Emmerich/Rees. Gestiegene Preise lassen die Banken bei der Baufinanzierung deutschlandweit vorsichtiger werden. Das sind die Auswirkungen im Kreis Kleve

Um ein Immobilienprojekt zu starten, könnten die Zeiten nicht ungünstiger sein: Die Zinsen ziehen an, die Baupreise liegen auf einem Topniveau, die Lieferketten vieler Baustoffe sind immer noch gestört und vorhandene Immobilien liegen preislich ebenfalls auf einem hohen Niveau. Hinzu kommt eine allgemeine Steigerung Lebenshaltungskosten durch die Inflation. Kein Wunder, dass Banken und Kunden zurzeit vorsichtig bei der Baufinanzierung sind.

Banken ziehen Kreditvergabe-Richtlinien an

So vorsichtig, dass einige Banken härtere Maßstäbe an der Vergabe von Kreditverträgen für Hausbau oder Wohnungskauf angelegt haben und auch die Bundesbank, die die Kreditvergabe von Banken regelmäßig überprüft, kommt zum Schluss, dass die Richtlinien noch nie so restriktiv waren wie jetzt: „Bei den privaten Wohnungsbaukrediten fiel die Verschärfung der Kreditrichtlinien so stark aus wie noch nie“, heißt es in einer Analyse der Bundesbank.

Wie sieht es also aktuell aus auf dem regionalen Finanzierungsmarkt?

Ludger Braam, Sprecher der Sparkasse Rhein-Maas, bestätigt, dass die Lebenshaltungskosten fortlaufend bei der Baufinanzierung überprüft werden: „Wir verstehen die Baufinanzierung als ein partnerschaftliches Projekt. Weder der Bauherr noch wir haben etwas davon, wenn am Ende das Haus zwangsversteigert werden muss. Also muss man bei der Finanzierung schon schauen, dass es passt.“

Kunden schätzen die Lage realistisch ein

Viele Kunden würden die aktuelle Lage realistisch einschätzen und freiwillig schon eine Nummer kleiner planen, wenn sie merken, dass es bei der Finanzierung zwickt. Eine höhere Eigenkapitalquote verlange die Sparkasse nicht: „Da schauen wir eher auf das Gesamtpaket“, so Braam.

Das klassische Einfamilienhaus bleibt für viele Menschen ein Traum. Doppelhaushälften und Reihenhäuser sind jetzt eher im Trend.
Das klassische Einfamilienhaus bleibt für viele Menschen ein Traum. Doppelhaushälften und Reihenhäuser sind jetzt eher im Trend. © Marco Kneise | Marco Kneise

Man stelle fest, dass die Nachfrage nach Immobilien leicht zurückgegangen ist und dass die Sicherung einer langfristigen Zinsbindung im Fokus steht: Der gute, alte Bausparvertrag werde wieder attraktiv.

Oliver Schmidt, Sprecher der Volksbank Emmerich-Rees, sieht keine Verschärfung der Kreditvergabe-Richtlinien: „Wir waren schon immer sehr vorsichtig.“ Gleichwohl seien die Kunden zurückhaltender. Viele Anfrage gebe es aktuell vor allem im Sanierungsbereich. Die gestiegenen Gas- und Strompreise würden die Nachfrage nach Solarenergie und Heizungssanierung deutlich befeuern.

Bei Neubauten sehe dies anders aus. Zum einen gebe es in Emmerich und Rees keine freien Baugrundstücke mehr und die Unsicherheiten seien groß: „Zudem haben sich auch die Prioritäten verschoben. Früher war man bereit, 70 Prozent des Einkommens für ein Haus aufzuwenden und dafür auf den Urlaub zu verzichten. Das ist heute weniger der Fall“, so Schmidt.

Vorsicht ist die Mutter des Hausbaus

Frank Ruffing, Geschäftsführer der Volksbank Kleverland, betont ebenfalls die zurückhaltende Beratung bei Baufinanzierungen: „Das ist vor allem im Interesse des Kunden“, sagt er. Denn er soll sich den Kredit auch noch in 30 Jahren oder im Rentenalten leisten können. Angepasst habe man allerdings die Pauschalen für die Lebenshaltungskosten. „Es ist ja klar, dass die Lebenshaltungskosten gestiegen sind und das müssen wir dann auch bei den zur Verfügung stehenden Einkommen berücksichtigen“, so Ruffing. Auch sei klar, dass bei einem Zinssatz von drei Prozent weniger in der Tasche bleibe als bei einem Prozent. „Man kann aber nicht sagen, dass wir die Kreditvergabe drastisch verschärft haben.“

Dennoch stellt Ruffing eine Zurückhaltung bei den Kunden fest. Die gestiegenen Baukosten würden hier eine Rolle spielen, aber auch die fehlenden Baugrundstücke seien ein Problem. Dies sei auch ideologisch bedingt. „Ideologisch gewollt ist nur noch die Doppelhaushälfte oder das Reihenhaus“, sagt Ruffing. Die Aussichten fürs Einfamilienhaus würden immer schlechter.

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Der Immobilienmarkt ist in Aufruhr. Die stark gestiegenen Baustoffpreise, Lieferengpässe und wenige Baugrundstücke verunsichern Bauherren in Deutschland. Das Ifo-Institut beobachtet seit April eine Stornierungswelle bei den Neubauvorhaben.