Rees. Apotheke am Stadtgarten stellt nicht lieferbare Medikamente selbst her. Ein Service, denn der Aufwand wird nicht auskömmlich honoriert.
Die Verbraucher haben es in den vergangenen Monaten häufig spüren dürfen. Es fehlen Medikamente. Unter anderem Probleme in den Lieferketten in den vergangenen Jahren haben bis heute Auswirkungen. „Antibiotika oder Insuline fehlen ständig“, sagt Klara Appenzeller, die ihre Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin (PTA) in der Apotheke am Stadtgarten in Rees absolviert.
50 Cent mehr für eigene Herstellung reichen nicht
Sie ist es, die häufig mit ihren Kolleginnen selbst Medikamente herstellt, um den Engpässen zu begegnen. „Es ist ein Service. Wir wollen Rees ja auch gut versorgen“, sagt Apotheken-Chefin Esther Beckmann. Denn die Vergütung für diese eigene Herstellung – nämlich 50 Cent zusätzlich wie bei allen Lieferengpässen – decke nicht den großen Personalaufwand. „Wir machen das tagtäglich. Alternativen heraussuchen, überlegen, wie wir die fehlenden Medikamente ersetzen. Es ist ein riesiger Aufwand“, sagt Beckmann.
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Ein Beispiel sind Lieferengpässe in der Palliativversorgung. In der Akutbehandlung werde gerne bei Angstzuständen Tavor Expidet verabreicht: „Es wird dringend benötigt, ist aber nicht lieferbar“, so Appenzeller. In der Reeser Apotheke werde der Wirkstoff Lorazepam als Tablette genommen, zu einem Pulver verarbeitet, mit einer Flüssigkeit angereichert und kann so in Spritzen aufgezogen werden. Natürlich alles akkurat berechnet. Den Patienten, die häufig Tabletten auch nicht gut schlucken könnten, könne so das Medikament in den Mund gespritzt werden, wo es über die Schleimhäute schnell aufgenommen werden kann und schnell seine Wirkung erziele. „Aber auch diese Wirkstoffe werden knapp“, ergänzt Beckmann.
Apotheken brauchen geballte Personalkraft
Wenn Esther Beckmann dann noch von den Plänen von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) liest, dann kann sie nur mit dem Kopf schütteln.
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Der Minister plant, die Zahl der Filialen pro Hauptapotheke zu erhöhen und möchte die Gründung von Zweigapotheken in strukturschwachen Gebieten vereinfachen. „Das funktioniert nicht. Man braucht neben ausgebildeten Apothekern die geballte Personalkraft“, unterstreicht Beckmann. Also an einem Ort und nicht verteilt in Filialen. Eine PTA wird alleine die Verantwortung für gewisse Entscheidungen nicht übernehmen wollen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände (Abda) verweist zudem auf Erfahrungen in Dänenmark, wo die Zahl der Filialen nur in Stadtzentren anstieg, nicht in strukturschwachen Gegenden.
Fixhonorare auf dem Stand von 2013, aber die Kosten steigen
Esther Beckmann wünscht sich „mehr Wertschätzung für die Apotheken vor Ort“. Auf lange Sicht sei auch dringend eine andere Honorierung nötig, meint die Apothekerin. Beckmann erinnert an Mehrkosten für zunehmende Botendienste, die auch durch die Lieferengpässe entstehen, nur um ein Beispiel der vielen gestiegenen Kosten in den vergangenen Jahren zu nennen. Außerdem sind die geltenden Fixhonorare noch auf dem Stand von 2013, erinnert die Abda. Tariflöhne sind derweil gestiegen.
Bürgermeister hofft auf Apotheke für Haldern
Das Ministerium plant eine Reform der Vergütung dahingehend, dass Honoraranreize für strukturschwache Standorte geschaffen werden. Was etwa für den Niederrhein jetzt interessant klingt, sieht die Abda kritisch. Denn die Annahme, dass nur Apotheken in strukturschwachen Regionen unter wirtschaftlichem Druck stünden, sei falsch. Auch in Großstädten sinke die Zahl der Apotheken.
Bürgermeister Sebastian Hense beobachtet die Lage der Apotheken auch mit Sorgenfalten. Denn geht es nach ihm, dann bekommt auch Haldern bald wieder eine eigene Apotheke. Derzeit versorgt die Apotheke am Stadtgarten Haldern sozusagen aus der Ferne mit Rezeptbriefkästen.