Essen. Ein sechs Monate altes Baby aus Essen wird geschüttelt und geschlagen. Es stirbt an den Folgen. Jetzt steht der Vater vor Gericht.
Bei dieser Anklage kommen einem fast die Tränen: Vor rund sieben Monaten ist die kleine Nila aus Altenessen brutal misshandelt worden. Der eigene Vater soll dem Mädchen die Luft abgedrückt und sie dann so stark geschüttelt haben, dass Blut aus Mund und Nase lief. Seit Mittwoch steht der 24-Jährige in Essen vor Gericht – und schweigt. Nila wurde nur sechs Monate alt. Die Anklage lautet auf Totschlag.
Es war der 20. Februar, als die Rettungskräfte in der völlig verwahrlosten Wohnung an der Oberdorfstraße auftauchten. Die Wände waren voller Schimmel, die Stromkabel nur notdürftig isoliert, es gab weder eine Badewanne noch eine Dusche. Unter dem Wasserhahn stand ein Eimer mit dreckigem Wasser.
Schwere Hirnverletzungen
16 Minuten lang ist Nila damals reanimiert worden. Das kleine Herz hat auch tatsächlich noch einmal angefangen zu schlagen. Trotzdem gab es keine Hoffnung. Das Baby ist zwei Tage später im Krankenhaus gestorben. Die Ärzte haben massive Hirnschädigungen festgestellt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass den Angeklagten das Weinen des Kindes gestört hat. Seine eigenen Gedanken sollen sich nur um Marihuana, Kokain und Zigaretten gedreht haben. Fast alles Geld soll für seinen eigenen Drogenkonsum draufgegangen sein.
In die Zunge gebissen
Am Tattag soll der 24-Jährige schon mittags unruhig und aggressiv gewesen sein. Geld und Rauschgift
waren nicht mehr vorhanden. Als die kleine Nila schließlich weinte, soll er völlig ausgerastet sein. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er dem Säugling das Gesicht zusammengequetscht, die Zunge herausgezogen und dann sogar hineingebissen hat. Außerdem hat er das Baby angeblich brutal geschüttelt.
Nila war blau angelaufen
Die Mutter war offenbar in der Küche, wollte gerade eine Flasche für Nila fertig machen. Das Nächste, was sie gesehen haben will, war ihre Tochter, die offenbar schon ganz blau angelaufen war. Ihr Mann soll noch versucht haben, sie mit kaltem Wasser wieder „aufzuwecken“. Dann hat er das Baby laut Anklage erneut geschüttelt. Der Verdacht war damals zunächst auf die Mutter gefallen. Sie saß fast einen Monat lang in Untersuchungshaft. „Ich sollte sagen, dass das Kind an der Milch erstickt ist“, sagte die 22-Jährige später bei der Polizei. „Und dass mein Mann damals gar nicht zu Hause war.“ Beides hat sie später korrigiert.
Junge Mutter in Tränen
Die entscheidende Vernehmung ist damals im Essener Polizeipräsidium per Video aufgezeichnet worden. Die audiovisuelle Vernehmung ist am ersten Verhandlungstag im Essener Landgericht vorgespielt worden. Zu sehen war eine junge Mutter in Tränen. „Als ich meine Tochter gesehen haben, habe ich angefangen zu zittern“, sagte sie dem Vernehmungsbeamten mit stockender Stimme. Anschließend die 22-Jährige sofort entlassen worden. Nun war es ihr Mann, auf den sich die Ermittlungen konzentrierten.
Sohn in Pflegefamilie
In der Essener Wohnung hat auch noch der knapp dreijährige Sohn des Paares gelebt. Er ist damals sofort in eine Pflegefamilie gekommen. Laut Anklage war er stark unterernährt. Weil offenbar ständig Geld fehlte, soll er sich vor allem von Süßigkeiten ernährt haben. Mit schlimmen Folgen. Laut Anklage waren die vorderen Zähne schon komplett schwarz. Sie mussten gezogen werden. „Die Mutter ist sehr traurig“, sagte ihre Anwältin Eva Berger am Rande des Prozesses. Auch, weil sie ihren Sohn nicht mehr sehen kann. Und auf die Frage, warum die 22-Jährige Sohn und Tochter nicht beschützen konnte: „Sie hat es nicht geschafft, sich gegen den Vater der Kinder durchzusetzen.“