Duisburg. Kirchenaustritte häufen sich nicht nur in der Katholischen Kirche. Der Evangelische Kirchenkreis Duisburg kämpft dagegen an – mit neuen Formaten.

Die Kirchengemeinden in Duisburg schrumpfen dramatisch und nochmals schneller. Das geht aus den Zahlen zu den Kirchenaustritten hervor, die die Amtsgerichte Duisburg, Hamborn und Ruhrort registriert haben. Aus den katholischen Gemeinden auf Duisburger Stadtgebiet traten demnach im Vorjahr 2115 Menschen aus – nochmals 815 mehr als im Vorjahr (2021: 1300; 2020: 769).

Der Trend, dass immer mehr Deutsche der Institution Kirche den Rücken kehren, betrifft aber nicht nur die wegen der Missbrauchsskandale gebeutelten katholischen Gemeinden. Auch in der evangelischen Kirche sinken die Mitgliederzahlen dynamisch, auch zwischen Walsum und Rahm: 1385 Duisburgerinnen und Duisburger sind 2022 ausgetreten (2021: 957; 2020: 674).

Christoph Urban, der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Duisburg, macht diese Entwicklung Sorgen. Denn weniger Mitglieder bedeuten für die Gemeinden auch weniger Einnahmen. „Wir stellen uns auf weiter sinkende Kirchensteuern ein“, sagt der Superintendent, der mit schmerzhaften Einschnitten in der Gemeindearbeit rechnet. „Wir müssen uns auf Kreisebene verständigen, wie Kirche 2030 oder 2050 aussehen kann. Da plädiere ich dafür, im Zweifelsfall mehr gemeinsam als weniger allein zu machen.“

Duisburger Superintendent sieht Haftungsgemeinschaft mit katholischer Kirche

Keine leichte Aufgabe, wenn immer mehr Gemeindemitglieder der Kirche bewusst den Rücken kehren. Die Gründe dafür seien vielschichtig, betont Urban. „Fakt ist, dass die Leute nicht aus einer Laune heraus austreten. Meist ist das die Folge einer Kette an Enttäuschungen.“ Neben finanziellen Gründen sei das Bild der Kirche im Allgemeinen für viele ein Grund, sich aktiv von der Kirche zu distanzieren.

Dass viele Menschen dabei nicht zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche unterscheiden, mache es für Urban und seine Kollegen so schwer, das Image der evangelischen Kirche positiv zu beeinflussen. Der Superintendent spricht von einer Haftungsgemeinschaft mit der katholischen Kirche, in der sich die evangelischen Gemeinden befänden.

Laut Pfarrer Christoph Urban leide auch das Image der evangelischen Kirche unter den Missbrauchsvorfällen in den katholischen Gemeinden.
Laut Pfarrer Christoph Urban leide auch das Image der evangelischen Kirche unter den Missbrauchsvorfällen in den katholischen Gemeinden. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Gemeindemitglieder wünschen sich von der Kirche mehr soziales Engagement

Doch was erwarten Gemeindemitglieder von ihrer Kirche? Stadtteilprägende Kirchen erhalten, ein gutes Programm für Kinder und Jugendliche bieten und alte und arme Menschen unterstützen – das seien Antworten, die Urban und seine Kollegen häufig hören.

Urban: „Wir haben viele gute Projekte, aber die bringen Menschen oft nicht mit der evangelischen Kirche in Verbindung.“ Die soziale Arbeit der Kirche mehr hervorzuheben, sei eine wichtige Aufgabe. „Kirche und Diakonie müssen bei uns stärker Hand in Hand gehen.“

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Um die Angebote besser zu präsentieren, versucht sich die evangelische Kirche laut Urban zu modernisieren. „Viele kennen es (die Kirche, Anm. d. Red.) nicht mehr aus der Familie und gerade deshalb müssen wir leicht zugängliche Angebote schaffen, um Menschen für die Kirche zu begeistern.“

Tauffeste sollen auch Duisburger anlocken, die wenig Bezug zur Kirche haben

Ein solches Angebot ist das Tauffest, das der Evangelische Kirchenkreis Duisburg seit einigen Jahren ausrichtet. In diesem Jahr fand die Feier im Revierpark Mattlerbusch statt. Die Idee dahinter ist simpel: Menschen, die eher selten in die Kirche gehen, sollen an anderen, neutralen Orten mit dem Gemeindeleben in Kontakt kommen. So zum Beispiel bei einer Taufe unter freiem Himmel.

Rund 50 Taufen wurden bei der diesjährigen Ausgabe gefeiert, 400 Menschen waren dabei. Nach 2012 und 2019 war es das dritte Mal, dass der Kirchenkreis ein solches Tauffest ausrichtete. „Wir merken, dass dieser ungezwungene Rahmen auch für Menschen interessant ist, denen eine traditionelle Taufe im Gemeindegottesdienst eher fremd ist“, berichtet Urban.

Gemeinden verlieren rund vier Mal so viele Mitglieder wie sie dazugewinnen

Doch alleine damit wird sich der Trend der schrumpfenden Gemeinden freilich nicht aufhalten lassen. Zwar gab es im letzten Jahr, sowohl in den katholischen als auch in den evangelischen Gemeinden in Duisburg wieder mehr Taufen – Kirchenaustritte und Sterbefälle lassen sich dadurch aber nicht kompensieren.

Die Zahl der Kirchenaustritte und Sterbefälle war 2022 in den Duisburger Gemeinden mehr als viermal so hoch wie die Zahl der Kircheneintritte: Die evangelischen Gemeinden verloren 3349 Mitglieder und gewannen 747 hinzu.

Aufgeben ist für Christoph Urban aber keine Option. Er will sich weiter darum bemühen, die Gläubigen in den Gemeinden zu halten beziehungsweise Menschen die evangelische Kirche näher zu bringen.

Seit einigen Jahren verschickt das Parlament des Evangelischen Kirchenkreises Duisburg, bestehend aus Pfarrerinnen und Pfarrern sowie ehrenamtlichen Vertretern der Gemeinden, Willkommenskarten und Halstücher an Familien, die vor kurzem ein Kind bekommen haben. Wer aus der Kirche austritt, bekommt vom Kirchenparlament eine Postkarte, mit der die Kirchenvertreter ihr Bedauern über den Austritt ausdrücken und ein Gespräch anbieten. Denn , betont Urban: „Wichtig ist, dass die Leute uns jetzt um sie kämpfen sehen.“

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