Düsseldorf. . Fortuna holt beim VfB Stuttgart einen wichtigen Punkt. Die 40, 50 Fans im Café-restaurant „4425 Bilk“ haben komische Namen, aber Ahnung vom Fußball und wissen das 0:0 richtig einzuschätzen.

Boris Rogge behauptet, er rauche gern. Das stimmt aber nicht so ganz, denn er muss rauchen. Am vergangenen Samstag lag’s an der Aufregung: Gleich spielt die geliebte Fortuna in Stuttgart. Der Inhaber des Café-Restaurants „4425 Bilk“ qualmt draußen eine Zigarette, bevor es losgeht.

Zum Fortuna-Schauen kommt eine feste Fußball-Crew ins „4425 Bilk“. Immer so 40 bis 50 Mann. Keine, die sich am Tresen über die Hautfarbe von deutschen Nationalspielern auslassen, sondern ein sehr angenehmes, heterogenes Klientel: Musiker, Schreiner, Lehrer, Kfz-Mechaniker, Rentner; mit zum Teil putzigen Spitznamen wie Kroni, Knorpel, Flo oder Fuzzy.

Trainer und DJ

40 bis 50 Fortuna- und Fußball-Fans besuchen Rogges Café, wenn 1895 auswärts antritt.
40 bis 50 Fortuna- und Fußball-Fans besuchen Rogges Café, wenn 1895 auswärts antritt. © Lars Heidrich

Kurz nach dem Anpfiff kommt Phanta dazu, das ist ein stadtbekannter DJ, der gleichzeitig einen Trainer-B-Schein besitzt und seit mehr als zehn Jahren als bezahlter Jugendtrainer in Düsseldorf arbeitet. Phanta führt leidenschaftlich gern fußballfachspezifische Gespräche, weil ihm viele Dinge unter den Nägeln brennen. In Stuttgart ist gerade Verletzungspause, und er schweift etwas ab. „Wenn ich mir den internationalen Top-Fußball der vergangenen zwanzig Jahre anschaue, dann gab es bislang keinen einzigen Rechtsfuß, der auf der linken Abwehrseite spielen musste“, sagt Phanta im Hinblick darauf, dass genau das Philipp Lahm bei Jogi Löw hin und wieder tun muss. Desweiteren führe der Bundestrainer jetzt als Neuerung das Gegenpressing ein – also das sofortige Stören des Gegners bei eigenem Ballverlust. „Das fällt denen echt spät ein“, sagt Phanta, regt sich dabei ernsthaft auf und wirkt alles andere als besserwisserisch.

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Dann sind da noch Dina und Nino. Dina (28) ist Boris Rogges Lebensgefährtin und Chefkellnerin, Nino ist ihr zwei Jahre jüngerer Bruder. Beide sind Fortuna-Fans, lieben aber auch – Achtung – die Bayern! Nino trägt an diesem Tag sogar einen FC-Bayern-Schlüsselanhänger an der Hose. Eigentlich ein offener Affront. Aber erstens sieht’s niemand, weil alle mit dem Geschehen auf den beiden Großbildschirmen beschäftigt sind, zweitens ist Nino der wohl liebenswerteste Bayern-Fan der Welt. Von daher: alles gut.

Liebenswerte Bayern-Fans

Zweite Halbzeit. Fortuna ist immer noch die einzige Bundesliga-Mannschaft ohne Gegentor, und die Stimmung im „4425 Bilk“ wird von Minute zu Minute besser. Was stört, ist der Sky-Reporter, der kein Fortuna-Freund zu sein scheint und Sätze sagt wie: „Den Stuttgartern bleibt in der Nachspielzeit immerhin noch fünf Minuten Zeit, das erlösende 1:0 zu machen.“ Das regt die Jungs und Mädels in der Kneipe auf, sogar Nino schimpft Richtung Bildschirm.

Musik- und Fußballfachmann Phanta schweift nochmal ab: „Überall, in der Kunst, in der Wissenschaft und sonstwo, gibt es seriöse Experten und eine Reihe von Fachliteratur“, sagt er. Beim Fußball herrsche dagegen Dilettantismus ohne Ende. Dass der „Kicker“ Deutschlands führende Fußballfachzeitschrift sei, sage doch wohl alles.

Das Spiel ist aus, Fortuna hat ein 0:0 und einen wichtigen Punkt geholt. Und weil Fuzzy, Knorpel und Co. Ahnung vom Fußball haben, kann man das im „4425 Bilk“auch alles realistisch einschätzen. Inhaber Boris geht draußen eine rauchen. Diesmal aus Erleichterung.