Essen. Die sechs Monate alte Nila wurde in Essen zu Tode geschüttelt. Im Prozess gegen den Vater kommen immer mehr erschreckende Details ans Tageslicht.
Der Prozess um den gewaltsamen Tod der kleinen Nila aus Essen ist am Dienstag fortgesetzt worden. Eine Mitarbeiterin des Jugendamtes erzählte vor Gericht, dass auch der dreijährige Bruder völlig verwahrlost und unterernährt gewesen ist. „Der Junge war total verdreckt, alle Zähne waren kariös“, sagte die Zeugin den Richtern. Besonders bedrückend: Die Mutter scheint das Interesse an ihrem Sohn inzwischen komplett verloren zu haben.
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Der kleine Junge ist im Februar aus der Familie geholt worden. „Er ist noch immer völlig verängstigt und kann bis heute nicht sprechen“ sagte die Mitarbeiterin des Pflegekinderdienstes. Außerdem habe er regelrechte Entzugserscheinungen nach Süßigkeiten. „Er hat immer nur Pommes, Pizza, Nuggets und Süßes gekriegt.“ Die völlig verfaulten Backenzähne hätten unter Vollnarkose gezogen werden müssen.
Essener Schwurgericht: Angeklagter Vater schweigt zu den Vorwürfen
Jugendamt und Polizei waren Ende Februar auf die Familie aus Altendorf aufmerksam geworden, als die damals sechs Monate alte Nila mit schwersten Kopfverletzungen ins Krankenhaus kam. Einen Tag später war sie tot. In der Uniklinik Essen wurde eine massive und am Ende tödliche Hirnschwellung festgestellt, außerdem Blutungen. Der Vater, der nun vor Gericht steht, soll sie zu Tode geschüttelt haben. Er selbst schweigt zu den Vorwürfen.
Im Prozess am Essener Schwurgericht wird derweil immer deutlicher, dass die beiden Kinder unter katastrophalen Bedingungen gelebt haben müssen. „Der kleine Bruder hat nicht einmal in einem Bett geschlafen“, so die Zeugin am Dienstag. „Er hat sich in der Wohnung seiner Eltern abends einfach irgendwo zum Schlafen hingelegt.“ Das hätte ihr die Mutter gesagt, berichtete sie.
„Wenn die Stimmen lauter werden, verkriecht er sich sofort unter einem Stuhl“
Die extreme Vernachlässigung ist auch ein Problem für die Bereitschaftspflegefamilie, in der sich der Junge seit seiner Inobhutnahme befindet. „Das Kinderbett hat er sofort kaputtgemacht. Weil er einfach nicht hineinwollte.“ Außerdem sei er völlig verängstigt. „Wenn die Stimmen lauter werden, verkriecht er sich sofort unter einem Stuhl.“
Auch sprechen könne der Dreijährige nicht. „Er kann nur ein paar Worte – Ball zum Beispiel.“ Ansonsten lautiere er nur. Auch bewegen könne er sich nicht richtig. „Weil er früher fast nie draußen war.“
Mutter traf ihren Sohn zweimal seit der Inobhutnahme
Die Mutter habe ihren Sohn seit der Inobhutnahme zweimal in den Räumen des Jugendamtes getroffen. Das war im Mai und im Juni. Danach habe es keine Besuchskontakte mehr gegeben, sämtliche Besprechungstermine habe die 22-Jährige immer wieder kurzfristig abgesagt.
Nach Angaben der Jugendamtsmitarbeiterin muss der Bruder der getöteten Nila dringend eine Trauma-Therapie absolvieren. Bis jetzt ist allerdings immer noch nicht klar, wo er perspektivisch leben soll. Fest stehe nur: Bei der Bereitschaftspflegefamilie kann er dauerhaft nicht bleiben.
Dem angeklagten Vater droht im Falle einer Verurteilung eine langjährige Haftstrafe. Die Anklage lautet auf Totschlag und Kindesmisshandlung. Der Prozess wird fortgesetzt.
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