Emmerich/Rees/Wesel. Nach zwei Jahren Corona sind viele Mitarbeitende am Ende ihrer Kräfte. Josef Reining, Pro homine, fordert weniger Bürokratie in der Altenpflege.

Josef Reining hofft auf den 21. März. Der stellvertretende Geschäftsführer der Pro homine-Gruppe, verantwortlich für neun Altenpflegeeinrichtungen in Emmerich, Rees und Wesel, wünscht sich so sehr spürbare Erleichterungen für seine Kollegen. Seit zwei Jahren arbeiten die Pflegeeinrichtungen unter Corona-Bedingungen am Limit und die Lage sei kritischer denn je. Viele Mitarbeitenden seien mit ihren Kräften am Ende – dabei sei viel bürokratischer Aufwand auch gar nicht mehr notwendig.

Quarantänefälle treffen die Alteneinrichtungen schwer

Am 21. März soll es eine neue Corona-Schutzverordnung geben, die hoffentlich einige Belastungen für die Alteneinrichtungen streichen wird. Mit Unverständnis blickt Reining mittlerweile auf die täglichen Kontroll- und Dokumentationspflichten in seinen Häusern. „Jeder, der in unsere Einrichtungen kommt, wird getestet. Die Mitarbeitenden werden alle zwei Tage getestet, auch die Betreuungskräfte und die Bewohner. Der Pflegeaufwand hat sich enorm erhöht“, schildert Reining die aktuelle Situation.

Josef Reining wünscht sich deutliche Verbesserungen für seine Kollegen.
Josef Reining wünscht sich deutliche Verbesserungen für seine Kollegen. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Vor allem die Quarantäne-Regelungen bringen das Personal an ihre Leistungsgrenzen. Jetzt, wo viele Menschen sich mit der Omikron-Variante anstecken, müssen auch viele in Quarantäne verweilen. Das bedeutet für die Pflegekräfte nicht nur einen deutlich höheren Pflegeaufwand, sondern sie müssen das Pensum mitunter auch mit weniger Kollegen stemmen, weil sich natürlich auch Pflegekräfte unter den Quarantänefällen befinden. „Ich habe weinende Mitarbeitende am Telefon, die völlig verzweifelt sind, weil sie zu Hause bleiben müssen. Ihre größte Sorge ist: Wie sollen die Kollegen das ohne mich nur schaffen“, berichtet Ursula Gubela, Einrichtungsleiterin von Nikolaus-Stift in Wesel.

An der Grenze der Belastbarkeit

Auch in Emmerich und Rees ist die Situation für die Pro homine-Gruppe angespannt. Reining erinnert an die Situationen im Agnesheim in Rees und im St. Augustinus in Emmerich. Hier seien jeweils fast 50 Prozent des Personals ausgefallen. In Rees gab es 20 positive Mitarbeitende. „Das bekommt man so schnell auch nicht kompensiert“, sagt Reining. Um die Ausfälle abzufedern habe man mittlerweile alle bekannten Personaldienstleister im Einsatz. Doch auch diese hätten mittlerweile Probleme, Personal zu stellen. Glücklicherweise habe man unter den eigenen Kräften freiwillig Kollegen gefunden, die in diesen beiden Einrichtungen ausgeholfen haben.

Reining erinnert daran, dass die Corona-Pandemie die Alteneinrichtungen mittlerweile seit zwei Jahren belaste. Das sei für die Mitarbeitenden nicht nur körperlich, sondern auch psychisch ein Problem. Im Gegensatz zu den Krankenhäusern habe man immer unter Volllast gearbeitet. Doch die größten Probleme fingen an, als man die Pandemie schon zu überwinden glaubte. Nachdem man die alten Menschen doppelt geimpft und geboostert hatte, nachdem quasi ständig getestet wurde, kamen mit Omikron die zahlreichen Infektionen: „Da wähnt man sich im falschen Film und denkt: Was ist denn jetzt los?“, so Reining.

Viel unnötige Bürokratie

In der Senioreneinrichtung Agnes-Heim in Rees gab es mehrere Coronafälle – auch unter dem Pflegepersonal.
In der Senioreneinrichtung Agnes-Heim in Rees gab es mehrere Coronafälle – auch unter dem Pflegepersonal. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

Im Agnes-Heim habe man ganz kurz davor gestanden, nicht mehr zu wissen, wie es weitergehen soll. Reining habe zig Stellen kontaktiert – bis ins Ministerium, „aber man hat uns allein gelassen“, ist sein trauriges Fazit. Er habe dringend um Hilfe gebeten, dem Ministerium klar gemacht, dass man „am Ende“ sei. Als Antwort habe er zu hören bekommen: „Stellt mehr Personal ein.“ Über diesen Satz kann er nur müde lächeln: „Ja, woher soll ich das Personal nehmen?“, fragt er sich.

Als sehr belastend werde die zunehmende Bürokratie und auch die strengen Corona-Maßnahmen empfunden. Hier müsse man dringend den Rotstift ansetzen. „Wir testen uns dumm und dämlich“, so Reining. Dies koste viel Arbeitszeit, die letztlich nicht für die Pflege genutzt werden kann. Das Ausfüllen von Kontaktformularen sei überflüssig: „Ich habe bei einem Ausbruchsgeschehen noch nie erlebt, dass sich irgendjemand diese Kontaktformulare angesehen hat.“ Auch innerhalb der Altenpflege gebe es viele Dokumentationen, die so nicht sein müssten.

Personalschlüssel soll sich 2023 verbessern

Für das kommende Jahr sei ein neuer Personalschlüssel im Gespräch, der die Situation in der Altenpflege deutlich verbessern soll. Im Sommer werde man wohl konkretere Dinge dazu hören, hofft Reining. Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Regierung würden diesbezüglich etwas vorbereiten: „Es ist ja so, dass alle immer mehr Personal fordern und sich Verbesserungen wünschen, aber niemand möchte es bezahlen“, so Reining. Er ist gespannt, wie die Erleichterungen aussehen sollen.

Zeit für ein Gespräch mit den Altenheimbewohnern bleibt für das Pflegepersonal immer seltener.
Zeit für ein Gespräch mit den Altenheimbewohnern bleibt für das Pflegepersonal immer seltener. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Mehr Personal kann man dringend gebrauchen. Die neue Generalausbildung für Pflegekräfte sieht Reining noch zwiegespalten. Grundsätzlich sei es gut, dass die Ausbildung sowohl für einen Beruf im Krankenhaus als auch in den Alteneinrichtungen befähige, aber die Altenpflege könnte dadurch strukturell benachteiligt werden, da hier aktuell die Arbeitsbelastung höher ist.

Betreuungsangebote sind deutlich verbessert worden

Aber es gibt auch Zeichen der Hoffnung. So sei das Betreuungsangebot in den Altenheimen durch die Betreuungsassistenten deutlich verbessert worden und bald starte auch die neue Ausbildung zur Pflegefachassistenz – eine einjährige Qualifikation, die auf einfache Tätigkeiten im Altenheim vorbereitet. Reining ist sich sicher, dass man im Personalbestand einen guten Mix hinbekommen müsse. Eine examinierte Kraft müsse nicht unbedingt das Essen reichen. Nur so könne man am Ende auch einen Kostenmix erreichen, der noch bezahlbar ist.