Rees/Emmerich. Schäfer Mark Ricken aus Rees sorgt sich um seine Schafe. Warum er Kommentare zum Wolf in sozialen Netzwerken nicht nachvollziehen kann.
Ein neugieriger Empfang erwartet die Besucher auf dem Schafhof von Mark Ricken in Rees. Und wenn der Deichschäfer mit dem Futtereimer in den Pferch steigt, wird es richtig laut. Auf dem Hof, den Mark Ricken vor zwei Jahren von seinem Vater Josef (65) übernommen hat – „aber eigentlich kann man ihn gar nicht aus dem Stall bekommen“ –, kümmert er sich gemeinsam mit Ehefrau Sabrina (37) und unter den staunenden Blicken von Tochter Mathilda (neun Monate) um derzeit rund 600 Muttertiere und 500 Lämmer. Sein Gebiet erstreckt sich von Rees-Bergswick bis zum Yachthafen Emmerich. Er liebt seinen Beruf, aber die Sorgen wegen Wolfssichtungen nehmen zu, ebenso der Ärger über fehlende Hilfen und die Verharmlosung der Existenzängste der Schäfer.
Der Tag des 38-Jährigen beginnt früh: Um vier Uhr fährt er zum Melken auf einen Milchviehbetrieb, das macht er nebenbei. Um 7.30 Uhr geht es an den Drei-Generationen-Frühstückstisch, die einzige Zeit des Tages, an der die ganze Familie zusammen ist, eine feste Institution. Dann ist es Zeit für die Stallarbeit und die Kontrolle der Tiere. Am späten Nachmittag geht Mark Ricken noch einmal zum Melken, um 19 Uhr werden die Schafe gefüttert, nach ein wenig Familienzeit ist es Zeit zum Schlafen – am nächsten Tag klingelt der Wecker wieder früh. „Ich mache den Job unheimlich gerne – aber das System stimmt im Moment nicht“.
Herdenschutzhunde sind hier keine Lösung
Die Schafe sind natürlich lieber draußen als im Stall, in den vergangenen vier bis fünf Jahren war das auch kein Problem, aber im Moment ist der Boden draußen einfach zu nass. „Die Lämmer verlieren dann Wärme und bekommen im schlimmsten Fall eine Lungenentzündung“, sagt Ricken. Im Stall ist es auf jeden Fall sicherer, denn auf dem Deich gibt es keinen Schutz vor Isegrimm. Doch gerade hier leisten die Tiere hervorragende Arbeit, indem sie Gras fressen und den Boden festigen.
Maßnahmen wie ein fester Zaun sind nicht realisierbar, bei Hochwasser würde der Zaun und damit auch der Deich beschädigt. Herdenschutzhunde seien wirksam, schützen die Herde aber nicht nur vor Wölfen. In einem Gebiet mit Radfahrern und Fußgängern, teilweise mit Hunden, keine gute Idee. „Außerdem unbezahlbar. Pro Herde bräuchte ich drei Hunde. Für einen gut ausgebildeten Hund muss man schon mehrere tausend Euro hinlegen“.
Wolfsangriff beeinträchtigt die ganze Herde
Ricken hat schon mehrmals Schafe von einem anderen Schäfer übernommen, der Besuch von einem Wolf hatte. „Wenn ein Wolf tötet, ohne zu fressen, weil es zum Beispiel gestört wurde, sind verletzte Schafe, die noch leben, ein schlimmer Anblick.“ Man dürfe sie aber nicht erlösen, wenn man eine Entschädigung bekommen will. Erst nach offizieller Bestätigung durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv). „An die Folgekosten und Probleme wird gar nicht gedacht“, ärgert sich der Deichschäfer. „War es ein Muttertier, fehlen hier im nächsten Jahr die Lämmer. War ein Wolf da, ist die ganze Herde betroffen, und die braucht Zeit, um sich zu erholen. Vom psychologischen Effekt auf den Schäfer ganz zu schweigen.“
„Das Entschädigungssystem muss sich ändern“
Das Entschädigungssystem müsse sich dringend ändern. Aufgeben ist für Ricken aber noch keine Option. „Man fragt sich schon, ob man noch alles richtig macht. Man investiert viel. Dann muss es auch funktionieren. Ich liebe meinen Beruf, aber die Familie hängt auch daran. Ich weiß nicht, ob man gleich die Tür zumachen sollte. Die Schafe gehören schließlich zu uns.“
Auf die Frage, ob der Wolf zum Abschuss freigegeben werden sollte, hat Mark Ricken eine klare Antwort: „Keine Tierart verdient es, ausgerottet zu werden, aber man muss die Population unter Kontrolle halten, so wie man das bei anderen Tierarten auch macht.“ Wenig Verständnis hat er für einige Kommentare in sozialen Netzwerken zur Sichtung eines Wolfes an einer Schule in Rees: „Das ist ein Tier mit Jagdinstinkt. An einer Schule. Da haben Kommentare wie ‚der arme Wolf‘ wirklich nichts zu suchen.“
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