Essen. In Essen-Altendorf ist ein Baby im Februar misshandelt worden, zwei Tage später starb das Mädchen. Vor Gericht sagte jetzt der Notarzt aus.
Im Prozess um den gewaltsamen Tod der kleinen Nila aus Essen-Altendorf sind am Freitag (13.10.) Bilder des Baby-Leichnams per Beamer auf zwei riesengroße Leinwände geworfen worden. Richter Jörg Schmitt hatte zuvor eine Warnung ausgesprochen. Wer die Fotos nicht sehen wolle, könne sich wegdrehen.
Die Polizei hatte die Bilder bei der Obduktion des sechs Monate alten Säuglings aufgenommen. Der angeklagte Vater wandte sich im Gerichtssaal immer wieder ab, hielt sich die Hand vor die Augen, kämpfte mit den Tränen. –
Notarzt rückte im Februar nach Essen-Altendorf aus
Der 24-Jährige soll seiner Tochter am 20. Februar dieses Jahres Mund und Nase zugehalten und sie dann brutal geschüttelt haben, weil ihn das Weinen des Kindes gestört haben soll. Als der Notarzt damals in der Wohnung eintraf, lag Nila leblos in ihrem Kinderbettchen. Das Mädchen hatte nur eine Windel an, die Matratze war löchrig, es gab nicht mal ein Bettlaken. An den Wänden machte sich der Schimmel breit. Rund eine Viertelstunde ist das Baby damals reanimiert worden. „Ich hatte eine Nulllinie“, sagte der Notarzt am Freitag als Zeuge vor dem Essener Schwurgericht. „Dann war der Kreislauf endlich wieder da.“
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In der Wohnung hätten sich zu dem Zeitpunkt zahlreiche Erwachsene versammelt. Alle sprachen durcheinander, in einer für ihn unverständlichen Sprache. Kinder seien quer durchs Zimmer gelaufen. Viel mehr habe der Notarzt dann aber auch nicht mitbekommen. „Ich war wie im Tunnel, habe mich ganz auf die Patientin konzentriert. Das war eine absolute Ausnahmesituation.“
„Erst hieß es, das Baby hätte sich beim Trinken verschluckt“
Neun Jahre ist der Essener schon als Notarzt im Einsatz. Nila war das erste Baby, das er wiederbeleben musste. Als das kleine Herz schließlich wieder schlug, atmeten auch er und die anwesenden Rettungssanitäter erleichtert auf. „Mehr konnten wir nicht machen.“ In der Essener Uniklinik wurde später dann aber eine massive und am Ende tödliche Hirnschwellung festgestellt, außerdem Blutungen.
Die behandelnde Kinderärztin war für den Einsatz damals extra noch einmal ins Klinikum gerufen worden. „Erst hieß es, das Baby hätte sich beim Trinken verschluckt“, sagte sie den Richtern am Freitag. Doch daran kamen immer mehr Zweifel auf. Was die erfahrende Ärztin zusätzlich verstörte: Die Mutter war damals gar nicht im Krankenhaus geblieben. „Dabei hätten wir alles möglich gemacht, damit sie hier übernachten kann.“
Essener Kinderärztin: Mutter habe nicht ins Krankenhaus kommen wollen
Auch ein Anruf gegen Mitternacht habe Nilas Mutter nicht in Alarmbereitschaft versetzt. „Dabei habe ich ihr gesagt, dass ihre Tochter die Nacht möglicherweise nicht überleben wird“, so die Ärztin. Und dass sie sich vielleicht von ihrer Tochter verabschieden müsse. Die Reaktion der damals 22-Jährigen sei jedoch völlig emotionslos gewesen. Die Mutter habe trotz der dramatischen Situation nicht ins Krankenhaus kommen wollen.
Die Kinderärztin hatte damals die Polizei alarmiert – wegen des Verdachts auf Kindesmisshandlung. An ein Verschlucken mit anschließendem Atemstillstand hatte in der Uniklinik offenbar niemand geglaubt. Die Mutter war daraufhin auch schnell festgenommen worden. Aus der Untersuchungshaft heraus hatte sie nach rund einem Monat dann jedoch ihren Ehemann beschuldigt. Mit der Folge, dass sie wieder freikam. Dafür wurde der Vater des Mädchens festgenommen. Er schweigt zu den Vorwürfen.
Nila hat bei ihrem Tod nur 5,5 Kilo gewogen – bei 69 Zentimetern Körpergröße. „Ausgemergelt“, war das Wort, das der Notarzt im Prozess gebrauchte. Wie es heißt, habe das kleine Mädchen nicht einmal Babymilch bekommen, sondern nur Kuhmilch, weil diese billiger ist. Die Anklage lautet auf Totschlag. Mit einem Urteil ist voraussichtlich Mitte November zu rechnen.
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