Vehlingen. Die drei Braun- und zwei Kragenbären aus dem Anholter Bärenwald sind an die Ostsee umgezogen, wo sie in einem neuen Gehege untergebracht werden.
Gemischte Gefühle verspürte Evelyn Vos-Kramer. Die Vorsitzende der International Bear Federation schaute gebannt zu, wie die drei Braun- und zwei Kragenbären ihr Gehege im Anholter Bärenwald verließen. „Ich weiß, dass sie auf jeden Fall auf eine schöne Anlage kommen“, so Vos-Kramer, die mit ihrem Stellvertreter Thomas Schäfer das Tierschutzzentrum Weidefeld selbst in Augenschein genommen hat. „Aber nicht um eine Kontrolle durchzuführen, sondern einfach aus Interesse.“
20 Jahre in der Anholter Schweiz
Es ist das letzte Kapitel von teilweise turbulenten 20 Jahren Bären-Geschichte in Vehlingen. Der Bärenwald, der auf einem Areal in der Anholter Schweiz untergebracht ist, bot seit 1999 Tieren eine Heimat, die zuvor unter nicht artgerechten Umständen untergebracht waren. Die beiden Kragenbären Balou und Serenus gehörten zu den Bewohnern der ersten Stunde.
Pachtvertrag lief aus
Dass sie jetzt noch einmal umziehen mussten ins über 500 Kilometer entfernte Weidefeld in Schleswig-Holstein direkt an der Ostseeküste, lag am Auslaufen des Pachtvertrags, der nicht verlängert wurde.
Nun ist ein Umzug von Wildtieren nicht ganz ohne. Erst recht, wenn sie sich vor dem Winterschlaf nochmal etwas zusätzlich Speck angefressen haben und wie Braunbärin Maya rund 200 Kilo auf die Waage bringen. „Das sind keine Teddys oder Kuschelbären“, erklärte auch Patrick Boncourt vom Deutschen Tierschutzbund, der den Bärenumzug federführend leitete. „Aber das ist hier ein absolut kalkulierbares Risiko.“
Mit den Tieren für Umzug geprobt
Schwere Transportkisten mussten in das Gehege gebracht werden. Schon seit einigen Wochen hatten die Tierpfleger für den Tag X geprobt. Denn dass die Tiere narkotisiert werden, sollte nur im absoluten Notfall eintreten. „Es dauert sicherlich 20 Minuten bis die Wirkung der Narkose eintritt, dann müssen die Bären verladen werden, der Transporter darf aber erst losfahren, wenn die Tiere nicht mehr unter Narkose stehen“, berichtete Tierpflegerin Sandra Ebbeskamp die durchaus sehr zeitraubende Prozedur.
Klickertraining durchgeführt
Mit Hilfe des so genannten Klickertrainings waren die Bären aber auf die Transportboxen vorbereitet worden. Die Annäherung der Tiere an die Kisten war ein langwieriger Prozess, bei dem Belohnungen wichtig waren. Waren die Bären in die Kiste gegangen, machte der Tierpfleger ein Klick-Geräusch, und der Bär wusste, dass es gleich eine Belohnung geben wird.
Das Klickertraining sollte sich auszahlen. Als erste war Ronja an der Reihe. Die 27 Jahre alte Braunbärendame galt im Vorfeld als Wackelkandidatin. Die Erleichterung der Verantwortlichen war deutlich spürbar, dass Ronja aus freien Stücken den Weg in die Transportbox fand.
Schicksal berührte Tierfreunde
Dann war noch mal richtige Schwerstarbeit angesagt. Denn der Container mit der Braunbärin musste händisch auf den Anhänger verladen werden. Ronja lebte genau so wie ihre Schwester Mascha seit 2008 im Anholter Bärenwald. Zuvor waren beide in einem Tierpark in Thüringen unter unzumutbaren Bedingungen untergebracht.
Das Schicksal von Artgenossin Maya berührte viele Tierfreunde, als sie im Jahr 2012 nach Vehlingen kam. Rostige Gitterstäbe, ein winziger Käfig und karger Betonboden. So vegetierte die Braunbärin über 15 Jahre in Litauen neben einem Restaurant vor sich hin.
Kragenbären seit Anfang an dabei
Die beiden Kragenbären Balou und Serenus gehörten zu den ersten neun Bären in Vehlingen, die allesamt aus einem kleinen privat geführten Tierpark aus Hessen stammten, wo sie in einem Betongraben untergebracht waren.
Das Gehege in der Anholter Schweiz war dahingegen ein Paradies für die Tiere. In ihrer zukünftigen Heimat an der Ostsee werden sie ebenfalls bestens untergebracht. „Das Gelände ist dort ganz neu gestaltet worden“, so Evelyn Vos-Kramer.
>> Verein löst sich auf
Auf der Mitgliederversammlung der International Bear Federation wurde mit Mehrheit beschlossen, dass der Verein zum 31. Dezember dieses Jahres aufgelöst wird. Mit dem Umzug nach Weidefeld sind die Bären in den Besitz des Deutschen Tierschutzbundes übergegangen.