Emmerich/Kleve. Heide Naderer aus Emmerich hat als künftige Vorsitzende des Nabu NRW alle Dauerprobleme direkt vor der Haustüre. Welche Defizite sie erkannt hat.
Die Themen liegen quasi vor der Haustür. Wenn Heide Naderer aus ihrem Wohnzimmerfenster blickt, dann schaut sie nicht nur auf den wunderschönen Niederrhein, sondern dann sieht die neue Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) auch einige Dauerprobleme, mit denen sie sich künftig intensiver beschäftigen muss:
Landwirte tragen in großen Mengen Gülle in Naturschutzgebieten auf, die Binnenschiffe blasen dreckige Abgase in die Luft, der Emmericher Hafen würde sich am liebsten im angrenzenden FFH-Gebiet ausdehnen und auf der Rheinbrücke ist täglich ein Stau zu verzeichnen. Die großen Probleme des Klimawandels lassen sich quasi mit einem einzigen Blick aus ihrem Fenster an der Emmericher Rheinpromenade erkennen.
Ein mächtiger Verein mit fast 100.000 Mitgliedern
Heide Naderer hat ein Auge dafür. Die 54-jährige Politikwissenschaftlerin wurde zur neuen Vorsitzenden des Nabu-Landesverbandes NRW gewählt. Ein mächtiger Verein mit fast 100.000 Mitgliedern, der auf Landesebene viel Einfluss bei der Politik genießt. Als neue Vorsitzende genießt Naderer nun eine gewisse Macht und sie muss dafür sorgen, dass das Thema Klimaschutz auch in die Landespolitik stärker Einzug hält.
Denn bislang erkennt die ehemaligen Präsidentin der Hochschule Rhein-Waal viele Defizite bei der aktuellen Regierung: „Das Entfesselungspaket von Minister Pinkwart ist eine Katastrophe. Anstatt der Natur mehr Raum zu geben, werden weitere Flächen versiegelt. Es gibt jetzt noch nicht einmal mehr eine Begrenzung für zusätzliche Gewerbeflächen“, ärgert sie sich.
Sie ist bis heute ein „Naturfreak“ geblieben
Am 1. September nimmt sie in Nabu-Zentrale in Düsseldorf ihre Arbeit auf. Ihren Wohnsitz wird die gebürtige Kamp-Lintforterin aber in Emmerich behalten. Mit 16 Jahren ist sie bereits in den Deutschen Bund für Vogelschutz (DBV) eingetreten, den Vorläuferverein des Naturschutzbundes. Gemeinsam mit Jürgen Flassbart, heute Staatssekretär im Bundesumweltministerium, habe sie im Kreis Wesel damals Teiche gesäubert und praktischen Naturschutz betrieben. Bis heute sei sie ein „Naturfreak“ geblieben.
Für den Beginn ihrer Amtszeit möchte sie sich intensiv mit einem „Volksbegehren Artenvielfalt“ in NRW beschäftigen. Der Erfolg der Bürger in Bayern habe gezeigt, dass die Themen Umwelt- und Klimaschutz viele Menschen betroffen macht. Sie haben ein hohes Interesse daran, dass die Ökosysteme in Takt bleiben und die Bürger erkennen auch, dass zurzeit vieles im Argen liegt.
Der Naturschutzbund möchte hier im Gespräch mit den betroffenen Gruppen wie Land- und Forstwirtschaft seinen Beitrag dazu leisten: „Auch Landwirte erkennen, dass etwas verändert werden muss“, sagt Naderer.
Der Nabu besticht durch sein Fachwissen
Dass in der Klimadebatte der Nabu nicht die lauteste Stimme ist, mag Naderer zugeben. Der Bund oder die Deutsche Umwelthilfe würden auf Bundesebene deutlich mehr wahrgenommen. Aber der Naturschutzbund verfüge über eine enorme Expertise bei den Fachthemen. Mit der Arbeit in den Naturschutzzentren versuche man den Menschen zu erklären, wie alles mit allem in der Natur zusammenhängt. Der Klimaschutz sei da ein grundlegender Bestandteil. Der Naturschutzbund werde sich auch in Zukunft für konkrete Projekte einsetzen und Bürgern und Fachleuten mit seiner Expertise zur Seite stehen.
Das Land NRW könne für den Klimaschutz noch deutlich mehr tun. Der Ausbau der Windenergie sei durch die neuen Abstandsregelungen fast zum Erliegen gekommen. „Der Landesentwicklungsplan sendet die völlig falschen Signale“, ist sich Naderer sicher.
Er ermögliche weiteren Flächenfraß für Gewerbe und Wohnbebauung: „Wir kämpfen als Nabu zum Teil für den Erhalt eines winzigen Naturschutzgebietes und müssen dann feststellen, dass gleich nebenan in Windeseile ein großes Gewerbegebiet entsteht. Wie absurd ist das?“ Sie fordert einen deutlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Landesverwaltung sollte sich zum Ziel setzen, klimaneutral zu sein.
Es fehlen Verkehrskonzepte für die Zukunft
Gerne möchte Naderer enger mit der Jugendbewegung Fridays For Future zusammenarbeiten. „Es wäre schlimm, wenn sich die Jugendlichen jetzt engagieren und am Ende nichts passiert. Ich bin, was die Politik in Berlin und Düsseldorf betrifft, sehr skeptisch.“ Naderer stört sich an den massenhaften Autoverkehr, an die mangelnden Konzepte für einen besseren ÖPNV und auch die Elektromobilität sei nicht der Weisheit letzter Schluss: „Blechlawinen sind an sich ein Problem. Straßen kosten Platz und es werden weitere Flächen versiegelt.“