Duisburg-Obermeiderich. Eine entweihte Kirche in Duisburg hat neue Eigentümer. Christen feiern dort weiterhin Gottesdienste – auf Deutsch, Aramäisch und sogar Türkisch.

Die katholische Pfarrei St. Michael hat ihre Kirche Herz Jesu in Duisburg-Obermeiderich am 27. September 2020 aus Kostengründen aufgegeben. Inzwischen ist das denkmalgeschützte Gebäude an der Brückelstraße an neue Eigentümer verkauft. Dort finden wieder Gottesdienste statt – auf Deutsch, Aramäisch und sogar auf Türkisch. Einer Familie syrisch-orthodoxer Christen gehört nun das Gotteshaus. Sie will es zum Geburtsort einer neuen Kirchengemeinde machen. Doch es gibt Hürden.

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„Wir haben die Kirche als Familie erworben“, sagt Josef Afrem-Barsom (37). Die Pfarrei St. Michael kannte die Familie bereits über den von ihr geführten Kinder- und Jugendverein „Suryoye Ruhrgebiet“. Er nutzte seit 2019 bereits die Räume im nun ebenfalls verkauften Pfarrheim als Mieter. Der Verein hat weiterhin seinen Sitz an der Brückelstraße, sei im gesamten Ruhrgebiet aktiv und habe ein entsprechend großes Netzwerk.

Syrisch-orthodoxe Christen haben die Herz-Jesu-Kirche in Duisburg-Obermeiderich gekauft

Ein zweiter Verein, die „Syrisch-orthodoxe Kirchengemeinde St. Schmuni und St. Barbara e.V.“, ist in Herz Jesu jetzt ebenfalls beheimatet, soll aber künftig eine offizielle syrisch-orthodoxe Kirchengemeinde werden. Die Anerkennung durch den zuständigen Bischof der deutschen Erzdiözese, Philoxenos Mattias Nayis, lässt allerdings seit gut acht Jahren auf sich warten. „Das ist ein innerkirchliches Politikum“, erläutert Josef Afrem-Barsom und der Hauptstreitpunkt sei, wer der zuständige Pfarrer wird. Das sei für die Gläubigen aus Duisburg ein entscheidender Punkt und innerhalb der Erzdiözese eine wichtige Machtfrage.

Die Familie Afrem-Barsom hat die frühere katholische Kirche Herz Jesu gekauft – die Eltern Mariam und Aslan sowie die Söhne Josef (links) und Petrus (rechts). In dem denkmalgeschützten Gebäude in Duisburg-Obermeiderich werden wieder Gottesdienste gefeiert und die Kirche soll Geburtsort einer neuen syrisch-orthodoxen Kirchengemeinde werden.
Die Familie Afrem-Barsom hat die frühere katholische Kirche Herz Jesu gekauft – die Eltern Mariam und Aslan sowie die Söhne Josef (links) und Petrus (rechts). In dem denkmalgeschützten Gebäude in Duisburg-Obermeiderich werden wieder Gottesdienste gefeiert und die Kirche soll Geburtsort einer neuen syrisch-orthodoxen Kirchengemeinde werden. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Denn viele hundert orthodoxe Christinnen und Christen empfinden inzwischen Herz Jesu als ihre Heimatkirche. Zur jüngsten Feier der Erstkommunion kamen zuletzt allein mehr als 250 Menschen aus Duisburg, Krefeld, Moers und Dinslaken. Denn heilige Messen können bereits in Obermeiderich gefeiert werden. Dabei hilft die Katholisch-Apostolische Kirche. Deren Erzbischof Gino Collica lädt derzeit immer sonntagmorgens zum ökumenischen Gottesdienst ein. Die Messen sind auf Deutsch und auf Aramäisch.

Christliche Gottesdienste gibt es jetzt auf Türkisch, Aramäisch und auf Deutsch

Zusätzlich finden sogar jeden Sonntagnachmittag christliche Gottesdienste auf Türkisch statt. Sie leitet Pfarrer Gökmen Goral von der Katholisch-Apostolischen Kirche, die auch viele türkischstämmige Mitglieder hat. „Jeder ist herzlich eingeladen, bei uns Gottesdienst zu feiern“, sagt Petrus Afrem-Barsom (41) und schließt damit das gesellige Beisammensein nach den Messen ein.

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Die neuen Kircheneigentümer würden auch den Katholiken der Großpfarrei St. Michael jederzeit die Herz-Jesu-Kirche für Gottesdienste bereitstellen, zumal die beiden nun erwachsenen Söhne der Familie früher in der Pfarrei Messdiener waren. Doch das erlaubt das Kirchenrecht nicht. Als die katholische Kirche das Gotteshaus geschlossen und aufgegeben hat, wurde es entweiht. Deshalb darf St. Michael dort keine heiligen Messen mehr abhalten. Zwar soll die Kirche wieder geweiht werden, betont Petrus Afrem-Barsom, aber dazu müsse die Gemeinde erst offiziell anerkannt sein.

In der Sakristei der aufgegebenen katholischen Kirche Herz-Jesu hängt inzwischen das Bild des Patriachen der syrisch-orthodoxen Kirche, Ignatius Ephräm II. Karim.
In der Sakristei der aufgegebenen katholischen Kirche Herz-Jesu hängt inzwischen das Bild des Patriachen der syrisch-orthodoxen Kirche, Ignatius Ephräm II. Karim. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Dennoch sei die aktuelle Zwischenlösung für viele Menschen wichtig. „Unser Verein ,Suryoye Ruhrgebiet’ und die Kirche haben dazu geführt, dass viele assyrische beziehungsweise aramäische Familien nach Meiderich gezogen sind“, sagt er. Das sei insbesondere seit dem Syrien-Krieg so. „Die Gottesdienste wecken bei vielen Assyrern oder Aramäern tiefe Emotionen. Viele sind hierher emigriert, haben einen syrischen oder irakischen Pass, sind aber keine Araber. Unser Glaube gibt uns Identität, und wir wollen, dass unsere Sakramente von unserer Kirche gespendet werden.“

Neue Eigentümer suchen einen Organisten und sammeln Spenden für eine neue Heizung

Ganz so festlich wie etwa in der Pfarrkirche St. Michael sind die ökumenischen Gottesdienste allerdings nicht, denn derzeit fehlt jemand, der die Orgel spielt. Die Musik kommt also aus einem Bluetooth-Lautsprecher. Doch wenn die Ohren nicht verwöhnt werden, den Augen wird umso mehr geboten. „Die Kirche ist einfach schön“, schwärmt der ältere Bruder; gerade die Ikonenbilder im Kirchraum entsprechen dem Geschmack der meisten Orthodoxen.

In der Kirche finden sich viele Heiligenbilder im Kirchraum. Diese Ikonenbilder trafen nicht nur den Geschmack der Großpfarrei St. Michael, sondern sind auch bei orthodoxen Christen sehr beliebt.
In der Kirche finden sich viele Heiligenbilder im Kirchraum. Diese Ikonenbilder trafen nicht nur den Geschmack der Großpfarrei St. Michael, sondern sind auch bei orthodoxen Christen sehr beliebt. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Ohnehin sei das Gebäude „eine Oase“ umgeben von „viel Lärm und viel Chaos der Großstadt“, eine „Ankerstätte für ganz viele Menschen“, die als solche auch noch wachsen soll. Derzeit nutzen bereits viele Gruppen die Räume, darunter Senioren von St. Michael. Ukrainerinnen sind ebenfalls dazugekommen, die jetzt regelmäßig einen ukrainisch-orthodoxen Gebetskreis organisieren.

Zuletzt sind aber die Kosten für das Gotteshaus ordentlich gestiegen. Geheizt wird nämlich mit Gas. Die sanierungsbedürftige Heizung muss durchgehend laufen, damit die Wände nicht schimmeln und die Orgelpfeifen heil bleiben. Die Eigentümerfamilie erhofft sich durch Spenden die Heizung austauschen zu können.

Das ehemalige Pfarrheim an der Brückelstraße ist ebenfalls verkauft. Dort ist der Hauptsitz des Kinder- und Jugendvereins „Suryoye Ruhrgebiet“, der sich ebenfalls an die aramäische und assyrische Community richtet.
Das ehemalige Pfarrheim an der Brückelstraße ist ebenfalls verkauft. Dort ist der Hauptsitz des Kinder- und Jugendvereins „Suryoye Ruhrgebiet“, der sich ebenfalls an die aramäische und assyrische Community richtet. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Die Gemeindemitglieder können uns natürlich unterstützen“, sagt Petrus Afrem-Barsom und verweist auf die Opferkästen in der Kirche. Doch an Geld oder Mitgliedsbeiträgen soll die Teilnahme an Gottesdiensten oder am Gemeinde- oder Vereinsleben nicht scheitern. „Beim christlichen Glauben geht’s nicht ums Geld. Dem Herrn geht’s nicht ums Geld und uns auch nicht“, betont Josef Afrem-Barsom und sein Bruder bekräftigt ihn dabei: „Wir wollen Menschen erreichen, die ihren Weg verloren haben. Sie sollen wieder zum Glauben finden.“

Und das gerne überkonfessionell – aber vielleicht bald schon in einer offiziellen syrisch-orthodoxen Kirchengemeinde.

>> Wer sind die syrisch-orthodoxen Christen?

● Die syrisch-orthodoxe Kirche beruft sich auf die Nachfahren der altertümlichen Assyrer aus Mesopotamien, die sich auch Aramäer nennen, weil sie Aramäisch sprechen. Diese Christen stammen aus dem heutigen Syrien, aus dem Libanon, dem Nordirak und aus der Türkei.

● In Deutschland sollen circa 300.000 syrisch-orthodoxe Christen leben. Wie groß die Religionsgemeinschaft weltweit ist, schwankt je nach Zählung zwischen zwei und fünf Millionen Menschen.