Rees-Haldern. In Corona-Zeiten zieht es mehr Menschen in den Wald. Die NRZ war in Rees-Haldern unterwegs und traf Spaziergänger. Naherholung gewinnt an Wert.
Das Rauschen der Straße in der Ferne hat etwas Symbolisches. In diesen Zeiten hat man das Gefühl, das Leben rauscht in der Ferne an einem vorbei. Aber das Rauschen, dass man beim Spaziergang im Halderner Wald hört, hat sich verändert. Meint man zu hören. Es wirkt eintöniger. Corona lässt viele sonst klangvolle Facetten des Lebens dumpf klingen.
Um dem eingeschränkten Alltag in den eigenen vier Wänden zu entkommen, zieht es mehr Menschen in den Wald. Mal frische Luft schnappen. Den Kopf frei kriegen. Die Beschäftigungsalternativen sind ja auch gering. Und wer nur auf dem Sofa hockt, wird dick und wahnsinnig.
Niederländer kommt alleine in den Wald
Einer, der im Halderner Wald seinen Namen nicht nennen möchte, weil er aus Dinxperlo kommt und Grenzgänger in diesen Zeiten nicht gern gesehen sind, hat den Waldspaziergang allein für sich entdeckt. Der Niederländer und seine Frau arbeiten im Homeoffice, drei Kinder seien viel im Haus, es gebe Reibungspunkte: „Da bin ich froh, auch mal alleine in den Wald gehen zu können. Das habe ich früher nicht gemacht“, sagt der 46-Jährige.
Es dauert etwa zehn Minuten, bis man im Wald richtig angekommen ist. Auf einmal hört man den Vögeln auch genauer zu. Das Knistern unter den Füßen hat seinen Weg aus dem Unterbewusstsein gefunden. Ist das der erste Moment der Entspannung?
Echte Waldgänger aus Esserden
Echte Waldgänger waren Heike und Jörg Christ aus Esserden auch vor Corona schon – und ihre beiden Vierbeiner. „Wir gehen jeden Tag in einen anderen Wald“, sagt Jörg Christ. Wald oder Wasser laute das tägliche Ziel: „Am liebsten zusammen. Der Wald ist für uns immer eine schöne Erholung.“ Und welche Wälder sind ihre Favoriten? „Haldern ist immer sehr schön, Marienbaum, Diersfordt oder Bergerfurth“, verrät Heike Christ.
„Es sind definitiv mehr Leute im Wald. An Tagen wie Sonntag, als es so schön war, meiden wir den Wald sogar zu bestimmten Uhrzeiten. Um 15 Uhr an den Wochenenden ist der Wald voll“, hat Jörg Christ beobachtet. Stau im Wald sozusagen. Dann würden die Stammgäste eher ungewöhnliche Besuchszeiten bevorzugen. Auch Daniela Wennekers aus Mehrhoog hat beobachtet, dass es mehr Menschen in den Wald zieht. Für sie und ihre beiden Hunde sei es kein Problem andere Wege zu finden. Ihr falle die Decke noch nicht auf den Kopf: „Ich habe einen großen Garten. Bei schönem Wetter bin ich meist viel draußen.“
Sich vom digitalen Leben loseisen
Die Augen schließen, tief durchatmen. Klingt fast esoterisch. Hat in diesen Zeiten aber einen anderen Wert. Man muss doch mal dieses Gefühl loswerden, dass die Augen die ganze Zeit eine Mattscheibe fixieren. Sei es den Fernseher, den PC-Bildschirm, das Tablet oder das Smartphone. Das digitale Leben hat uns im Griff.
„Wir gehen wegen der Hunde häufig in den Wald. Im Moment ein bisschen intensiver als sonst. Wenn die Sonne scheint, kommen mehr Leute in den Wald, haben wir beobachtet“, sagt Mila Geulmann aus Haldern, die mit ihrem Mann, deren Baby und den Hunden spaziert. Auch Chris Geulmann ist froh um die Waldbesuche: „Zuhause ist es furchtbar, weil man nichts machen kann.“
Die Heimat kann auch schön sein
Man fängt an darüber nachzudenken, was man sonst in seinem Alltag machen würde, wenn, ja wenn denn Corona nicht wäre. Etwa voller Eifer mit 21 anderen einem Ball hinterherjagen. Um sich nachher in der Kabine bei einem Bier die eigene Leistung schön zu quatschen.
Fernweh. Auch so ein Gefühl, das man sich im Moment mit den Nachbarn rechts und links teilt. Kann der Waldbesuch das Fernweh stillen? Nein. Aber wer häufiger in die hiesigen Wälder kommt, erkennt: Die Heimat ist auch schön.
Weniger Alternativen zum Waldspaziergang
„Ich war auch ohne Corona schon ein Waldfreund. Jetzt ist mir der Waldspaziergang als eine der wenigen Beschäftigungsmöglichkeiten geblieben“, sagt Herbert Küster aus Mehrhoog.
Waren das nicht vor gut einer Woche noch zweistellige Minus-Temperaturen? Und Schnee überall. Jetzt kommen Frühlingsgefühle auf. Hier im Halderner Wald.