Kreis Kleve. Stadtwerke Emmerich, Kleve, Rees und Goch wissen zwar, wie teuer die Gasumlage für Kunden wird. Aber nun wird wohl die Mehrwertsteuer gesenkt.

Beim Thema steigende Gaspreise gibt es viel Bewegung. Am Donnerstag verkündete die Bundesregierung, die Mehrwertsteuer vorübergehend von 19 auf sieben Prozent zu senken. Das hätte natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Berechnungen der Energieversorger im Kreis Kleve. Die NRZ hatte ja am 16. August berichtet.

Und zwar das hier: Udo Jessner schwirrt der Kopf. Der Geschäftsführer der Emmericher Stadtwerke muss zurzeit mit so vielen Zahlen und neuen rechtlichen Vorgaben jonglieren, dass er kaum noch ruhige Minuten findet. Die Dienstag angekündigte Gasbeschaffungsumlage wird seine Kunden in Emmerich enorm zusätzlich belasten. 2,419 Cent sind vom Kunden für die Rettung der Gasimporteure zu zahlen. Bei einem Haushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden Gas im Jahr macht das gut 50 Euro im Monat zusätzlich. Eine genaue Kundeninformation werden die Stadtwerke erst in den nächsten Tagen verschicken, wenn wichtige Informationen zur Umsetzung vom Bund vorliegen, so Jessner. Womöglich wird die Ankündigung der Mehrwertsteuersenkung am Donnerstag dies nochmal verzögern.

Mehrere Faktoren treiben den Gaspreis

Udo Jessner, Geschäftsführer der Stadtwerke Emmerich.
Udo Jessner, Geschäftsführer der Stadtwerke Emmerich. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Aber bei der Gasbeschaffungsumlage allein bleibt es nicht. Denn auch die Beschaffungskosten sind für die Stadtwerke Emmerich enorm gestiegen. Jessner berichtet, dass der Gaspreis, zu dem man das Gas für 2023 einkauft, am Dienstag bei 188 Euro je Megawattstunde lag. Vor einem Jahr lag der Preis je Megawattstunde bei unter 20 Euro. Ähnlich sieht es beim Strom aus: Hier liegt der Preis bei 460 Euro je Megawattstunden - vor einem Jahr waren es 40 Euro.

Für den 1. September haben die Stadtwerke Emmerich bereits eine Preisanpassung für Gas und Strom angekündigt. Das Gas wird um 1,3 Cent je Kilowattstunde teurer und der Stromtarif erhöht sich um 3 Cent je Kilowattstunde. Für einen durchschnittlichen Haushalt werden die Mehrkosten bei 45 Euro für Strom und 100 Euro für Gas liegen, so die Stadtwerke Emmerich in der Presseerklärung. Hinzu kommt dann jetzt noch die Gasumlage.

Festpreiskunden behalten die zugesicherten Tarifpreise

Die Umlage muss von allen Gaskunden bezahlt werden. Die tariflichen Anpassungen betreffen jetzt erst einmal Kunden, die keine Festpreisbindung haben. „Die Beschaffungskosten für Festvertragskunden sind für Monate festgelegt“, sagt Jessner. Wer jetzt Neukunde wird, muss also deutlich mehr zahlen.

Wann die Abschläge erhöht werden, kann Jessner jetzt noch nicht sagen – vermutlich erst im November. Normalerweise müssen Preiserhöhungen mit sechs Wochen Vorlaufzeit angekündigt werden. Möglicherweise wird diese gesetzliche Vorgabe aber vom Bundestag vorübergehend eingeschränkt, sodass die Abschläge auch schon im Oktober angepasst werden können.

Stadtwerke-Chef Jessner: Viele Kunden werden jetzt sparen

Welche finanziellen Auswirkungen die Umlage am Ende tatsächlich haben wird, werde sich noch zeigen. Udo Jessner rechnet fest damit, dass die Verbräuche von Endkunden jetzt runtergehen werden: „Die Kunden werden Energie sparen“, sagt er. Seit Dienstagmittag ist klar, dass auf jeden Fall auch die Mehrwertsteuer auf die Umlage berechnet werden muss. Das Wirtschaftsministerium wollte ursprünglich keine Mehrwertsteuer auf die Umlage erheben.

Mareike Linsenmaier, Geschäftsführerin der Stadtwerke Rees.
Mareike Linsenmaier, Geschäftsführerin der Stadtwerke Rees. © FUNKE Foto Services | Markus Weissenfels

Bei den Stadtwerken Reesmüssen die Kunden auf jeden Fall tief in die Tasche greifen. Geschäftsführerin Mareike Linsenmaier teilt der NRZ mit, dass man hier über keine Festpreisverträge verfüge und zurzeit aufgrund der turbulenten Marktlage auch keine anbieten könne. Die Stadtwerke Rees werden noch in dieser Woche ihre Kunden informieren. Die Tariferhöhung werde mit 8 Cent je Kilowattstunde zu Buche schlagen (netto). „Das ist die größte Tarifpreiserhöhung, die ich jemals mitgemacht habe“, sagt Linsenmaier. Für einen Haushalt mit 20.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch sind das 1904 Euro brutto zusätzlich im Jahr - sprich: 158,6 Euro mehr im Monat. Darin enthalten seien aber auch die neuen Umlagen.

Mit Sorge blickt Linsenmaier auf die öffentliche Debatte, die bislang die Gasspeicherumlage und die Bilanzierungsumlage, deren Erhöhungen am Donnerstag bekannt gegeben werden, weitgehend außen vor lassen. Diese können allerdings den Preis für die Umlagen noch einmal verdoppeln.

Claudia Dercks, Geschäftsführerin der Stadtwerke Kleve.
Claudia Dercks, Geschäftsführerin der Stadtwerke Kleve. © NRZ | Andreas Gebbink

Gasumlage wirkt wie eine Steuer

Die hiesigen Stadtwerke haben keinen finanziellen Spielraum, die Gasbeschaffungsumlage, die von der Bundesregierung am 9. August über §26 Energiesicherungsgesetz eingeführt worden ist, auszusetzen: „Dann wären wir selbst Pleite“, bringt es Emmerichs Stadtwerke-Chef Udo Jessner auf den Punkt.

Denn die Stadtwerke erhalten von derTrading Hub Europe (THE) selbst eine Rechnung, weil die Gasimporteure einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich eines Teiles ihrer Mehrkosten haben.

Die Stadtwerke sind also verpflichtet die Umlage zu zahlen. Chefin Claudia Dercks erläutert: „Die Umlage wirkt wie eine Steuer.“

Die Trading Hub Europe mit Sitz in Ratingen ist die Marktgebietsverantwortliche im deutschen Gasmarkt. Kleves Stadtwerke-

Claudia Dercks, Geschäftsführerin der

Stadtwerke Kleve, sieht auf ihre Kunden ebenfalls eine deutliche Mehrbelastung zukommen: „Allein die Gasumlage wird bei einem normalen Haushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden einschließlich Umsatzsteuer im Jahr mit 575 Euro zu Buche schlagen. Das sind rund 50 Euro im Monat“, sagt sie. Die Höhe der Umlage werde alle drei Monate angepasst: „Das heißt, es kann günstiger, aber auch noch teurer werden“, so Dercks.

Stadtwerke Kleve passen den Grundversorgertarif zum 1. Oktober an

Hinzu kommt, dass die Stadtwerke aufgrund der deutlich gestiegenen Beschaffungskosten (im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Preise an den Börsen aktuell verzehnfacht) zum 1. Oktober den Grundversorgertarif anpassen müssen. Auch hier sind weitere 2,88 Cent brutto zusätzlich fällig (zirka 50 Euro im Monat). Im Grundversorgertarif kostet das Gas also monatlich ab November 100 Euro mehr. Da die meisten Stadtwerke-Kunden eine Preisbindung über den Tarif „Clever-Gas“ haben, wird bei Ihnen aber nur die Gasumlage fällig. Sie zahlen also nur die 50 Euro Gasumlage.

Aber das ist noch nicht alles. Claudia Dercks weist darauf hin, dass am 18. August, also am Donnerstag, auch die Höhe der Gasspeicherumlage bekannt gegeben wird. Auch hier variieren die Vorhersagen zwischen 0,2 und zwei Cent je Kilowattstunde. Genaue Details gibt es dazu am Donnerstag.

Abschläge werden in Kleve im November erhöht

Die eigentliche Erhöhung der Abschläge auf Grund der neuen Umlagen möchten die Stadtwerke Kleve im November vornehmen, da die Kunden zuvor noch mit sechs Wochen Vorlauf informiert werden müssen. „Der Oktober-Betrag wird dann auf die Monate November und Dezember verteilt“, so Dercks. Wichtig: Die Stadtwerke erhöhen die Abschläge automatisch: „Wir wollen im Sinne der Kunden nicht, dass hier etwas aufläuft“.

Trotzdem rechnet Dercks damit, dass einige Stadtwerkekunden finanzielle Schwierigkeiten bekommen werden: „Ich befürchte, dass dies viele Kunden sehr belasten wird“, sagt sie. Die Stadtwerke würden den Austausch suchen, um individuelle Lösungen zu finden. Auch über Ratenzahlungen könne man reden. Gleichwohl: Die Erhöhung durch die Gasumlage ist systembedingt für einen längeren Zeitraum einzuplanen und wird daher für jeden weiteren Monat ebenfalls fällig.

Sandra Denissen, Prokuristin bei den Stadtwerken in Goch, macht sich Sorge über die mediale Fokussierung auf die Gasbeschaffungsumlage. Denn die Gasspeicherumlage und die Bilanzierungsumlage, deren Erhöhungen am Donnerstag bekannt gegeben werden, können den Preis noch mal verdoppeln. Bislang sei noch völlig unklar, wie hoch die Bilanzierungsumlage ausfallen wird: „Diese wird zwar auch jetzt schon erhoben, war aber bislang immer bei Null“, so Denissen.

Stadtwerke Goch bieten noch günstigen Tarif an

Bezüglich einer Tarifanpassung, die auf die deutliche Erhöhung der Beschaffungskosten zurückzuführen ist, hält sich Denissen noch zurück. Man müsse jetzt erst im Oktober schauen, inwiefern eine tarifliche Anpassung nötig ist. Bei den Stadtwerken Goch werden die Zählerstände nicht im Dezember, sondern schon im September abgelesen. Entsprechend erhalten die Kunden bereits im Oktober ihre Abrechnung mit den neuen Werten. Sollte die Gasbeschaffungsumlage nach drei Monaten noch höher ausfallen, werden die Abschläge entsprechend angepasst. Die meisten Stadtwerke-Kunden haben einen Festvertrag bis Ende 2023 abgeschlossen und sich damit die Preise gesichert: „Wir sind auch eine der wenigen Stadtwerke, die diesen Tarif auch noch anbieten. Wir haben noch Kontingente“, so Denissen.