Duisburg-Duissern. Die Kindertagesstätte „Lutherknirpse“ in Duisburg-Duissern feiert Geburtstag. Damals galt sie als besonders modern. Auch heute ist sie Vorreiter.

In der Kindertagesstätte „Lutherknirpse“ laufen die Vorbereitungen für das große Geburtstagsfest: Am heutigen Samstag, 2. September, wird der 70. Geburtstag des evangelischen Kindergartens groß gefeiert. Momentan wird das Außengelände aufgehübscht, dort blühen Sonnenblumen und Kamille. In sieben Jahrzehnten hat sich in der Kita einiges verändert. Früher gehörte die Einrichtung zur Kirche, heute zum Evangelischen Familienbildungswerk. Vor ein paar Jahren ließ sich die Kita zum „Familienzentrum“ zertifizieren und die Erzieherinnen werden längst nicht mehr mit „Tante“ oder „Fräulein“ angesprochen, wie das früher noch der Fall war. Ein Rück- und Ausblick.

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„Raum der Kinder“ steht über einer Tür – ab hier ist Schluss für die Eltern. Die 70 Jungen und Mädchen werden von den 13 Fachkräften nicht mehr in festen Gruppen betreut, sondern heute gibt es einen Raum zum Forschen, in einem anderen kann man Rollenspiele machen. Eine Kreativwerkstatt und ein Bibliothekszimmer lassen den Kindern zudem mehr Entscheidungsfreiheit darüber, was sie als nächstes tun und entdecken wollen.

Kita in Duisburg-Duissern gehörte nach dem Krieg zu den „schönsten und modernsten“

Diana Walter leitet die Kita Lutherknirpse heute. „Das ist doch ein Träumchen hier“, sagt sie angesichts des schönen Gartens.
Diana Walter leitet die Kita Lutherknirpse heute. „Das ist doch ein Träumchen hier“, sagt sie angesichts des schönen Gartens. © RR | Samera

Ein Lutherknirps hat gerade eine brennende Frage. „Was machen die Männer da auf der Wiese?“ will er von Diana Walter wissen. Sie leitet die Kita, ist aber erst seit drei Jahren in der Einrichtung. Diana Walter ermutigt seinen Forschergeist. „Geh mal rüber und frage ganz genau nach, was die da tun und warum.“ Schon ist der kleine Entdecker unterwegs, um ein paar Löcher in die Gärtnerbäuche zu fragen. „Zieh die Strümpfe auch aus, barfuß ist doch viel schöner “, schlägt Diana Walter einer Kleinen vor, die sich auf panierten Socken dem Matschbächlein nähert, der um den Kletterhügel plätschert.

„In unserem bunten Team ziehen zum Glück alle super mit“

Das neue Konzept gewährt den Kindern viel Bewegungsfreiheit, verlangt dem Team aber eine hohe Flexibilität ab. Mit dem Walkie-Talkie verständigen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Garten und der Cafeteria gegenseitig darüber, ob auch alle Knirpse aus dem Außenbereich zum Mittagessen eingeladen worden sind. Das ehemalige Gemeindehaus, das nun Kita ist, ist ziemlich verwinkelt. Jedes Kind, das schon gegessen hat, lädt ein anderes ein, seinen Platz am Tisch einzunehmen. „In unserem bunten Team ziehen zum Glück alle super mit“, sagt Diana Walter. Anders wäre die Zertifizierung zur fairen Kita, das offene Konzept, die Aufgaben als Familienzentrum, die Kleidertauschbörse, das Elterncafé und das Kinderparlament nicht zu schaffen.

Im Archiv der Stadt Duisburg finden sich neben Bauakten auch noch einige Beschreibungen, wie es im Kindergarten zuging. Andreas Pilger, Leiter des Archivs, schildert: „Über eher organisatorisch-administrativen Aspekte hinaus erfährt man, dass es schon vor dem Krieg einen Kindergarten im Gemeindehaus gegeben hat.“ Der Kindergarten habe nach dem Krieg „zu den schönsten und modernsten“ in Duisburg gehört. Weiterhin ist beschrieben, dass schon in den 1950er und 1960er Jahren auf professionelle pädagogische Ausbildung Wert gelegt wurde. Die Kinder bekamen in den 1960ern „vormittags Kakao, der im Kindergarten zubereitet wurde“.

Ehemalige Leiterin: Früher lernte jedes Kind Blockflöte – ab den 1990ern änderte sich das Konzept

Marion Scherf (li.) hat in der Kita von 1973 bis 2018 gearbeitet. Früher musste jedes Kind Flöte lernen.
Marion Scherf (li.) hat in der Kita von 1973 bis 2018 gearbeitet. Früher musste jedes Kind Flöte lernen. © FUNKE Foto Services | Repro: Volker Herold

Marion Scherf hat den Kindergarten früher selbst besucht – und schließlich 1973 dort ihr Anerkennungsjahr gemacht. „Die Erzieherinnen wurden Tante oder Fräulein genannt und gesiezt“, erinnert sie sich. Die damalige Leiterin war recht streng und legte Wert auf eine musische Erziehung der Kleinen. Jedes Kind musste Flöte lernen, „egal, ob es Talent hatte oder schiefe Töne produziert wurden“, blickt sie zurück. Regelmäßig gab es Aufführungen, bei denen auch die Erzieherinnen zum Musikinstrument griffen. „Die Kinder wurden morgens für vier Stunden gebracht, gingen dann nach Hause, um dort zu essen, und kamen nachmittags noch einmal wieder“, beschreibt Scherf den Alltag.

Marion Scherf, ehemalige Leiterin der Lutherknirpse, erinnert sich, wie schwierig es in den 1990er Jahren war, die Eltern davon zu überzeugen, dass die Kinder auch etwas beim freien Spielen lernten.
Marion Scherf, ehemalige Leiterin der Lutherknirpse, erinnert sich, wie schwierig es in den 1990er Jahren war, die Eltern davon zu überzeugen, dass die Kinder auch etwas beim freien Spielen lernten. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Am 1. Juni 1990 wurde Marion Scherf schließlich selbst die Leiterin – und änderte mit ihren Kolleginnen das Konzept. Die Kinder sollten mehr selbst bestimmen, was sie spielen wollen. „Davon waren die Eltern erst gar nicht begeistert, es hieß: Die Kinder lernen ja gar nix mehr.“ Natürlich lernten sie noch etwas, aber spielerischer. Wenn sie im Sommer beispielsweise mit Wasser matschten, wurde dabei besprochen, wo das Wasser eigentlich herkommt, wer es braucht und wie wichtig Regen ist. „In den Anfangszeiten in den 1970er Jahren hatten wir noch sechs Gruppen mit je 30 Kindern. Das wurde dann aber weniger“, so Marion Scherf. Die Einrichtung ist zwar eine evangelische, dennoch wurden auch Jungen aus verschiedenen Nationen aufgenommen. Ab und zu kam der Pfarrer aus der benachbarten Kirche vorbei, um mit dem Kindergarten Gottesdienst zu feiern.

Einrichtung ist mittlerweile ein „Familienzentrum“

Im Naschgarten haben die „Liutherknirpse“ schon viel geerntet.
Im Naschgarten haben die „Liutherknirpse“ schon viel geerntet. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zum Glück gebe es am Standort ein schönes Außengelände. Dort gab es sogar einen Baum, der klein genug war, dass kleine Kinderbeine drauf klettern konnten, erinnert sich Scherf. „Das ist doch ein Träumchen hier“, sagt auch die heutige Leiterin Diana Walter und strahlt. Im Naschgarten nebenan sind die Zuckerschoten und die Erdbeeren schon aufgefuttert. „Leider hat es uns dieses Jahr die Kartoffelernte verregnet, letztes Jahr haben wir da mit den Kindern leckere Chips draus gemacht“, bedauert sie.

Moderner ist das heutige „Familienzentrum“ geworden. Tablets haben die alten Gruppenbücher abgelöst. Die Kinder werden morgens an dem zentralen Rezeptionstisch mit der bunten Fahrradklingel empfangen, wo auch das Schwarze Brett mit den Elternnachrichten hängt.

Die Lutherknirpse wünschen sich zum Geburtstag einen ganz großen Spiegel für den Bewegungsraum. Dafür versteigern sie am 2. September auf dem Fest ein selbstgemaltes Gemeinschaftswerk aus ihrem Hundertwasser-Workshop. Wer sich die Tombola, die Versteigerung und den Film „Ein Tag im Leben der Lutherknirpse“ nicht entgehen lassen will, der sollte am Samstag, 2. September, zwischen 10 und 14 Uhr, bei den Lutherknirpsen in der Duisserner Martinstraße vorbeischauen.