Duisburg-Duissern. Viele warten lange auf Korrekturen am viel kritisierten Nahverkehrsplan. Wer im Bezirk Duisburg-Mitte besonders betroffen ist, wie es weitergeht.
Senioren aus Duisburg-Duissern fühlen sich von der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) abgehängt. Seit der stadtweiten Umstellung des Fahrplans im Jahr 2019 gab es immer wieder Kritik am Wegfall von Haltestellen. Bezirkspolitiker fassten sogar Beschlüsse, dass an der einen oder anderen Stelle nachgebessert werden soll. Doch im Bezirk Mitte tut sich an für viele ÖPNV-Nutzer wichtigen Stellen seit Jahren nichts.
Bei einem Termin zum Thema Stadtentwicklung in Neudorf machte Martin Linne, Dezernent für Stadtentwicklung und Mobilität, den Duissernern und Neudorfern wenig Hoffnung: Vor 2025 wird es wohl nichts mit der Umsetzung der Änderungswünsche. Bei einem Ortstermin an der Moltkestraße wird deutlich, was diese Verzögerung insbesondere für die ältere Bevölkerung bedeutet.
Alte Haltestelle Moltkestraße in Duisburg-Duissern wurde inzwischen abgebaut
Gisela Schiffers, Vorsitzende des Sozialverbandes VdK in Neudorf/Duissern, hat ein paar Nachbarn zusammengetrommelt. An der ehemaligen Haltestelle Moltkestraße, die etwa in der Mitte der Königsberger Allee liegt, steht nur noch eine Seitenwand mit Werbetafel. Das alte Wartehäuschen ist längst abgebaut.
„Früher konnte man von hier immer problemlos in die Stadt fahren. Heute muss man zum Lutherplatz, zur Hansastraße oder Tonstraße. Bei einigen Verbindungen kann man sich direkt den Henkelmann einpacken, weil man erstmal durch den Stadtteil fährt und anschließend noch umsteigen muss“, schildert Gisela Schiffers. Ältere Leute, insbesondere mit Rollator, schaffen das kaum.
Mit dem Bus so umständlich – notgedrungen mit dem Taxi in die Stadt
Inge Mismahl (90), Ilse Hendrix (82), Rainer Freitag-Schlaugat (69) und Marion Boes wissen, wovon Gisela Schiffers spricht. Wenn Sie zur Straßenbahn am Lutherplatz unterwegs sind, dauert es etwas. Der Rollator muss über die Bordsteinkante gehievt werden. Eine der Damen ist etwas schlecht zurecht. „Als ich neulich in die Stadt musste, habe ich mir ein Taxi genommen, weil das mit dem Bus so umständlich ist.“ Zwölf Euro kostet das im Schnitt pro Fahrt, die sie von ihrer Rente berappen muss. Und in die Stadt müsse sie oft: Seitdem die Sparkasse in Duissern keine Filiale mehr betreibt, geht’s zur Hauptstelle. Auch die Nahversorgung könnte in dem Stadtteil besser sein, so die Kritik.
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„Ich bin im Verhältnis der Mobilste, ich nehme öfter die U-Bahn in Duissern. Aber das ist auch ein Sicherheitsrisiko“, beschreibt Rainer Freitag-Schlaugat, der ein Blindenzeichen trägt und mit Orientierungsstock unterwegs ist. „Mir ist es schon zwei Mal passiert, dass sich Leute an mir vorbei in den Zug gedrängelt haben. Ich habe gewartet und als ich einsteigen wollte, war mein Stock zwar drin, aber die Türen haben sich geschlossen.“ Er habe die Vorfälle bei der DVG gemeldet, aber eine Reaktion habe es darauf nicht gegeben.
DVG-Sprecher: Für Menschen mit Sehbehinderung empfehlen sich die weniger frequentieren Türen am Ende
Auf Nachfrage unserer Redaktion, erklärt DVG-Sprecher Felix zur Nieden: „Die Sicherheitstechnik der Bahnen ist darauf ausgelegt, genau solche Ereignisse, bei denen Gegenstände eingeklemmt werden könnten, zu verhindern. Dies geschieht über Lichtschranken-Technologie in den Türen. Vor allem die neuen Bahnen haben hierfür modernste Sicherheitstechnik verbaut.“ Für Menschen mit Sehbehinderung empfehle es sich, anhand des taktilen Leitsystems vor allem an den Türen im Endbereich der Züge zu warten, da diese in der Regel weniger stark frequentiert seien als Türen in der Mitte.
Grundsätzlich kennen Stadt und DVG die Kritikpunkte am umgestellten Nahverkehrskonzept – schließlich sind die Duisserner sogar schon einmal zum Protest vors Rathaus gezogen. Stadtsprecher Malte Werning erklärt auf Nachfrage: „In Zusammenarbeit mit der DVG wurde ein Konzept zur Optimierung der Angebote im Bezirk Mitte erarbeitet, das auf die Hauptbeschwerdepunkte nach der Fahrplanänderung 2019 eingeht. Dazu gehören auch die Wiederanbindung der Haltestelle Moltkestraße oder die Zurückverlegung der 933 über die Friedrich-Wilhelm-Straße.“
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Wie viel die Umstellung kosten würde, kann die Stadt nicht genau beziffern: „Kosten für den ÖPNV werden nicht gebietsspezifisch ausgewertet, da die Linien immer auch über die Bezirksgrenzen hinaus verkehren.“ Für die Angebotserweiterung der Optimierungskonzepte entsteht allerdings ein zusätzlicher finanzieller Aufwand für die Stadt Duisburg, für den zunächst die Finanzierung geklärt werden müsse.
Verbesserungen in Meiderich/Beeck schlagen mit 2,6 Millionen Euro zu Buche – Stadtmitte mindestens genauso teuer
Zum Vergleich: So seien für die Umsetzung des Konzeptes Meiderich/Beeck 2,6 Millionen Euro jährlich notwendig. „Die Kosten für die Umsetzung des Konzeptes Mitte liegen mindestens in der gleichen Größenordnung“, schätzt Werning. Wenn die Finanzierung geklärt sei, werde das Konzept samt finanzieller Auswirkungen dem Rat vorgelegt, damit dieser darüber entscheiden kann.
Felix zur Nieden, Sprecher der DVG, erklärt allerdings, dass die aktuelle Ringlinie 930/931 im Vergleich zu den restlichen DVG-Linien bei den Fahrgastzahlen im oberen Mittelfeld liege. „Sie zeichnet sich dabei besonders durch eine im Linienverlauf gleichbleibend gute Auslastung aus.“ Der alte 944er sei 2019 in Duissern zwar ähnlich gut genutzt worden, „wurde jedoch auf anderen Streckenabschnitten deutlich weniger angenommen.“
Den Fahrplan zu verändern, sei zudem eine komplexe Angelegenheit: Jede einzelne Linie, so zur Nieden, sei Teil eines aufeinander abgestimmten Konzeptes. „Die Einbindung einer einzigen Haltestelle ist dabei auch ein erheblicher Aufwand, da sich dadurch Fahrzeiten verschieben und Anschlusszeiten unter Umständen nicht mehr einzuhalten sind.“ Die Vorbereitungszeit für einen Fahrplanwechsel hängt vom Umfang der Maßnahmen ab und kann in seltenen Fällen „sechs Monate, häufiger bis zu 18 Monate betragen“.
Gisela Schiffers kennt die Argumente und möchte sich dennoch nicht damit abfinden. „Mich macht es wütend, wenn immer über die Mobilitätswende der Zukunft gesprochen wird. Man sollte auch an die Leute denken, die jetzt die Verbesserungen brauchen. In ein paar Jahren macht das für die Älteren auch keinen Sinn mehr.“
>> Rolltreppen und Aufzüge häufig defekt
Nicht nur der Fahrplan sorgt für Kritik. Immer wieder gibt es Beschwerden bei der DVG, weil mal wieder die Rolltreppen und Aufzüge nicht funktionieren. Für Fahrgästen, die nicht so einfach Treppen laufen können, ein Problem.
DVG-Sprecher zur Nieden bestätigt: „Leider gibt es derzeit und anhaltend erhebliche Lieferschwierigkeiten für Ersatzteile von Fahrtreppen. Für einige Modelle werden gar keine Ersatzteile mehr hergestellt. Die DVG erneuert gemeinsam mit der Stadt Duisburg daher in den kommenden Monaten erneut diverse Fahrtreppen.“
>> DVG-Angebot Thema im Seniorenbeirat
Die teils für mobilitätseingeschränkte Menschen (zu) großen Entfernungen von ihrer Wohnung zur Haltestelle waren jüngst auch Thema im Seniorenbeirat der Stadt Duisburg. Für das Gremium um den Vorsitzenden Reinhard Efkemann fällt auch dieser Aspekt unter das große Thema Barrierefreiheit.
Der Seniorenbeirat hatte dazu Sebastian Reinhold vom Angebotsmanagement der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) eingeladen. Er wurde gefragt, ob es bei der DVG einen entsprechenden Masterplan gebe oder ein solcher in Planung sei.
Eine konkrete Antwort darauf gab es nicht. Reinhold betonte vielmehr, dass der barrierefreie Ausbau der Haltestellen in Duisburg vorangehe, es diesbezüglich aber vor allem bei den Busstationen noch Nachholbedarf gebe.
Erfreulich sei, dass in Kürze zwei der fünf Kleinbusse für das On-Demand-Angebot „MyBUS“ der DVG durch Rampen barrierefrei werden. „Der MyBus ist eine tolle Sache, aber viele Ältere haben gar kein Handy und können den dann nicht rufen. Da würde ich mir eine Lösung wünschen“, sagt Gisela Schiffers.