Ingo Pohlmann schnalzt mit der Zunge: „Mit den Kohlenwertstoffen wurde das meiste Geld gemacht, etwa für Benzin, Kosmetik oder Farben. Das war eine Gelddruckmaschine.“

Anmeldungen für historische Rundgänge

Anmeldungen für historische Rundgänge mit Ingo Pohlmann fürs Paul-Gerlach-Bildungswerk der Awo können bei Lilia Gerlach unter 0201 1897421 oder unter lilia.gerlach@awo-essen.de vorgenommen werden. Dort gibt es auch Infos wie Treffpunkte und -zeiten sowie Teilnahmegebühr.

Ingo Pohlmann selbst ist unter 01575 2010754 oder per E-Mail unter stadtfuehrungen-essen@web.de zu kontaktieren. Weitere Informationen sind auf der Seite www.stadtfuehrungen-essen.de erhältlich.

Ingo Pohlmanns Rundgänge