Duisburg-Obermeiderich. Es gibt wohl keinen Autofahrer, der nicht über die Sperrungen und Baustellen in Duisburg schimpft. Aber wie ergeht es gerade den Brummi-Fahrern?

Alle, die auf zwei oder vier Rädern in Duisburg unterwegs sind, brauchen momentan starke Nerven: Mehrere (Brücken-)Sperrungen und zahlreiche Baustellen machen es schwer, von A nach B zu kommen. Lkw-Fahrer trifft es ganz besonders: „Wir können ja nicht wie Pkw-Fahrer von der Autobahn abfahren und versuchen, über Nebenstraßen ans Ziel zu kommen“, sagt Marina Michel. Denn einige Strecken sind für Brummi-Fahrer gesperrt. Also steht sie jeden Tag im Stau — Stoßstange an Stoßstange mit ihren Kolleginnen und Kollegen. „Ich bin in den letzten Wochen nicht einmal irgendwo pünktlich angekommen“, erzählt die 30-Jährige.

Marina Michel fährt für die Spedition Köppen ausschließlich im Nahverkehr, regelmäßig sind die verschiedenen Duisburger Container-Terminals ihr Ziel: „Logport in Rheinhausen zu erreichen, ist die Oberkatastrophe.“ Normalerweise braucht sie 20 bis 30 Minuten, bis sie dort ist. „Momentan dauert es zwei Stunden, wenn es doof läuft“, so ihre Erfahrung. Als die Gaterwegbrücke dicht war, gab es nur eine einzige Strecke dorthin. „Immerhin ist die Brücke seit ein paar Tagen wieder auf.“ Dafür ist die A 40 ab kommenden Freitag gesperrt – dann bleibt Brummi-Fahrern wieder nur eine Route.

Duisburger Brummi-Fahrerin kämpft sich jeden Tag durch das Verkehrschaos

Wie steht man das tägliche Chaos auf den Straßen durch? „Ich höre Musik und versuche, geduldig zu sein. Aber ich merke auch, dass ich mehr rauche als sonst, um meine Nerven zu beruhigen. Gar nicht gut“, berichtet sie. Einen Adrenalinschub bekommt Michel aber immer, wenn ein Autofahrer kurz vor ihrem Gefahrguttransporter einfach einschert und sie zum Bremsen zwingt.

„Dann geht mir die Pumpe. Denn wenn der Tank voll ist, schieben 25 Tonnen von hinten. Wenn meine Reaktion in dem Moment nur eine Sekunde weg ist, kann das böse enden.“ Vielen Autofahrern sei das gar nicht bewusst, dabei hätten alle das in der Fahrschule gelernt.

Marina sitzt seit einem Jahr auf dem Bock, vorher hat die 30-Jährige in der Pflege gearbeitet. Den Wechsel hat sie nicht bereut. Sie liebt ihren neuen Job – auch wenn er ihr im Augenblick viel abverlangt. Ihr Chef Marco Thalhäuser bringt die aktuelle Situation auf den Punkt. „Das Gefühl aller Kollegen ist, jeden Tag nur noch in heilloses Chaos reinzufahren.“ Auch die Disponenten des Unternehmens stünden unter Dauerstress. „Sie können unsere Aufträge zeitlich einfach nicht kalkulieren und schieben Fahrten hin und her. Wir reagieren nur.“

Manager Marco Thalhäuser von der Spedition Köppen sagt: „Wir können unsere Fahrten zeitlich nicht mehr kalkulieren.“
Manager Marco Thalhäuser von der Spedition Köppen sagt: „Wir können unsere Fahrten zeitlich nicht mehr kalkulieren.“ © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Der stressige Arbeitsalltag ist aber nur ein Aspekt des Verkehrschaos, finanzielle Einbußen der Spedition ein anderer: „Es gibt quasi keine Halbtagestouren mehr, nur noch Tagestouren.“ Um Verluste auszugleichen, werden die Preise erhöht oder Zuschläge erhoben. „Am Ende zahlt das natürlich der Verbraucher, weil die Preise durchgereicht werden“, bedauert Thalhäuser.

Bei wenigen Kunden bieten sich Speziallösungen an: „Wir haben einen Kunden im Hafen, den wir auch nachts beliefern können. Also haben wir auf Nachtschicht umgestellt“, erklärt der Manager Logistics. So schafft der Fahrer sechs Fahrten – tagsüber wären es momentan gerade einmal zwei und die dann auch noch mit hohem Nervfaktor.

Ein Kunde im Duisburger Hafen wird jetzt nachts angefahren – das spart Zeit und Nerven

Michel und Thalhäuser sind sich einig: Sie fragen, was die Planer sich bei alldem gedacht haben. „Haben die sich überhaupt untereinander abgesprochen?“ Denn nicht nur die Autobahnen sind ein Problem. Die Behinderungen fangen schon vor der Haustür an. Die Neumühler Straße ist kurz hinter der Arnold-Dehnen-Straße – dem Sitz der Spedition – in Richtung Norden gesperrt.

Berufskraftfahrerin Marina Michel braucht im Augenblick starke Nerven, wenn sie mit ihrem Lkw unterwegs ist.
Berufskraftfahrerin Marina Michel braucht im Augenblick starke Nerven, wenn sie mit ihrem Lkw unterwegs ist. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Die Straße hat seit zwei Wochen einen neuen Asphalt und wird jetzt schon wieder aufgerissen“, schüttelt Thalhäuser den Kopf. „Und dann haben wir schon einen Brief bekommen, dass die Arnold-Dehnen-Straße bald einspurig wird. Irgendwann kommen wir nicht mehr von unserem Gelände runter.“

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Marina Michel hat nur noch ein Wort für das, was auf den Straßen in und rund um Duisburg los ist: „Horror!“ Und natürlich leidet auch das Privatleben der Brummi-Fahrerin. „Wenn ich abends nach Hause komme, bin ich platt.“ Verabredungen fallen nicht nur deshalb flach: „Ich kann ja nichts planen, weiß nie, wann ich Feierabend habe.“ Also kümmert sie sich nur noch schnell darum, dass Kater Muffen etwas Leckeres in den Napf bekommt.

Dann relaxt sie mit ihrem Stubentiger auf dem Sofa und geht schon bald ins Bett. Denn der nächste Tag wird garantiert wieder anstrengend. „Wenn die A 40 am kommenden Freitag auch noch gesperrt wird, wird alles noch schlimmer.“ Ihr Chef Marco Thalhäuser ergänzt: „Dann müssen alle über die A 42 fahren. Es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis es da zu einem Unfall kommt – und dann haben wir den Kollaps“, befürchtet er.

>> Die Duisburger Spedition Köppen beschäftigt 62 Lkw-Fahrer

  • Die Köppen GmbH ist ein Familienunternehmen mit Tradition: Es besteht schon seit 150 Jahren und ist laut Firmenwebsite der führende Tankcontainer-Dienstleister in Nordrhein-Westfalen. Der Hauptsitz befindet sich an der Arnold-Dehnen-Straße in Obermeiderich.
  • Rund 50 Lkw sind für die Spedition auf den Straßen unterwegs. Seit August 2021 hat das Unternehmen eine zweite Niederlassung in Dessau. Außerdem betreibt es zwei Logistikbüros in Hamburg und Ludwigshafen.
  • Die Spedition Köppen beschäftigt 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon sind 62 Berufskraftfahrer.