Duisburg. Baustellen, Fahrzeug- und Personalmangel: Warum sich die Lage auf den DVG-Linien 901 und 903 – trotz neuer Straßenbahnen – noch nicht entspannt.
Kunden der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) sind auf den Straßenbahn-Linien 901 und 903 ärgerliche Verspätungen und Ausfälle gewohnt. Die Ausnahmesituation ist hier Dauerzustand. Das Urteil der Fahrgäste: mangelhaft (siehe Infobox unten). „Selbst im Regelangebot reichen die Fahrgastkapazitäten für den im Nahverkehrsplan definierten Standard zur qualifizierten Beförderung nicht aus“, hatte im Februar die Stadt attestiert (wir berichteten). In den letzten Wochen hat sich die Situation auf Duisburgs meistgenutzten Linien anscheinend nochmals verschärft. Ist dies in der Bahnen-Dauerkrise der Tiefpunkt vor der Wende? Besserung ist inzwischen … zumindest in Sicht.
„Es ist in den vergangenen Wochen leider immer wieder zu Ausfällen bedingt durch Fahrzeug- oder Personalmangel gekommen“, fasst DVG-Sprecherin Kathrin Naß die Lage nüchtern zusammen. „Auch Baustellen in der Stadt bremsen unsere Fahrzeuge aus.“
DVG hat trotz neuer Straßenbahnen zu wenige Fahrzeuge für Regelbetrieb
An vielen Tagen hat die DVG schlicht nicht genug Fahrzeuge für den Regelbetrieb auf den Linien 901 und 903. Für diese beiden Strecken stehen ihr insgesamt nur noch 37 (von einst 46) der alten und anfälligen Straßenbahnwagen (GT 10 NC-DU) zur Verfügung. Immerhin: Seit dem Frühjahr 2022 hat sich diese Zahl demnach nicht verringert.
Aber: Aktuell sind sechs Wagen in der mehrwöchigen Hauptuntersuchung (siehe Infobox). Bleiben noch 31 einsatzbereite GT 10 übrig. Und das nur theoretisch. „In der Regel steht uns diese Anzahl nicht jeden Tag zur Verfügung“, erklärt Naß. „Das schwankt täglich.“ Häufiger seien Reparaturen notwendig, etwa nach Zusammenstößen mit Autos.
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Für den Regelbetrieb würde die DVG 38 einsatzbereite Fahrzeuge benötigen, wegen des Dauer-Schienenersatzverkehrs auf der Linie 901 zwischen Laar und Obermarxloh (seit 2015!) nur noch 30. Oft können wegen Ausfällen von Technik und/oder Personal aber weniger als diese 30 eingesetzt werden. „Kurzfristige Ausfälle lassen sich nicht vorhersagen“, verdeutlicht Naß. „Sollte es dann keine Reserven geben, entfallen die Fahrten leider.“
Sechs neue Straßenbahnen einsatzbereit, aber nur drei gleichzeitig im Verkehr
Immerhin: Die DVG setzt seit dem 12. Juli wieder neue Bahnen im Fahrgastbetrieb auf der Linie 903 ein und kann damit zumindest Lücken stopfen. Zuvor war fast zweieinhalb Monate lang keines der Neufahrzeuge (Typ: GT8ND) mehr unterwegs, weil bei zweien ein Defekt am Stromabnehmer festgestellt worden war. Bügel, die die Verbindung zur Fahrleitung herstellen, waren abgerissen (wir berichteten).
Hersteller Alstom hat inzwischen elf der 47 sehnlichst erwarteten Niederflur-Gelenktriebwagen nach Duisburg gebracht: zwei Prototypen und neun Serienfahrzeuge. Laut Sprecherin Kathrin Naß sind „sechs Fahrzeuge einsatzbereit“ (Stand: Dienstag, 25. Juli). Das bedeutet jedoch keineswegs, dass diese sechs zurzeit auch gleichzeitig eingesetzt werden könnten. Unterwegs seien bislang maximal drei zur selben Zeit. Der Grund: „Wir konnten parallel nicht noch mehr Fahrer ausbilden.“
„Extrem viele Probleme mit Baustellen“ verschärfen Personalengpässe
Überhaupt: Personalengpässe erschwerten die Situation. Die DVG sucht weiter Fahrerinnen und Fahrer, hinzu kamen jüngst vermehrt kurzfristige Ausfälle, so Naß: „Unsere Mitarbeiter müssen die vorgeschriebenen Lenk- und Pausenzeiten einhalten.“ Verzögerungen auf der Strecke durch Unfälle und Baustellen führten darum ebenfalls zu unplanmäßigen Personalausfällen. „Wir haben extrem viele Probleme mit Baustellen.“
Die aktuelle Notfall-Strategie der DVG: „Wir lassen, wenn nötig, die Kurzläufer auf der 901 und der 903 ausfallen.“ Kurzläufer, das sind die Fahrten nur auf den vielbefahrenen Abschnitten, die planmäßig nicht bis zu den Endhaltestellen führen. Die Kurzläufer der 903 beispielsweise pendeln zwischen den Haltestellen „Rheintörchenstraße“ (die achte Haltestelle Richtung Norden) und „Watereck“ (die sechste Station Richtung Süden). Wenn diese Fahrten ausfallen, so die DVG-Sprecherin, werde trotz der Ausfälle zumindest weiterhin die gesamte Strecke bedient.
Fahrgäste beklagen immer wieder, über die Ausfälle werde gar nicht oder zu kurzfristig informiert. Naß antwortet dazu: „Wir informieren unsere Fahrgäste, wenn möglich über die Verkehrsmeldungen auf der Internetseite, in der App und an den Fahrgastinformationssystemen an den Haltestellen.“
„Die Situation wird sich definitiv entspannen“
Auf Zeitpläne zur Einführung der neuen Bahnen will sich die DVG öffentlich nicht (mehr) festlegen. Aber: Bis zum Ende des Jahres 2023 wolle Alstom insgesamt 18 Fahrzeuge anliefern.
Und Kathrin Naß sagt: „Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Tagen und Wochen weitere neue Fahrzeuge einsatzbereit sind und weitere geliefert werden. Die Situation wird sich definitiv entspannen.“ Zumindest, sofern nicht wieder Unplanmäßiges dazwischen kommt.
>> Mehrwöchige Hauptuntersuchung steht 2023 noch für sieben alte Straßenbahnen an
- Von den alten Straßenbahnwagen (GT 10 NC-DU) waren 2023 bereits fünf bei der mehrwöchigen Hauptuntersuchung (HU). Diese dürfen wieder acht Jahre verkehren – bis zur nächsten HU.
- Zurzeit seien wegen der HU sechs Bahnen aus dem Verkehr gezogen. Sieben weitere müssen 2023 noch zur HU.
- Beim DVG-Linien-Check unserer Redaktion hatten die Teilnehmer das Gesamtangebot auf den beiden meistgenutzten DVG-Linien wegen der Unzuverlässigkeit mit „mangelhaft“ bewertet.
- Die 901 kam hier auf den Notenschnitt von 4,7 (784 Bewertungen), die 903 auf 4,9 (2018 Bewertungen). Alle Ergebnisse im Überblick finden Sie unter waz.de/dvg