Düsseldorf. . Am Tag nach der Kollision eines Linienbusses mit zwei Zügen auf dem Bahn-Übergang in Düsseldorf-Eller wird das Ausmaß erst deutlich: ein Trümmerfeld, entgleiste Loks, Waggons mit explosiven Gasen, ein zermalmter Linienbus und ein komplett zerstörtes Gartenhaus. Und alle haben überlebt.

Es ist das Wunder von Düsseldorf. Da bleibt ein Linienbus mitten auf dem Bahnübergang Am Hackenbruch in Eller liegen, wird nur wenige Momente später von zwei Güterzügen in Stücke gerissen. Doch alle Insassen können sich vorher noch retten. Die Züge entgleisen - und die Lokführer überleben nahezu unverletzt. Glück in diesem Unglück hat auch ein Bewohner, der sich gerade woanders aufhält, als sein Gartenhäuschen von einer 89 Tonnen schweren Lokomotive dem Erdboden gleich gemacht wird.

Und die Anlieger einer nahe gelegenen Siedlung kommen ebenfalls mit dem Schrecken davon. Keiner der Kesselwagen, in dem sich noch Reste explosiver Gase befinden, explodiert. Düsseldorf hatte in dieser Nacht zum Donnerstag gleich mehrere Schutzengel. Die Stadt ist an einer Katastrophe vorbeigeschlittert.

Güterstrecke mindestens bis Ende des Jahres stillgelegt

Am Tag darauf ist erst das ganze Ausmaß zu sehen: das riesige Trümmerfeld, das quasi enthauptete Führerhaus des Busses, die schwer beschädigten Loks, ein zermalmtes Gebäude, verbogene Gleise, abgerissene Oberleitungen - Zerstörungen auf 500 Meter Länge, Schäden wohl bis zur Millionengrenze. Die Güterstrecke mindestens bis Ende des Jahres stillgelegt. Solange werden die Aufräum- und Reparaturarbeiten dauern. Und trotzdem: Vielen der 150 Einsatzkräften war zwei Stunden nach Auslösung des Großalarms die Erleichterung anzusehen: Die Retter konnten endlich die Wärmebildkamera und die Endoskop-Kamera abschalten, als zweifelsfrei feststand, dass keine Verletzten oder gar Toten unter dem Schutt und den Trümmern lagen.

Nun steht die Frage im Vordergrund, wie es überhaupt zu diesem spektakulären Unfall mit verheerenden Sachschäden kommen konnte. Doch die eiligst einberufene Pressekonferenz der Bundespolizei brachte keine Klarheit. Man stecke mitten in den Ermittlungen, Zeugen und Beteiligte werden noch befragt. Der Bus wurde beschlagnahmt. Doch in diesem Blechknäuel muss man tief stochern, um vielleicht Antworten zu bekommen. Man gehe von einem „technischen Defekt aus“, sagt die stellvertretende Leiterin der Düsseldorfer Bundespolizei, Anja Kleimann. Jetzt versuchen die Ermittler, das Geschehen zu rekonstruieren.

Als die Lokführer den Bus sehen, ist es für eine Notbremsung zu spät

Bisher gibt es nur einen ersten Überblick: Mittwoch, gegen 20.15. Der 51-jährige Busfahrer der Linie 721 biegt auf der Fahrt zum Airport um die Ecke, erreicht den Bahnübergang Am Hackenbruch. Plötzlich streikt der Motor, der Bus bleibt ausgerechnet auf den Gleisen stehen. Der Fahrer versucht zu starten. Einmal, zweimal... Vergeblich.

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In diesem Augenblick gehen die Schranken runter. Aus Duisburg kommt ein Güterzug mit 22 Waggons, darunter Kesselwagen für Propan- und Butangas. Aus Köln nähert sich gleichzeitig ein weiterer Zug mit 33 Waggons, die von zwei Loks gezogen werden.

Auf dieser Strecke darf 80 Stundenkilometer schnell gefahren werden. Als die Lokführer den Bus sehen, ist es für eine Notbremsung zu spät. Der Busfahrer habe zuvor noch versucht, per Funk einen Notruf abzusetzen. Doch die Zeit ist zu knapp. Er muss sich mit seinen drei Fahrgästen in Sicherheit bringen. Die Nachricht hätte wahrscheinlich die Lokführer eh zu spät erreicht. Beim Zusammenstoß entgleisen alle drei Loks sowie vier Waggons.

Busfahrer ist die Linie 721 schon etliche Male gefahren 

Der Busfahrer sieht mit eigenen Augen, wie die Loks seinen Bus zerschreddern. Bilder, die er nie vergessen wird. Er steht unter Schock, auch am Donnerstag noch. Die Ärztin schreibt ihn krank. In diesem Zustand kann er sich nicht wieder ans Steuer setzen. Die Rheinbahn schätzt ihn als „zuverlässigen Kollegen“, der bereits seit 1996 für die Tochter „Rheinbus“ fährt. Die Strecke der Linie 721 ist er schon etliche Male gefahren.

Die Polizei muss sich da ein eigenes Bild machen. Sie wird auch nach nach möglichen Mängeln am Bus fragen. Der zählt zwar schon zur älteren Generation, aber erst im August war die Hauptuntersuchung - und im November der letzte Sicherheitscheck. Insofern auf den ersten Blick alles okay.

Keine automatische Zugbremsung installiert

CDU-Ratsherr Christian Rütz hakt an einer ganz anderen Stelle nach: Es sei verwunderlich, dass an dem Bahnübergang, der gerade erst durch die Deutsche Bahn saniert worden ist, keine automatische Bremsung von Zügen erfolge, wenn dort noch Fahrzeuge stehen. Solche Satelliten gestützten Kameraanlagen, die Alarm auslösen, werden aber nur an vollbeschrankten Übergängen installiert, betont DB-Sprecher Dirk Pohlmann.

Am Hackenbruch sind Halbschranken installiert. Dort kann ein Autofahrer den Gefahrenbereich verlassen, in dem er an den Schranken vorbei fährt. Mit dieser Antwort wird sich Rütz kaum zufrieden geben: Es stelle sich weiter die Frage, ob die Anwohner „ausreichend gegen mögliche Risiken bei Gefahrguttransporten geschützt sind.“