Kreis Kleve. Experten warnen vor historisch niedrigen Wasserständen im Spätsommer. In den Niederlanden werden bereits erste Maßnahmenpakete beschlossen.
Für die kommenden Tage rechnet der Hydrologe Alphons van Winden von der niederländischen Organisation Bureau Stroming mit historisch niedrigen Wasserständen im Rhein, die für einen Juli sehr ungewöhnlich seien. Ende der Woche könnte der Pegel bei Lobith bei 7,25 Meter liegen. Gestern lag er bei 7,66 Meter. Diese geringe Wasserabfuhrmenge von 1000 Kubikmeter je Sekunde wurde in einem Juli zuletzt nur in den Jahren 1921, 1949, 1964, 1976, 2011 und 2018 erreicht.
Warnung vor extrem niedrigen Wasserständen im Oktober
Kein Verbot für Wasserentnahmen
Der Kreis Kleve möchte aktuell noch keine Allgemeinverfügung zu Verboten der Wasserentnahme bei Oberflächengewässern ausrufen. Dies könne man aktuell noch nicht ausreichend begründen. Im Kreis Borken gibt es bereits Verbote für die Entnahme von Wasser aus öffentlichen Gewässern.
Beim Grundwasserpegel müsse man im Kreis Kleve „tendenziell von etwas niedrigeren Grundwasserständen“ ausgehen als noch in den vergangenen Jahren, so Kreissprecher Benedikt Giesbers.
Zudem benötigten die Böden aufgrund der zurückliegenden Regendefizite etwas länger als früher, um wieder ihren jeweils durchschnittlichen jahreszeitlichen Feuchtegehalt zu erreichen. Es herrsche im Kreis aber noch keine Grundwasserknappheit, so der Kreissprecher.
Der Hydrologe warnt vor weiteren extremen Niedrigwasserständen in diesem Jahr: „Statistisch gesehen führt der Rhein im September und Oktober die geringsten Wassermengen. Wir haben jetzt Juli und erreichen bald die Werte von Oktober. Da es in den kommenden zehn Tagen keinen Regen geben wird, wird die Situation spannend“, so van Winden im Gespräch mit der NRZ.
Die aktuelle Prognose für den Rheinpegel Emmerich sieht einen Rückgang zu Samstag von jetzt 1,04 Meter auf dann unter 70 Zentimeter voraus. Claudia Thoma, Sprecherin der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, schreibt der NRZ: „In den kommenden Tagen ist mit weiter fallenden Wasserständen zu rechnen. Die derzeitigen Wasserstände sind für diese Jahreszeit sehr niedrig. Sie sind Folge der fehlenden Niederschläge der vergangenen Wochen und Monate und kommen im Juli eher selten vor.“
Knacken wir die niedrigen Wasserstände von 2011 und 2018?
Da in den nächsten Tagen mit keinen weiteren Regenfällen zu rechnen ist, geht van Winden sogar davon aus, dass wir in diesem Sommer noch den historisch tiefsten Stand aus dem Jahr 2011 knacken werden: Damals lag der Pegel Lobith bei 6,89 Meter. 2018 wurde in Emmerich der niedrigste Wert mit sieben Zentimetern am 23. Oktober gemessen. Van Winden bereitet Sorge, dass die längere Trockenperiode jetzt mit hohen Temperaturen einhergeht: „Das bedeutet, dass zusätzlich viel Wasser verdampfen wird. Das verstärkt den Effekt der Austrocknung weiter“, so van Winden.
Die Wasserbauorganisation Rijkswaterstaat rechnet bereits mit ähnlichen Szenarien. Sprecherin Suzanne Maas teilt der NRZ auf Anfrage mit, dass man am Mittwoch, 13. Juli, Beschüsse fassen werde, wie man in den kommenden Wochen mit dem Niedrigwasser umgehen wird: „Wir wollen allen Nutzern der Gewässer ausreichend Wasser zur Verfügung stellen. Aber dies wird uns, um ehrlich zu sein, in diesem Jahr wohl nicht gelingen“, so Maas. Mittwoch werde unter anderem festlegt, welche Wassermengen man in Richtung Westen abführen werde. „Wir rechnen mit historisch niedrigen Wasserständen in diesem Jahr“, so Maas.
Die habe auch Auswirkungen auf den Wasserhaushalt im Westen des Landes. Hier werde das salzige Meerwasser stets tiefer ins Landesinnere gedrückt. Entsprechend versalzen auch die umliegenden Grundstücke. Auch wie man mit diesem Problem umgehen werde, wolle man Mittwoch erörtern.
Neue Studie über Auswirkungen fehlender Gletscherschmelze
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Ein Grund für die immer niedrigeren Wasserstände am Niederrhein sind vor allem die fehlenden Niederschläge, die in diesem Jahr auch die Region des Oberrheins betreffen, so van Winden. Zusätzlich fehlt das Schmelzwasser aus den Bergen.
Eine neue Studie der „Kommission zur Hydrologie des Rheins“ (KHR) hat jetzt neue Erkenntnisse zum Schmelzwasserbeitrag der Alpen auf den Wasserhaushalt des Rheins erarbeitet.
Demnach macht das Schmelzwasser der Alpengletscher in den Sommermonaten August und September bis zu einem Fünftel des Wasserabflusses bei Lobith aus. Im Jahresdurchschnitt liegt der Beitrag nur bei drei bis fünf Prozent. Das heißt: Gerade in den kritischen Sommermonaten wird das Schmelzwasser aus den Alpen am Niederrhein schmerzlich vermisst, da der Fluss auch mit weniger Regenwasser gespeist wird.
Starke Auswirkungen auf die Rheinanlieger
In einer Presseerklärung bringt die KHR die wichtigsten Auswirkungen dieser Erkenntnisse auf den Punkt: „Die Rheinschifffahrt und mit ihr der wichtige Gütertransport werden beeinträchtigt, Kraftwerke und Stromversorger können weniger Strom produzieren und Trinkwasserversorger müssen sich auf häufigere Wasserknappheitssituationen vorbereiten. Im landwirtschaftlich stark genutzten Gebieten kann das Wasser während der Wachstumsperiode im Sommer knapp werden, weil die Pflanzen dann viel Wasser benötigen. Der Wasserbezug aus den Gewässern für die Bewässerung wird zunehmen und die Niedrigwassersituation noch verschärfen“, so das KHR. Die Kommission fordert daher eine grenzüberschreitende Koordinierung des Wassermanagements entlang des Rheins.