Duisburg. Damit Obdachlose ein Dach über dem Kopf haben, zimmern engagierte Ehrenamtliche so genannte Tiny-Häuser. Welchen Komfort der Mini-Raum bietet.

Bärbel Ebert und Birte Bickschäfer sind unter die Häuslebauer gegangen. Beide Frauen engagieren sich für den Verein „City-Wärme“, der Obdachlose in Duisburg-Neudorf mit warmen Mahlzeiten versorgt, eine Kleiderkammer betreibt und auch Möglichkeiten zum Duschen anbietet.

Bärbel Ebert ist die Vorsitzende, Birte Bickschäfer vom Café Kurz hat in der Vergangenheit immer wieder Torten für die „City-Wärme“ gespendet. Gleichzeitig verfügt die zupackende Frau auch über handwerkliches Geschick. „Ich hab‘ bei uns schon die Backstube neu gefliest. Wenn mein Mann Torten oder Eis macht, kann ich nicht auf der Couch sitzen und mich langweilen.“

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Als sie neulich einen Film sah, bei dem Mini-Häuser für Obdachlose gebaut wurden, war ihr klar: Das können wir auch. Also besorgte sie Holz, sprach mit einem Tischler und einem Dachdecker und fing an, im Innenhof hinter der Backstube einen Prototypen zu bauen. Klaus, ursprünglich aus Thüringen, und in Duisburg gestrandet, war der erste Obdachlose, der in das so genannte Tiny-Haus einzog.

Vorwürfe Richtung Stadt Duisburg: Situation in Notunterkünften soll schwierig sein

Klaus hat früher im Bahnhof übernachtet. An die Ruhe im Tiny Haus musste er sich erst ein bisschen gewöhnen.
Klaus hat früher im Bahnhof übernachtet. An die Ruhe im Tiny Haus musste er sich erst ein bisschen gewöhnen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Die Situation in den Obdachlosen-Unterkünften ist sehr schwierig. Es ist unhygienisch, es wird geklaut – viele bleiben deshalb lieber auf der Straße“, beschreibt Bärbel Ebert die Zustände. Klaus ist im vergangenen Sommer nach Duisburg gekommen, weil er glaubte, hier eine Arbeit gefunden zu haben.

Den Job gab es allerdings nicht, erzählt er. „Und dann bin ich überfallen worden. Alle meine Papiere waren weg, ich konnte nicht mehr zurück“, schildert der 59-Jährige. Er landete am Hauptbahnhof, ging zur Bahnhofsmission, schlief in den Wintermonaten im U-Bahnhof. Sein Hab und Gut hatte er immer mit dabei. Ein Schlafsack spendete etwas Wärme. „Es hat lange gebraucht, bis ich nachts schlafen konnte“, gibt er zu. Bärbel Ebert ergänzt: „Viele liegen auf der Seite oder dämmern im Sitzen, weil sie Angst haben, überfallen zu werden.“ Sie war jedenfalls direkt begeistert, als Birte Bickschäfer ihr vorschlug, solche Häuschen zu bauen.

Bärbel Ebert (li.) und Birte Bickschäfer wollen in diesem Jahr noch viele Tiny-Häuser bauen. Sie entstehen in Ruhrort hinter der Backstube von Café Kurz.
Bärbel Ebert (li.) und Birte Bickschäfer wollen in diesem Jahr noch viele Tiny-Häuser bauen. Sie entstehen in Ruhrort hinter der Backstube von Café Kurz. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Wir haben einiges ausprobiert und dann wieder neu gemacht“, erklärt die engagierte Ruhrorterin. Zuerst hatten sie den kleinen Raum mit MDF-Platten ausgekleidet, aber die eigneten sich dann doch nicht. Damit es in dem Häuschen Licht gibt, wurde eine Solarzelle auf dem Dach montiert. Rundherum lässt eine Regenrinne das Wasser abfließen. Und weil die meisten Bewohner größer als 1,50 Meter sein dürften, bauten sie eine Schublade ein, die nachts ausgezogen werden kann und in der dann die Füße stecken. „Allerdings bekommt man die kaum dicht und es könnte schnell nass werden“, wissen die Hobby-Handwerkerinnen nun. Beim zweiten Haus haben sie deshalb die Fläche auf 1,80 Meter vergrößert.

15 Tiny-Häuser wollen die Hobby-Handwerkerinnen im Laufe des Jahres bauen

Auch weitere praktische Details haben sie bedacht: Vor dem Fenster hängt eine Gardine. In einer Ecke gibt es eine Miniatur-Spüle. Das Tiny-Haus ist mit Rollen versehen und somit mobil. Mit Bremsen und einer Kette kann man es befestigen. Klaus hatte es bisher in Neudorf abgestellt. „Ich hab‘ mich natürlich gefreut, als ich hier einziehen durfte“, erklärt er. Zwei Quadratmeter Privatsphäre, die er vorher nicht hatte. Als er den Schlüssel in Empfang nahm, waren die anderen von der Platte ein bisschen neidisch.

Für Birte Bickschäfer ist das ein Ansporn, noch mehr zu bauen. 15 haben sie sich vorgenommen. „Wir würden uns ja freuen, wenn Privatpersonen oder die Stadt uns unterstützen würden, Stellplätze zu finden. Dann würden wir dort auch ein Dixi-Klo aufbauen und das regelmäßig säubern lassen.“

Stadt Duisburg: Häuschen sind zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit „ungeeignet“

Auf Unterstützung der Stadt können die Ehrenamtlichen bei ihrem Projekt aber wohl nicht so schnell bauen. Laut Stadt leben derzeit rund 50 Obdachlose in Duisburg, „allerdings kann die Zahl nur grob geschätzt werden“, sagt Stadtsprecher Sebastian Hiedels.

Rund 200 Personen seien momentan in Notunterkünften untergebracht. „Das Spektrum dabei ist groß und reicht von Sammelunterkünften, Hotels, Ferienwohnungen bis zu Monteurzimmern.“ Der Standard sei einfach, aber zweckmäßig. „Die Versorgung von wohnungslosen Frauen, Männern und Jugendlichen ist im Hilfesystem in Duisburg gewährleistet. Die Notschlafstellen in Duisburg sind 24 Stunden erreichbar, die Stadt Duisburg arbeitet hier eng mit dem Diakoniewerk Duisburg zusammen“, so Hiedels.

Die Vorwürfe zu den Zuständen könne die Stadt nicht nachvollziehen. „In unseren Gemeinschaftsunterkünften ist ein Wachdienst vorhanden. Zudem werden die Personen durch die Fachstelle für Wohnungsnotfälle betreut.“

An dem ersten Tiny-Haus kann man eine Schublade ausziehen, damit auch größere Personen in dem  1,50 x 1,35 Meter kleinen Raum bequem schlafen können.
An dem ersten Tiny-Haus kann man eine Schublade ausziehen, damit auch größere Personen in dem 1,50 x 1,35 Meter kleinen Raum bequem schlafen können. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Tiny-Häuser halten die städtische Fachstelle für Wohnungsnotfälle und das Diakoniewerk Duisburg zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit „für ungeeignet und nicht nachhaltig, da sie den Verbleib auf der Straße fördern.“ Das Ziel der Wohnungslosenhilfe sei es, die Personen direkt in ein neues Wohnverhältnis zu vermitteln. „Je länger ein Mensch außerhalb eines regulären Wohnverhältnisses lebt, desto schwerer ist es, die Menschen wieder in dieses zu integrieren.“

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Die Chefin vom Verein „City-Wärme“ kann darüber nur den Kopf schütteln. „Die Stadt sagt immer, dass es kaum Obdachlose in Duisburg gibt. Aber es stehen regelmäßig neue Leute bei uns vor der Tür.“ Im Fall von Klaus stimmt es übrigens nicht, dass Obdachlose nicht wieder in eine Wohnung vermitteln werden können. „Ich habe eine kleine Bleibe in Neudorf gefunden. Der Mietvertrag ist unterschrieben.“ Er ist glücklich über die Hilfe von Bärbel Ebert und ihrem Team.

Das erste Tiny-Haus wurde nun an den nächsten Obdachlosen übergeben. Und bald will Birte Bickschäfer das zweite Häuschen fertig haben. Die beiden Frauen glauben an ihre Idee, dass die zwei Quadratmeter großen Bleiben den Menschen auf der Straße ein neues Zuhause bieten können.

>> Hausbau wird aus Spenden finanziert

Rund 1000 Euro kostet ein Tiny-Haus, das der Verein aus Spenden finanziert. „Wir freuen uns über zusätzliche Spenden oder auch über Gutscheine für Baumärkte und Einrichtungshäuser, damit wir die Häuser auch einrichten können“, wünscht sich Birte Bickschäfer.

Nähere Informationen gibt’s per E-Mail an citywaerme.e.v@gmail.com oder telefonisch unter der Rufnummer 01573 8335617.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde zuerst am 28. März veröffentlicht.