Duisburg. Zwei Führungskräfte wollen Ausfälle und Verspätungen nicht schönreden – aber erklären: Auf viele Ursachen habe die DVG keinen oder kaum Einfluss.

Die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) bestätigt mit den Zahlen in ihrem ersten öffentlichen Qualitätsbericht: Die Straßen- und Stadtbahnen, die mit Abstand die meisten Fahrgäste haben, waren 2022 noch unpünktlicher unterwegs und sind noch häufiger ausgefallen. Die realistisch gesetzten Zielwerte wurden teils deutlich verfehlt (zum ausführlichen Bericht mit allen Zahlen). Zwei, die das besonders schmerzt, sind Pierre Hilbig und Nils Conrad. Hilbig (40) ist bei der DVG der Hauptabteilungsleiter des Betriebsmanagements, Conrad (46) leitet das Kundenmanagement.

„Dass wir die Zielwerte nicht erreicht haben, ist in erster Linie ärgerlich für unsere Fahrgäste – es ist aber auch traurig und enttäuschend für uns“, sagt Hilbig. „Wir nehmen die Zielwerte sehr ernst. Wir müssen der Geschäftsführung, dem Aufsichtsrat und dem Rat ja auch erklären können, warum sie nicht erreicht wurden, sonst hat das Konsequenzen.“ Zu Vertragsstrafen verdonnert die Stadt ihre eigene Tochtergesellschaft gleichwohl nicht.

DVG zur Unpünktlichkeit: „Auf viele Faktoren keinen Einfluss“

Die Führungskräfte der Verkehrsbetriebe wollen die Zahlen nicht schönreden, sie den Passagieren aber auch erklären: „Unser Anspruch ist höher“, versichert Hilbig. „Unser Team gibt für unsere Fahrgäste täglich alles.“ Zur Erklärung gehöre aber auch: „Auf viele der Faktoren, die bei uns zurzeit zur Unpünktlichkeit führen, haben wir kaum beziehungsweise keinen Einfluss.“

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Der 40-Jährige meint gar nicht in erster Linie die maroden alten Bahnen und den Fahrzeugmangel, der sich wegen der Lieferprobleme des Herstellers Alstom in die Länge zieht (wir berichteten). Dazu sagt er: „Wir bringen wirklich jeden Tag alles auf die Straße, was wir haben. Wir machen dafür, zum Beispiel in der Werkstatt, Extra- und Nachtschichten.“

Insbesondere die Straßenbahn-Linie 903 muss sich die Straße auf der langen und verkehrsreichen Strecke durch den Duisburger Norden oft mit dem Autoverkehr teilen – und wird dadurch ausgebremst.
Insbesondere die Straßenbahn-Linie 903 muss sich die Straße auf der langen und verkehrsreichen Strecke durch den Duisburger Norden oft mit dem Autoverkehr teilen – und wird dadurch ausgebremst. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Ein weiteres Problem sei noch grundlegender: „Wo wir nicht über eigene Bahnkörper verfügen, sondern uns die Straße mit dem Individualverkehr teilen müssen, werden wir leicht ausgebremst.“ So habe jüngst beispielsweise die A 59-Sperrung zwischen den Anschlussstellen Fahrn und Marxloh zu erheblichen Verspätungen geführt, berichtet Nils Conrad: „Die 903 steht dann in dem Verkehrschaos auch im Stau.“ Insbesondere der Nordast der langen Linie 903 kämpfe nach dem Tunnel mit dem Straßenverkehr – und 40 Lichtsignalanlagen.

Und somit auch mit Baustellen (längst nicht nur der DVG) auf der Strecke, mit Sperrungen für Veranstaltungen und anderen „externen Eingriffen“. Hilbig rechnet vor: 2021 habe es im DVG-Netz an über 160 Tagen 200 Abweichungen („Sonderfahrpläne“) gegeben, die Ausfälle und Verspätungen zur Folge hatten. 2022 seien es allein 360 angekündigte Eingriffe an 260 Tagen gewesen. „Da sind wir oft die Leidtragenden, nicht die Verursacher.“

Bahntüren wurden 430-mal aufgerissen oder aufgetreten

Nicht selten leiden Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit auch unter kriminellen Fahrgästen: Die Leitstelle zählte 2022 insgesamt 1087 „sicherheitsrelevante Vorfälle“. 430-mal seien Bahntüren aufgerissen oder aufgetreten worden. Hinzu kommen Vandalismus, Sachbeschädigungen, Verunreinigungen. Mit 541 dokumentierten Vorfällen ist auch hier die 903 am stärksten betroffen. „Fast alle diese Eingriffe führen zu Verspätungen und haben oft die Folge, dass ein Fahrzeug kurzfristig in die Werkstatt muss“, erklärt Conrad.

Mit der einfachsten Lösung, in solch einer Multiproblemlage Pünktlichkeits- und Zuverlässigkeitswerte zu erhöhen, wollen er und Hilbig sich nicht anfreunden. Einige Verkehrsbetriebe in NRW reduzierten ihr Angebot – stärker als die DVG, die wegen des Fahrzeugmangels bislang nur den Takt der U79 ausgedünnt hat. „Unter solchen Eingriffen aber leiden die Fahrgäste“, sagt Conrad. „Darum möchten wir das vermeiden, wann immer möglich.“

DVG hofft auf Beschleunigungspaket

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Hilbigs Devise: „Wir sind aktuell in einer schwierigen Situation, gegen die wir uns tagtäglich stemmen. Aber wir setzen uns auch für grundlegende Verbesserungen ein, um den ÖPNV in Duisburg langfristig attraktiver für Fahrgäste zu machen.“ Wenn’s nach ihm ginge, bekämen die schienengebundenen Linien mehr unabhängige Bahnkörper und noch häufiger Vorrang vor dem Autoverkehr. Er und Conrad hofften auf ein „Beschleunigungspaket“ und mittelfristig gar auf „Taktverdichtungen“ – also darauf, dass die Argumente der DVG auch städtische Verkehrsplaner und Kommunalpolitiker überzeugen können.

DVV-Sprecher Ingo Blazejewski sieht Duisburg bei der Verkehrswende inzwischen auf einem guten Weg: „Der Stellenwert des ÖPNV steigt. Die Höhe der Investitionen in die Infrastruktur steigt.“

>> DVG: INVESTITIONEN IN ÖPNV

  • Die jährlichen Gesamtaufwendungen der DVG für den ÖPNV beziffert DVV-Sprecher Ingo Blazejewski wie folgt (in Millionen Euro): 122,8 (2017); 127,0 (2018); 137,7 (2019); 143,3 (2020); 141,0 (2021); 149,4 (2022).
  • Investitionen der DVG (in Millionen Euro) (Quelle: DVG): 15,7 (2015); 15,0 (2016); 56,1 (2017); 53,9 (2018); 7,7 (2019); 17,1 (2020); 21,7 (2021).
  • Verkehrseinnahmen (in Millionen Euro) (Quelle: DVG): 60,1 (2015); 52,6 (2016); 54,8 (2017); 55,4 (2018); 62,2 (2019); 49,7 (2020); 21,7 (2021).
  • Fahrgäste (in Millionen): 61,6 (2015); 63,1 (2016); 62,5 (2017); 61,0 (2018); 60,7 (2019); 52,8 (2020); 42,5 (2021), 45,3 (2022).