Kreis Borken. Die Polizei im Kreis Borken schlägt Alarm. Die Fälle von Übergriffen daheim haben sich in letzter Zeit sehr gehäuft. Die Opfer leiden oft.

Die Worte sind nüchtern gewählt: „Es kam zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen der Geschädigten und dem Beschuldigten, bei der dieser die Geschädigte angriff, festhielt und schlug. Die gemeinsame Tochter befand sich bei dem Vorfall im selben Raum“ oder auch „Nachdem die Beschuldigte ihrer minderjährigen Tochter das Handy als erzieherische Maßnahme entzogen hat, trat die Tochter ihre Mutter und stieß diese mit den Händen zurück. Um den körperlichen Angriff abzuwehren stieß und schlug die Mutter ihre Tochter“, ebenso wie „Der Ehemann zwang seine Ehefrau, eine ätzende Flüssigkeit zu trinken.“

So hält die Polizei fest, was sich in verschiedenen Haushalten im Kreis Borken abgespielt hat. Sie lassen nur erahnen, welches Martyrium sich dahinter verbergen kann. Allein im November 2022 kam es im Kreis Borken zu 84 Einsätzen, bei denen die Beamten das Stichwort „Häusliche Gewalt“ in ihren Berichten vermerkten.

Polizei wendet sich bewusst an die Öffentlichkeit

Die Polizei geht nun mit dieser Zahl bewusst an die Öffentlichkeit. Denn auch wenn die einzelnen Fälle sich nicht konkreter darstellen lassen, sollte öffentlich deutlich werden, dass dieses Phänomen auch im Kreis Borken ein nicht zu ignorierendes Ausmaß besitzt, so die Polizei.

Welche Situation sie nach einem entsprechenden Notruf antreffen, wissen die Einsatzkräfte vorher in der Regel nicht. Ob es sich um einen spontanen Ausbruch von Aggression handelt, um das Ende des Leidensdrucks nach einem langen Martyrium oder um den traurigen Gipfel eines wechselseitigen Beziehungskrieges - immer geht es für die Polizei zunächst darum, eine mögliche akute Gefahr zu bannen.

Alle Orte des Kreises Borken sind betroffen

Häusliche Gewalt tritt selten öffentlich spürbar zu Tage. Aber sie ist in allen Orten des Kreises Borken gegenwärtig. Das zeigt sich im täglichen Einsatzgeschehen. Meist sind es Frauen, die Hilfe benötigen -Hilfe vor Partnern, die sie schlagen, beleidigen oder bedrohen, aber auch vor Ex-Partnern, die ihnen nachstellen. Wenn die Kräfte eintreffen, können sich ihnen ganz unterschiedliche Szenarien bieten.

Im Extremfall attackieren Täter auch die Beamten - und nicht selten sind in solchen aufgeheizten Situationen Alkohol oder Drogen im Spiel. Häusliche Gewalt existiert jedoch nicht nur in partnerschaftlichen Beziehungen. Dazu kann es in jeder Konstellation von Menschen kommen, die gemeinsam unter einem Dach leben - zwischen Kindern und einem Elternteil, Verwandten oder Menschen, die sich eine Wohnung teilen.

Polizei kann die Situation entschärfen

Zu 84 Fällen von Häuslicher Gewalt wurde die Polizei allein im November 2022 gerufen.
Zu 84 Fällen von Häuslicher Gewalt wurde die Polizei allein im November 2022 gerufen. © picture alliance/dpa | Maurizio Gambarini

Die Polizei kann eine Situation entschärfen und den Täter – oder die Täterin – direkt mit Konsequenzen belegen. Wird einer der Beteiligten aus der Wohnung verweisen und erhält für zehn Tage ein Rückkehrverbot, so durchbricht das wirkungsvoll einen Kreislauf der Gewalt. Und es eröffnet Zeit für die Betroffenen, ihre Situation zu ändern.

Deshalb bieten die Beamten noch vor Ort konkrete Informationen an: Beispielsweise eine Broschüre, die über das Thema informiert, Hilfsangebote aufzeigt und konkrete Beratungsstellen nennt. Wenn die Zustimmung dazu vorliegt, übermittelt die Polizei nach einem Fall Häuslicher Gewalt die entsprechenden Daten an eine dieser Institutionen. So haben Fachkräfte die Chance, Kontakt zu den Betroffenen aufzunehmen.

Kommissariat kümmert sich um das Thema

Über den Einsatz hinaus gibt es mit dem Kommissariat für Prävention und Opferschutz ein Team in der Kreispolizeibehörde Borken, das sich um das Thema Häusliche Gewalt in besonderer Weise kümmert. Die Beamten dort führen viele Gespräche mit Betroffenen und Ratsuchenden, arbeiten über die Behörde hinaus mit in Gremien im Kreis Borken wie GewAlternativen und sorgen so mit für die Vernetzung aller, die sich dieses Themas aktiv annehmen.

Die wichtigste Botschaft der Experten an die Opfer häuslicher Gewalt lautet:„Scheuen Sie sich nicht, die Polizei einzuschalten!“ Denn: „Gewaltfrei zu leben ist kein Privileg. Es ist Ihr gutes Recht!“

>>> Hier gibt es Hilfe

Im Kreis Borken gibt es verschiedene Ansprechstellen für Opfer von Häuslicher Gewalt. Das sind: Opferschutzbeauftragte der Kreispolizeibehörde Borken (im Falle einer Strafanzeige), 02861/9005504 oder 02861/9005505; Weisser Ring e.V., 02542/95 41 19 (Gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung vonStraftaten).

Hilfe rund um die Uhr gibt es hier: Polizeinotruf: 110; Frauenhaus Bocholt: 02871/40194; Frauenschutzwohnung Gronau: 02562/817340; Kinder- und Jugendtelefon des Deutschen Kinderschutzbundes „Nummer gegen Kummer“, 0800/1110333 und beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ 08000/116016, www.hilfetelefon.de.