Rees/Emmerich. 66 Naturschutzgebiete gibt’s im Kreis Kleve, 17 davon rechtsrheinisch. Die NRZ stellt sie vor. Los geht’s mit Hübsche Grändort in Rees.
Es gab sie schon in den 1920er Jahren in Deutschland. Doch in den 1980 und 90er Jahren kam am Niederrhein mit den Wildgänsen der große Schub: Deutschland meldete den „Unteren Niederrhein“ als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung bei der Europäischen Union an und viele Flächen wurden als Naturschutzgebiete ausgewiesen, auch und gerade im Kreis Kleve, und hier besonders entlang des Rheins.
„Im Kreis Kleve gibt es heute 66 Naturschutzgebiete“, sagt Martin Brühne vom Naturschutzzentrum im Kreises Kleve in Bienen. Rechtsrheinisch, sprich in Emmerich und Rees, sind es 17. Die NRZ stellt sie in einer losen Serie vor. Los geht’s mit dem Naturschutzgebiet Hübsche Grändort in Rees.
Hübsche Gegend hier
Das Naturschutzgebiet Hübsche Grändort ist etwa 145 Hektar groß, liegt südlich von Rees direkt am rechten Rheinufer an der Grenze zum Kreis Wesel. „Der Name stammt vom ehemaligen Gut Hübsch, das hier lag, bevor hier große Flächen ausgekiest wurden“, weiß Biologe Walter Ahrendt. Er betreut das Gebiet ebenso wie zehn weitere Naturschutzgebiete seit vielen Jahren.
Blütenreiche Vegetation ist Grundlage für vielfältiges Insektenleben
Die ausgewählten Flächen im Norden und Süden des Gebietes sind – anders als der benachbarte Lohrwardt-See – wieder verfüllt worden. Die ebenen Grünflächen im Rheinvorland werden schon bei geringem Hochwasser überschwemmt. In flachen Mulden bleibt im Frühjahr das Wasser lange stehen. Diese sogenannten Blänken sind Anziehungspunkte für Watvögel wie Kiebitze, Rotschenkel und Flussregenpfeifer, weil sie in deren Umfeld gerne brüten. Deshalb wurden vor einigen Jahren drei weitere Blänken künstlich angeleget.
Im Sommer entwickeln sich dann auf dem Schlamm schnellwüchsige Kräuter mit zahllosen Blüten. Die blütenreiche Vegetation ist Grundlage für ein vielfältiges Insektenleben. Die Insekten und die Fruchtstände der Kräuter bieten Nahrung für viele Singvögel bis in den Winter. Deshalb sind im Naturschutzgebiet Hübsche Grändort ungewöhnlich viele Feldlerchen, Schafstelzen und Wiesenpieper zu sehen und zu hören.
Wegen der Vogelwelt wurde das Gebiet 1992 unter Schutz gestellt
Wegen der Vogelwelt wurde das Gebiet 1992 unter Schutz gestellt. Die Bewirtschaftung des Grünlandes konnte weitgehend extensiviert werden, da die überwiegenden Flächen Eigentum des Landes NRW sind. Das Grünland ist gegen geringe Pacht an acht Landwirte verpachtet. Da seit Jahrzehnten nicht gedüngt wird, sind im Schutzgebiet viele Grünlandflächen erhalten geblieben, die nie einer intensiven Bewirtschaftung mit übermäßiger Düngung unterworfen waren.
Diese ursprünglichen Wiesenbestände auf relativ trockenen Standorten in der Rheinaue beherbergen viele Wiesenblumen und einige selten gewordene Grasarten. So gibt es z.B. Wiesen-Salbei, Klappertopf und große Bestände der Arznei-Schlüsselblume im Gebiet. Die extensive Nutzung im Schutzgebiet sorgt dafür, dass die Artenvielfalt erhalten bleibt, hauptsächlich weil keine Düngung erfolgt. „Wir sind auch sehr bemüht, dass wieder genügend Vieh auf dem Grünland weidet, so wie es traditionell in der zweiten Sommerhälfte üblich war. Dadurch bleiben auch die Weidezäune intakt, die wichtige Biotopkorridore in der niederrheinischen Agrarlandschaft gewesen sind“, betont Walter Ahrendt.
Auch ein Rest-Baggersee zählt heute zu den wertvollen Biotopen
Neben den ausgedehnten Grünlandflächen sind brachliegende Staudenfluren und Weiden-Auwaldbestände charakteristische Biotopkomplexe in der Rheinaue. Auch ein schmaler Rest-Baggersee der ehemaligen Abgrabung, der sich nach 30 Jahren Sukzession kaum noch mehr von einem natürlichen Rheinaltarm unterscheidet, zählt zu den wertvollen Biotopen im Naturschutzgebiet. Hohe Brennnessel-Dickichte und dichte Ufergehölze sind unattraktiv und schwer zugänglich, so dass sich in dieses Schutzgebiet kaum Menschen verirren.
„Durch seine Lage im Deichvorland mit den alljährlichen Überschwemmungen und die großflächig extensive Grünlandbewirtschaftung ist das Gebiet von herausragender Bedeutung im Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein“, meint Biologe Walter Ahrendt. Der sich wegen der guten Rahmenbedingungen über den positiven Trend gerade bei den gefährdeten Wiesen-Singvögeln freut.
Kontrollgänge finden acht Mal in der Saison statt
Das Mahd-Management gehört mit zu den Aufgaben des Naturschutzzentrums in Bienen, das rechtsrheinisch 15 der 17 Naturschutzgebiete betreut. „Das ist eine wichtige Aufgabe. Weil wir durch Kontrollgänge, übrigens acht Mal in der Saison, auch nachts, Daten über die Brutvögel sammeln, können wir bei den Absprachen mit den Bauern oft auch einer vorzeitigen Mahd zustimmen, wenn keine Nester in den Wiesen sind. Vereinzelt kann es aber auch sein, dass wegen einer Brut noch gewartet werden muss“, erklärt Martin Brühne. Das erledigen die Ornithologen im 14-köpfigen Team.
>>>Das Naturschutzzentrum Bienen
Das Naturschutzzentrum besteht seit 1993 und ist ein eingetragener Verein. In ihm arbeiten entsprechend des Fachkonzeptes Biologische Stationen des Landes NRW Naturschützer und Landnutzer zusammen. Vor Ort ist es das Bindeglied zwischen Amtlichem und Ehrenamtlichem Naturschutz.
In der Mitgliederversammlung sind vertreten: Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Ehrenamtlicher Naturschutz, Kreisbauernschaft Geldern und Kleve, Waldbauernverband, Kreisjägerschaft, Landesfischereiverband, Bezirk Kleve, Kreis Kleve, Stadt Rees. Da es sich um ein Naturschutzzentrum handelt, bilden Vertreter des Naturschutzes die Mehrheit.