Duisburg. Messerangreifer Maan D. stach im Duisburger John Reed auf vier Männer ein. Zwei Opfer schildern jetzt, wie die Folgen ihr Leben lähmen.
Sie wollten an dem Aprilnachmittag einfach nur zum Sport gehen, doch im John-Reed-Fitnessstudio trafen sie auf Maan D. und sein Fleischermesser. Die blutige Begegnung hat die Leben der vier Opfer aus dem Fitnessclub in der Duisburger Altstadt auf den Kopf gestellt. Wie massiv die Folgen sind, haben zwei von ihnen jetzt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf geschildert.
Yasin Güler ist in der Öffentlichkeit das bekannteste Opfer der Messerattacke. Monatelang ringt er im Krankenhaus mit dem Tod, wird zehnmal operiert. Nur langsam kämpft der 21-Jährige sich ins Leben zurück, denn die körperlichen und psychischen Folgen sind allgegenwärtig. Alleine ist er damit nicht:
Messerangriff im Duisburger John Reed: 33-Jähriger schließt sich oft zu Hause ein
Auch der Alltag eines 33-Jährigen ist nicht mehr derselbe wie zuvor. Rückblick: Der Duisburger steht vor der Bluttat mitten im Leben. Er arbeitet im Marketingbereich einer großen Firma, hat eine kleine Tochter, von der Mutter lebt der sportliche junge Mann allerdings getrennt.
Am Nachmittag des 18. April ackert er gerade für seine Beinmuskulatur, als sich Yasin mit einer blutenden Wunde an ihm vorbei schleppt und nach wenigen Metern vor den Damenumkleiden zusammenbricht. Der 33-Jährige eilt zu ihm hin, sieht die klaffende Wunde im Bauchbereich und drückt diese zu. „Sein Blick war schon ganz kalt. Ich habe ihm gesagt, dass alles gut wird“, erinnert sich der Duisburger.
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Was er dabei nicht mitbekommt: Maan D. schleicht sich von hinten an und rammt ihm das Messer in den rechten hinteren Oberschenkel. Die Krankenakte belegt: Zweimal sticht der 27-Jährige mit der gut 20 Zentimeter langen Klinge zu. „Ich bin erstmal weggesprungen“, berichtet der junge Mann.
Dann trifft sein Blick den seines Angreifers. „Der Ausdruck in seinen Augen war erschreckend. Ich hatte das Gefühl, der lässt mich nicht gehen.“ Also geht der 33-Jährige auf Distanz. Sein Ziel: Er möchte Maan D. hinter die Geräte locken, um dann durch das Treppenhaus zu fliehen. Der Plan geht auf. In einem Lagerraum wird er erstversorgt. In einer Klinik nähen die Ärzte die Wunden.
Aber: Zwei handgroße Bereiche in dem Oberschenkel sind auch sieben Monate nach der Tat taub.
Doch schlimmer sind die Verletzungen der Psyche: Sie zeichnen sich relativ schnell nach dem Angriff ab. „Ich habe mich immer öfter zu Hause eingeschlossen“, sagt der muskulöse Mann. Denn: Draußen fühlt er sich unsicher. Er ist stets angespannt, „aus Angst, es kann irgendwas passieren“. Im Prinzip verlasse er nur für die Arbeit, den Rehasport und Arzttermine die eigenen vier Wände.
Herzrasen, Alpträume, Angstzustände
Nachts wacht er mit Herzrasen aus Alpträumen aus. Die Diagnose: Der 33-Jährige leidet unter einer Angststörung. Und die beeinflusst auch die Beziehung zu seiner Tochter: „Ein Kind soll rausgehen, die Schönheit der Natur erleben. Doch das fällt mir schwer“, präzisiert er das Problem.
Im Job läuft die Wiedereingliederung. Doch die Aussagen des 33-Jährigen machen deutlich: Es ist ein steiniger Weg. Aktuell sei er erneut krankgeschrieben. „Physisch und psychisch wird mir oft alles zu viel.“ Und dann fasst der Mann, der seit der Attacke 10 Kilogramm verloren hat, zusammen: Es gehe ihm einfach schlecht. Doch aufgeben möchte er nicht: „Ich arbeite hart daran, dass alles gut wird.“
Messerangreifer taucht plötzlich vor Duisburger (25) auf
Dass alles gut und „wie vorher“ wird, darauf hofft auch ein 25-Jähriger. Er ist an dem Dienstagnachmittag im Frühling wohl das erste Opfer von Maan D.. Nach seinem Feierabend möchte er in dem Fitnessstudio trainieren, geht schnurstracks in die Herrenumkleide, Musik hat er zu diesem Zeitpunkt schon auf den Ohren. Seine Ohrstöpsel werden später blutgetränkt entdeckt.
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Zu spät bemerkt er den 27-Jährigen, der hinter seiner aufgehängten Jacke gelauert hat. Sofort sticht der Mann, der 2016 als Asylbewerber nach Deutschland kam, das erste Mal zu. Sein Opfer versucht verzweifelt, durch den Poolbereich zu fliehen.
Doch der Syrer ist ihm auf den Fersen, rammt ihm noch zwei weitere Male das Messer in den Oberkörper. Schwere Verletzungen an der Lunge, der Leber und der Gallenblase fügt er dem Mittzwanziger zu. Der wird wegen akuter Lebensgefahr in einer Klinik sofort notoperiert – mit Erfolg. Er überlebt.
Doch auch er strauchelt dabei, sich in den Wochen und Monaten danach in seinem Alltag zurechtzufinden. Auch bei ihm sind es vor allem die Auswirkungen der Gewalttat auf seine Psyche, mit denen er kämpft. Aggressionen und Gewaltphantasien kommen immer wieder auf. „Schlechte Gedanken“, nennt es der junge Mann, der nur schwer in den Schlaf kommt. Im Juli holt er sich Hilfe. Eine Anpassungsstörung diagnostizieren die Mediziner.
Regelmäßig geht der 25-Jährige seitdem zur Psychotherapie. Seitdem gehe es aufwärts. „Ich will wieder ein normales Leben führen“, sagt der. Aktuell ist der gelernte Großhandelskaufmann wegen der psychischen Folgen noch krankgeschrieben. „Aber Anfang 2024 möchte ich unbedingt wieder arbeiten“, hofft er.
Maan D. ist bekennender IS-Anhänger
Äußerlich scheinen die Leiden seiner Opfer Maan D. nicht zu berühren. Er verfolgt ihre Aussagen fast desinteressiert.
Längst hat er die Angriffe im John Reed zugegeben, genauso wie den Mord an einem 35-Jährigen in der Duisburger Altstadt am Osterwochenende. Er habe im Auftrag der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gehandelt und im Namen seines Glauben an Allah. Und: Eigentlich habe er mehr Menschen und auch die Polizisten vor Ort töten wollen, aber im muslimischen Fastenmonat Ramadan sei er für weitere Taten zu schwach und zu müde gewesen.
>> Die Anklage
- Maan D. ist wegen Mordes, dreifachen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, Anhänger der radikal-islamistischen Ideologie der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) zu sein. Zur ihr hat er sich bereits mehrfach bekannt.
- Der Terror-Prozess findet in einem Sicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts statt.
- Mit einem Urteil wird im Januar gerechnet.