Emmerich. Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze behandelt im Interview die nun anstehenden Herausforderungen. Beim Thema Neumarkt brodelt es auch in ihm.
Die Sommerpause neigt sich dem Ende entgegen. Die NRZ sprach mit Bürgermeister Peter Hinze über die anstehenden Aufgaben.
Herr Bürgermeister, welche Herausforderungen werden in der zweiten Jahreshälfte 2019 größte Priorität haben?
Wir haben verschiedene größere Baustellen. Nach wie vor ist der Umbau der Gesamtschule ein großes Thema. Wir werden jetzt nach der Sommerpause sehen, dass das alte Brink-Gebäude abgerissen wird, damit wir Platz für den Neubau schaffen. Das wird der zweite große Schritt nach der Sanierung der Patersteege sein.
Verwaltungsintern ein ganz großes Thema ist die Digitalisierung, weil wir mit dem E-Government gefordert sind, für den Bürger viele Dinge auch einfacher zu machen: sich übers Internet An- und Abmelden oder Rechnungen bezahlen zu können zum Beispiel.
Ich hatte ja bereits vor der Sommerpause angekündigt, dass wir uns auf den Weg machen wollen mit einem Ordnungs- und Sicherheitsdienst, wo sich die Personalfrage auch stellen wird. Brauchen wir am Ende zwei, drei oder vier Leute. Wir wollen damit auf jeden Fall sicherstellen, dass wir einen kürzeren Draht zur Bürgerschaft kriegen. Wir haben in den letzten Monaten ja mitgekriegt, wie notwendig der Kontakt zur Verwaltung ist.
Woran machen Sie das konkret fest?
Insbesondere an der Problematik der Leiharbeiter. Da gab es mehrere Themen: Ob es nun Lärmbelästigung, Alkohol-Konsum, das nachbarschaftliche Miteinander, wo wir rein rechtlich ganz wenig machen können. Aber bauordnungsrechtlich können wir natürlich eingreifen. Wir können uns den Brandschutz angucken, ob da Müll gelagert wird im Garten. Aber das, was tatsächlich unter das Bürgergesetzbuch fällt bei Nachbarschaftsstreitereien, da können wir wenig tun.
Was bedeutet das für den Ordnungs- und Sicherheitsdienst?
Ich sehe da die Möglichkeit zu vermitteln, den kürzeren Draht zu haben und Dinge erst gar nicht eskalieren lassen. Meine Vorstellung ist, dass wir den dann auch für das gesamte Stadtgebiet einsetzen, auch in den Ortsteilen. Es sollte nicht der Gedanke der Kontrolle oder der Überwachung im Vordergrund stehen, sondern wir wollen Service und Ansprechbarkeit bieten.
Seit Anfang des Jahres haben wir auch den Mängelmelder. Der funktioniert auch recht gut. Wir sind sehr dankbar, dass wir hier auch die wertvollen Rückmeldungen bekommen. Wir können nicht überall sein.
Das Thema Klimawandel bekommt heutzutage deutlich mehr Aufmerksamkeit als noch vor ein oder zwei Jahren. Wie dominant ist das Thema im Rathaus?
Das Thema ist natürlich im Moment in aller Munde. Und es ist auch richtig so. Wir erleben bei den Kommunen, dass der Klimanotstand ausgerufen wird, Kleve hat das gemacht, in Rees beschäftigt man sich mit der Frage auch. Die Friday For Future-Bewegung hat ja gezeigt, dass die Jugend sich für Politik doch interessiert und aktivieren lässt. Die Bewegung hat jedermann bewusst gemacht, wir sind da auf der verkehrten Schiene unterwegs, was das Klima betrifft.
In der Verwaltung sind wir mit dem Thema schon lange dran. Wir haben uns seit 2003 an dem European Energy Award beteiligt. In NRW gibt es 398 Kommunen und nur ganz wenige sind dabei, drei im Kreis Kleve. Da unterwerfen wir uns einem gewissen Audit, um Ziele zu erreichen. Ein ganz gutes Beispiel sind die Solar-Anlagen am Gymnasium. Das sind Unmengen an CO2, die über diesen Weg eingespart werden. Wir haben ein Klimaschutzkonzept, ein Klimaanpassungskonzept, weil wir auch merken, dass es mehr Starkregenereignisse gibt, mehr Trockenperioden. Wir sind auf dem Weg, wie wir als Kommune fahrradfreundlicher werden. Auch das hat Auswirkungen. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir den öffentlichen Personennahverkehr attraktiver machen.
Ich bin überzeugt davon, dass wir auf der einen Seite als Stadt schon viel getan haben fürs Klima, aber auf der anderen Seite noch viele Möglichkeiten bestehen, um fürs Klima etwas Positives zu erreichen. Es fängt aber auch bei jedem Einzelnen an. Das ist die Frage, muss ich meine Cola mit einem Strohhalm trinken oder kann ich die auch so trinken? Muss ich zuhause einen Steingarten haben oder kann ich nicht auch sagen, ich finde eine Möglichkeit, meinen Vorgarten so anzupflanzen, dass er wenig Arbeit macht, aber für das, was an Insekten und Vögeln unterwegs ist, trotzdem irgendwo eine Heimat da ist.
Nach dem Aufschrei scheint sich der Pflegezustand der Friedhöfe in Emmerich verbessert zu haben. Offenbar haben auch Bürger mit angepackt. Aber muss die Stadt ihre Strategie in der Grünpflege insgesamt nicht überdenken?
Ja, der Friedhof war in keinem guten Zustand. Wir haben das auch gesehen und das ist auch nicht in Ordnung. Aber wir kämpfen auch mit der Frage, wieviel Personal hat man dafür. Wir sind in einer Urlaubsperiode, wir haben Krankheitsfälle, die es nicht ganz einfach machen. Wir werden gucken, haben wir genügend Personal für den Friedhof in Elten und Emmerich? Der erste Eindruck ist, dass wir uns da neu aufstellen müssen. Wir müssen das abstimmen, ob wir mehr Personal brauchen. Das muss durch die Politik mitgetragen werden. Mehr Personal bedeutet mehr Kosten – bedeutet höhere Gebühren.
Die Kosten haben schon zu einem riesigen Budget geführt. Mehr Personal, mehr Technik hat Auswirkungen auf den Gebührenhaushalt. Die Beerdigungskultur verändert sich. Normale Erdbestattungen mit Sarg nehmen ab, stattdessen gibt’s mehr Urnenbestattungen und Verstreuungen. Für die Mitbürger ist das kostengünstiger. Aber der Pflegeaufwand für die Friedhofsflächen bleibt ja. Die sind parkähnlich angelegt, was Arbeit macht.
Emmerichs Gewerbeflächen-Potenzial ist fast ausgeschöpft. Sollen weitere Flächen erschlossen werden? Oder sind in Zeiten des gestärkten Klima-Bewusstseins weitere Flächenversiegelungen eher unangebracht?
Das ist ein Abwägungsprozess. Wir haben eine große Nachfrage. Immer noch, auch im Bereich Logistik. Wir haben uns auf den Weg gemacht, über eine Logistik-Studie die Chancen auszuloten in dem Dreiklang zwischen Zevenaar, Montferland und Emmerich. Ein Projekt, das in diesem Jahr noch abgeschlossen werden soll. Welche Chancen haben wir? Was bedeutet das für die Infrastruktur, für den Arbeitsmarkt, für die Flächen? Welche Chancen ergeben sich daraus grenzüberschreitend.
Mit der Klima-Frage ist das zusammen abzuwägen. Stelle ich das Klima an die vorderste Stelle, dann habe ich automatisch die Konsequenz, ich kann nichts anderes mehr tun. Aber wir müssen auch gucken, wie wir als Wirtschaftsstandort konkurrenzfähig und marktfähig bleiben. Durch die Arbeitsplätze gewinnen wir Mehrwert für unsere Stadt. Im Moment haben wir keine Flächen mehr. Das ist auch ein Prozess, den wir mit der Bezirksregierung abstimmen. Dann müsste man gucken, welche Möglichkeiten man hat, wenn man eine große Ansiedlungs-Anfrage hat. Wie kriegt man das klimafreundlich hin? Klimaneutrale Ent- und Versorgung? Dachbegrünung? Das sind Fragen, die sich stellen werden.
Der Kämmerer hatte zuletzt einige Punkte aufgezählt, die Emmerich im Haushalt zusätzlich belasten werden – geringere Schlüsselzuweisungen, Mindereinnahmen Kita, höhere Kreisumlage. Muss Emmerich sich langsam Gedanken machen, wo gespart werden kann?
Wir haben eine Haushaltssituation, um die uns andere Städte beneiden. Wir können uns Dinge leisten, die sich andere Städte nicht leisten können, aber irgendwann hat das eine Grenze. Das, was ich tue, muss unter der Betrachtung stehen, was es für die nächsten Jahre bedeutet. Kann ich mir die große Wundertüte leisten? Man darf den Blick auf die kommenden Jahre nicht verlieren. Es wird auch über Rezension gesprochen. Das hat auch Auswirkungen auf Emmerich.
Spüren Sie da schon was in Emmerich?
Nein! Aber es sind die Vorhersagen. Es stellt sich die Frage, was das für Auswirkungen auf den Haushalt in den nächsten Jahren haben wird. Wir brauchen zudem in vielen Bereichen der Verwaltung zusätzliches Personal, weil die Arbeit nicht mehr zu schaffen ist. Wir wollen uns bürger- und familienfreundlich darstellen. Aber das ist alles mit Geld verbunden. Das große Füllhorn haben wir nicht.
Man sieht es an der Diskussion um die Kita-Beiträge, die gesenkt wurden. Man merkt, dass der Wahlkampf anfängt, die Zeit der Geschenke hat begonnen. Aber man muss es nicht übertreiben.
Zum Schluss das Dauerthema Neumarkt. Richtig Druck auf dem Kessel ist beim Bau des Wohn- und Geschäftsmarktes immer noch nicht spürbar. Brodelt es in Ihnen, wenn Sie den gefühlten Stillstand an der Baustelle sehen?
Absolut. Egal, wo ich hingehe, ich fange schon freiwillig mit dem Thema an, um die Fragen zu beantworten. Das stört mich massiv. Wenn mir 2015 jemand gesagt hätte, ich kann da 2019 immer noch nichts einkaufen, dann hätte ich den für verrückt erklärt. Das ist das größte Problem für die Bevölkerung, weil da gar nicht nachvollziehbar ist, welche Hürden da immer wieder neu zu nehmen sind. Wir sind an einem Punkt, an dem immer wieder etwas hakt.
Auf der anderen Seite: Investor Schoofs hatte sich nicht immer besonders kommunikativ gezeigt. Wir sind jetzt aber in einer Phase, in der wir alle 14 Tage Baubesprechung haben. Das macht die Sache viel einfacher, da kann man als Verwaltung viel schneller mit steuern.
Am Dienstag werden die Sondierungsuntersuchungen laufen wegen der Spundung zum Neuen Steinweg hin. Da kommt der Kampfmittelräumdienst. Aber die Bezirksregierung muss das auch noch freigeben, wenn das Ergebnis vorliegt. Vorher darf nicht angefangen werden. Hat der Bearbeiter gerade Urlaub? Hinter dem, was man sieht, und das ist im Moment wenig, passiert viel. Nach heutigem Plan ist es so, dass im Oktober der erste Beton fließt. Aber verärgert bin ich da genau so, wie jeder andere Bürger auch.
Vielen Dank! Die Frage zu einer möglichen erneuten Kandidatur als Bürgermeister in der kommenden Amtsperiode ersparen wir uns. Wie wir erfahren haben, wird die Entscheidung diese Woche verkündet.