Essen. Auf Zollverein in Essen hat die Zukunft schon begonnen: Eine Woche lang fahren besondere Busse versuchsweise über das Welterbe-Gelände.

Wer immer schon mal gerne, an Bord eines autonom fahrenden Fahrzeugs sein wollte, hat dazu jetzt auf der Welterbe-Zeche Zollverein die Gelegenheit. Bis einschließlich Sonntag pendeln die beiden Mini-Busse zwischen dem Werner-Müller-Platz vor dem Ruhr Museum bis zur Mischanlage der Kokerei. Der ganze Spaß ist für die Fahrgäste kostenlos und die E-Busse fahren im 20-Minuten-Takt. Ganz ohne Mensch funktioniert der Sieben-Tage-Probelauf auf Zollverein allerdings nicht.

Ein sogenannter „Safety Operator“, eine Art Aufpasser, sorgt auf der 1100 Meter langen Teststrecke am Fuße des markanten Doppelbocks von Schacht XII für Sicherheit. Er hat einen Joystick vor der Brust und lässt das Fahrzeug übers Welterbe-Gelände gleiten. Dabei bleibt er weitgehend tatenlos. Ab und zu blinkt und piept es, etwa beim Ein- und Aussteigen, der Motor ist nahezu geräuschlos.

Zollverein-Vorstand Prof. Theo Grütter: „Das ist die Zukunft“

Zwölf Personen passen in einen Bus: Es gibt sechs Sitzplätze und fünf Stehplätze für die Fahrgäste sowie einen Platz für den „Safety Operator“, der sicherheitshalber aufpasst.
Zwölf Personen passen in einen Bus: Es gibt sechs Sitzplätze und fünf Stehplätze für die Fahrgäste sowie einen Platz für den „Safety Operator“, der sicherheitshalber aufpasst. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

„Das ist die Zukunft“, frohlockt Zollverein-Vorstand Prof. Theo Grütter beim Pressetermin. Das Zollverein-Areal sei vom Verkehrsaufkommen her eher ein geschützter Raum und eigne sich deshalb hervorragend für diesen Versuch. Zollverein sei längst ein markanter Transformationsstandort: weg von der Steinkohle und hinzu zu einem Standort für Wirtschaft, Kultur, Design, Wissenschaft und Digitales. „Ich kann mir gut vorstellen, dass der Verkehr auf Zollverein in Zukunft autonom fließt, also vollständig fahrerlos“, fügt Grütter optimistisch hinzu.

Die beiden E-Busse sind eine Leihgabe der Stadt Monheim, in der eine automatisiert fahrende Flotte aus fünf Mini-Bussen bereits seit drei Jahren in der historischen Altstadt unterwegs ist. Seitdem hat sie 180.000 Kilometer zurückgelegt und rund 2000 Fahrgäste im Monat sicher ans Ziel gebracht. Die 40.000 Einwohner-Stadt zwischen Düsseldorf und Köln war damals die europaweit erste Stadt, die automatisiert fahrende Busse für den ÖPNV auf die Straße brachte.

Fahrzeug zuckelt mit gemütlichen 10 km/h über das Welterbe-Gelände

Mobilität von morgen: Die Zukunft fährt eine Woche lang auf Zollverein.
Mobilität von morgen: Die Zukunft fährt eine Woche lang auf Zollverein. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Wer seitlich vor dem Bus steht, vermag auf Anhieb nicht zu erkennen, wo vorne und wo hinten ist. Bei einer Leistung von zwei Mal acht Kilowatt könnte der Bus mühelos mit 50 km/h übers Gelände flitzen, doch das tut er nicht. Auf Zollverein zuckelt er sicherheitshalber mit gemütlichen 10 km/h übers Gelände. Der Hersteller „Easy Smile“ aus Toulouse (Frankreich) hat den Bus gedrosselt. „In Monheim fährt er 16 km/h und das nur in Tempo-30-Zonen“, betont Frank Niggemeier-Oliva, Geschäftsführer der Bahnen der Stadt Monheim.

Der Hersteller der autonomen Busse heißt „Easy Mile“ und hat seinen Standort in Toulouse (Frankreich).
Der Hersteller der autonomen Busse heißt „Easy Mile“ und hat seinen Standort in Toulouse (Frankreich). © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Das vier Meter lange Fahrzeug (Anschaffungspreis 250.000 Euro) fasst elf Fahrgäste, von denen sechs einen Sitzplatz haben, auf dem sie sich anschnallen müssen. Für die übrigen Passagiere gibt es Stehplätze. Frauen mit Kinderwagen, behinderte Menschen im Rollstuhl und Senioren mit Rollator werden ebenso transportiert. Der Bus hat ein Leergewicht von rund zwei Tonnen, er verfügt über Allradlenkung, Vierradantrieb und 31 Kilowattstunden Batteriekapazität.

Seit einem Oslo-Trip weiß Verkehrsdezernentin Simone Raskob, wie beliebt autonome Busse bei den Fahrgästen sind. „Autonomes Fahren ist auch für die Ruhrbahn in Essen ein Thema“, sagt die Spitzenbeamtin und verweist auf den akuten Personalmangel in Bussen und Straßenbahnen. „Wir kriegen keine Fahrer“, so Raskob. Ihre Hoffnung: In geschützten Bereichen etwa auf unterirdischen Streckenabschnitten könnten autonom fahrende Bahnen den Personalmangel ausgleichen.

„Die Busse fahren so genau wie auf Schiene“

Angesichts der rund zwei Millionen Touristen auf Zollverein rechnet die Dezernentin mit einem lebhaften Interesse des Publikums an den autonomen Bussen. Auch Geschäftsführer Niggemeier-Oliva will die Menschen buchstäblich mitnehmen. „Die Busse sollen ja voll sein, denn Technologie kann sich nur mit Erfahrung entwickeln.“

Die Teststrecke auf Zollverein ist so präzise einprogrammiert worden, dass es zu minimalsten Abweichungen von lediglich vier Millimetern komme. „Die Busse fahren so genau wie auf Schiene.“ Und wenn plötzlich ein Radfahrer um die Ecke kommt oder ein Kind vor den Bus läuft? „Dank seiner Sensoren bremst er entweder rechtzeitig langsam ab oder er macht sofort eine Vollbremsung“, betont der Experte aus Monheim.

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