Essen. Gerry Hungbauer gehört lange zu den Publikumslieblingen der ARD-Telenovela. Jetzt ist er als Professor Higgins in Essen zu sehen.

Kein Dialekt verrät seinen Geburtsort, nicht einmal ein Akzent lässt Rückschlüsse zu. Phonetik-Professor Henry Higgins hätte an seinem Hochdeutsch mit eingestreuten Anglizismen einiges zu knacken gehabt. Jetzt spielt Gerry Hungbauer (63), lange Star der ARD-Telenovela „Rote Rosen“, den versnobten Sprachwissenschaftler aus „My Fair Lady“ selbst. Am Aalto-Theater steht der Musical-Klassiker ab 5. Oktober wieder auf dem Programm.

Das haben wir zum Anlass genommen, den Artikel über Gerry Hungbauer vom September 2023 erneut zu veröffentlichen.

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Er steht mit einem internationalen Ensemble auf der Bühne, doch Gerry Hungbauer wirkt gechillt. Er kennt das. Vor seiner Fernsehkarriere hat der gebürtige Münchner jahrelang Theater gespielt. Bereits in der privaten Ausbildung zum Schauspieler stand er auf der Bühne und drehte. Als freier Akteur gastierte er in Bern, Frankfurt, Hamburg, später war er fest am Pfalztheater Kaiserslautern und Staatstheater Karlsruhe engagiert. „Von Komödie bis Klassiker habe ich alles gemacht. ,Die drei Musketiere’ und ,Cyrano de Bergerac’ haben mir Spaß gemacht, aber auch Goethes ,Faust’“, erzählt er.

Der Essener Gast wurde mit „Verbotene Liebe“ einem breiten Publikum bekannt

Nach Gastrollen in diversen Serien wurde er mit „Verbotene Liebe“ 2001 einem breiten Publikum bekannt. Zwei Jahre war er Martin von Beyenbach. Dann kam „Rote Rosen“. „Mir gefiel das Format so gut. Eine tägliche Serie über eine Frau um die 40 und ich konnte mich vom bad guy zum good guy entwickeln“, erklärt er seinen Wandel vom Steuerberater und Ehebrecher Thomas Jansen zum Oberbürgermeister. 15 Jahre ging das von Staffel zu Staffel gut.

Er fühlte sich wohl mit der „super Cast“. Selbst die Wortgefechte mit der Serienmutter Brigitte Antonius waren stets schnell beigelegt. Lüneburg gefiel ihm. Er zog für die Arbeit dorthin und wohnt mit seinen beiden Söhnen und seiner Frau immer noch dort. 2021 lief sein Vertrag aus. Nach 3450 Folgen wurde er nicht verlängert. „Das war ja zu erwarten, dass irgendwann eine Durststrecke kommt. Man wollte wahrscheinlich neue Figuren einbringen“, meint er heute verständnisvoll. Damals, mitten in der Corona-Krise, hat es ihn hart getroffen. „Es gab keine Angebote. Ein Jahr hatte ich nur einen Drehtag.“

Dem Fernsehstar aus der ARD-Serie „Rote Rosen“ ist das Musicalfach nicht fremd

Gerry Hungbauer (Thomas) mit seinen „Rote Rosen“-Kolleginnen Brigitte Antonius (v.l.)) als Mutter Johanna, Angela Roy als Ehefrau Petra und Kim Sarah Brandts als Tochter Jule feiern das 10-jährige Bestehen der ARD-Telenovela, die mittlerweile seit 18 Jahren auf dem Bildschirm ist.
Gerry Hungbauer (Thomas) mit seinen „Rote Rosen“-Kolleginnen Brigitte Antonius (v.l.)) als Mutter Johanna, Angela Roy als Ehefrau Petra und Kim Sarah Brandts als Tochter Jule feiern das 10-jährige Bestehen der ARD-Telenovela, die mittlerweile seit 18 Jahren auf dem Bildschirm ist. © dpa | Philipp Schulze

Mittlerweile hat er sich gefangen. Über eine Kollegin erfuhr er, dass am Aalto-Theater ein Professor Higgins gesucht wird und er sprach und sang vor. Das Musicalfach ist ihm nicht fremd. In „Anatevka“ und „Hello Dolly“ war er zu sehen. In Lüneburg, wo „Rote Rosen“ gedreht wird, auch „Im weißen Rössl“. „Das Gute an den Dreharbeiten zu der Telenovela: Man fängt um acht Uhr an, ist nachmittags fertig und hat am Abend und am Wochenende frei“, so Gerry Hungbauer. Das ist nun anders. Für die Vorstellungen reist er an.

Damit steht er in einer Tradition des Essener Musiktheaters, Musicals mit bekannten Schauspielern oder Sängern zu besetzen. 2000 spielte Harald Dietl („Die Männer vom K3“) in „Anatevka“ mit, 2004 Guildo Horn in „Kiss me, Kate“. Auch Charles Brauer und Ulrich Wildgruber gehörten auch dazu. Und nun Gerry Hungbauer in „My Fair Lady“.

Zuvor hat er die Rolle des selbstherrlichen Phonetik-Professors noch nicht verkörpert. Basierend auf George Bernard Shaws „Pygmalion“ von 1913 und dem Film von Gabriel Pascal erzählt das Musical von Frederick Loewe und Alan J. Lerner von Henry Higgins, der mit seinem Freund, Oberst Pickering (Rainer Maria Röhr) wettet, dass nicht die Herkunft, sondern die Sprache das Ansehen eines Menschen ausmacht.

Die Essener Inszenierung zeigt das Blumenmädchen Eliza als Zugereiste

„My Fair Lady“ in Essen

Die Essener Inszenierung des Musicals „My Fair Lady“ wird am Samstag, 5. Oktober, 19 Uhr, am Aalto-Theater wiederaufgenommen. Es gibt noch Karten.

Regisseurin Ilaria Lanzino wählt für ihre Inszenierung einen zeitgenössischen Zugriff auf den Stoff, der 1913 unter dem Titel „Pygmalion“, einem Schauspiel von George Bernard Shaw, uraufgeführt und 1938 verfilmt wurde. Die romantisierende Musicalversion von 1956 und deren Verfilmung von 1964 mit Audrey Hepburn wurden zum Publikumserfolg. Die italienische Regisseurin lenkt den Fokus auf die Absurditäten der deutschen Sprache, den Zusammenprall verschiedener Generationen, Geschlechter sowie privilegierter und weniger privilegierter Menschen.

Karten und weitere Termine (6., 26.10., 2.11.) unter 0201 8122 200 und online auf www.theater-essen.de

Mit dem Blumenmädchen Eliza, will er den Beweis für seine Theorie antreten. „Sie will Deutsch lernen. Sie ist eine Zugereiste in der Inszenierung“, erklärt er den Zugriff auf das Erfolgsmusical. Dabei geht er nicht gerade human mit ihr um. Dennoch sieht Hungbauer ihn nicht als Frauenfeind: „Natürlich ist er grob und herablassend. Aber er meint es nicht so. Er hat schon mit Frauen gelitten.“ Ansonsten falle das Musical bei Regisseurin Ilaria Lanzino moderner als üblich aus. „Drehbühne, Ballett, Chor und Lieder, die sofort ins Herz gehen. Da wird einem schon was geboten“, meint er.

Auch ihm wird einiges geboten. „Total positiv überrascht“ zeigt sich der sportliche „Rote Rosen“-Star, der läuft, auf Berge steigt, Ski fährt, Fußball spielt und nicht zuletzt Golf-Fan ist, von Essen. Während der Probenphase hat er drei Golfplätze entdeckt, die ganz nach seinem Geschmack sind. „Oefte“ nannte er sensationell. „Das ist wie in den Alpen“, sagt er. Und das Sightseeing hat ihm gut gefallen. Folkwang Museum, Villa Hügel, Baldeneysee begeistern ihn. Oder wie er des Öfteren sagt: „Das war sehr nice.“

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