Düsseldorf. Im Düsseldorfer Norden wurden Relikte von vor 13.000 Jahren entdeckt. Was sie beweisen - und warum Experten mit weiteren Funden rechnen.
- Bei Ausgrabungen in Düsseldorf-Angermund sind 850 Feuersteinartefakte gefunden worden
- Die Funde sollen über 13.000 Jahre alt sein
- Forscher gehen davon aus, dass sich im Boden noch weitere Schätze verbergen könnten.
Ein Sensations-Fund im Düsseldorfer Norden: Lange bevor an die Landeshauptstadt überhaupt zu denken war, lebten in der Nähe des heutigen Angermunds schon Menschen. Dabei handelte es sich allerdings um Jäger und Sammler, also um Nomaden. Doch allem Anschein nach wurden die fruchtbaren Auen zwischen Düsseldorf und Duisburg von unseren Vorfahren recht gern besucht. Dafür sprechen zumindest die zahlreichen Funde, die aus dem lehmigen Boden geholt werden konnten.
Federmesser-Fund: Diese Schätze stecken im Boden von Düsseldorf-Angermund
Geborgen wurden rund 850 kleinere Bruchstücke von Feuersteinartefakten. Die Stadt teilt mit, dass die Fragmente auf „vielfältige Tätigkeiten der späteiszeitlichen Jäger und Sammler hinweisen“. Etwa auf die Bearbeitung von Holz, Fellen und Tierhäuten, Knochen und Geweihen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde an den Stellen auch Nahrung zubereitet und verspeist. Außerdem wurden typische Abfallprodukte der Herstellung von Feuersteinwerkzeugen entdeckt. Die Angermunder Steinzeitmenschen könten also durchaus eine beträchtliche Zeitspanne vor Ort verbracht haben oder immer wieder zurückgekehrt sein.
Das Highlight der mehrere Jahre dauernden Ausgrabungen dürften aber die sogenannten Federmesser sein. Dabei handelt es sich nicht etwa um Messer, sondern vielmehr um Pfeilspitzen aus Feuerstein. Der Name verdankt sich dabei der Ähnlichkeit dieser Pfeilspitzen zu modernen Messerklingen zum Anspitzen von Federkielen. Ein solches Bruchstuck war dem ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Thomas van Lohuizen in Angermund aufgefallen. Er benachrichtigte die Stadtarchäologie und so nahm das ganze seinen Lauf.
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Die Ausgrabungen wurde von den Stadtarchäologien Düsseldorf und Duisburg, dem LVR-Amt für Bodendenkmalspflege, dem Archäologen Wolfgang Heuschen und anderen ehrenamtlich Tätigen vorgenommen. Heuschen ist unter Kennern ein veritabler Promi. So war der Erkrather auch verantwortlich für die Ausgrabungen in der Blätterhöhle in Hagen. Dort wurden die Überreste von Menschen von vor über 10.000 Jahren gefunden. Die Artefakte aus Angermund jedoch sind nochmal deutlich älter. Das Ergebnis: Gegen Ende der letzten Eiszeit, also vor rund 13.000 Jahren, wurde Angermund von Menschen aufgesucht.
Funde in Düsseldorf-Angermund nur Spitze des Eisbergs?
Nun allerdings stellt sich die beinahe noch spannendere Frage, ob diese Menschen hier noch mehr hinterlassen haben könnten. Tatsächlich wurden alle Funde an der Oberfläche getätigt. Dass sich allein dort so extrem viel finden ließ, legt den Verdacht nahe, dass sich im Boden noch echte Schätze verbergen könnten.
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Da die letzte Eiszeit mit ihren wandernden Gletschern massive Bodenumwälzungen zur Folge gehabt hat, wäre es durchaus möglich, dass sich noch „ungestörte Erdschichten aus dem Spätpaläolithikum“ – also der sogenannten Altsteinzeit – „im Boden befinden“, so die Stadt. Spekuliert werden könnte auf „weitere Feuersteinartefakte, auf Reste von Feuerstellen, Tierknochen und -zähne“. Solch einen Fund gab es in NRW zuletzt vor 15 Jahren in Wesseling. Womöglich wären es sogar die gleichen Menschen, die dort und in Angermund ihre Spuren hinterlassen haben. Wesseling und Angermund sind nur 75 Kilometer voneinander entfernt, für eine nomadische Kultur keine unüberbrückbare Entfernung.
Unwahrscheinlich wäre ein solcher Sensationsfund auf jeden Fall, gleichwohl wäre er möglich. Die Stadt meldet: „Das Fundareal wurde im Spätsommer 2023 systematisch von einem großen Team abgesucht. Dabei wurden rund 150 Feuersteinfunde aufgelesen, darunter ein weiteres Federmesser. Die Konzentration der Funde in einer etwa 300 Meter langen Zone weist auf mehrere kleine Lagerplätze der späteiszeitlichen Jäger und Sammler hin, von denen sich noch ungestörte Erdschichten im Boden erhalten haben könnten. Hier sollen weitere Geländeuntersuchungen zukünftig ansetzen.“
Was war in Angermund vor 13.000 Jahren los?
Ganz unabhängig davon, haben die Angermunder Steinzeitmenschen in turbulenten Zeiten gelebt. Vor rund 15.000 Jahren, nach dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, war Europa einem heftigen Klimawandel ausgesetzt. Kalt- und Warmphasen wechselten sich in dramatischer zeitlicher Konzentration ab, Flora und Fauna mussten sich immer wieder auf neue Bedingungen einstellen. Eine kurze Warmphase begann vor etwa 13.900 Jahren. Sie wird nach einer berühmten Fundstelle in Dänemark auch Allerød-Interstadial genannt.
Im Allerød-Interstadial breiteten sich Birken- und Kiefernwälder in Mitteleuropa aus. In den ausgedehnten Wäldern lebten Rothirsche, Rehe, Elche und Wildpferde. Das Klima entsprach ungefähr dem des heutigen Mittelschweden. Die sogenannten Federmessen-Gruppen – also jene Menschen, deren Hinterlassenschafften in Angermund und Wesseling gefunden wurden – lebten in kleinen Verbänden, die große Strecken zurücklegen konnten. Sie sind diejenigen, die Pfeil und Bogen erfanden. Außerdem sind sie die ersten Hundehalter im Rheinland. Andererseits scheinen sich wenig wert auf Schmuck und Geschmeide gelegt zu haben – ganz im Gegensatz etwa zur linksrheinischen Magdalénien-Kultur, die ein wenig älter und ein wenig geschmückter war.
Einige Fragen bleiben (noch) offen
Das Allerød-Interstadial fand vor etwa 12.700 Jahren sein Ende. Das Interstadial war die letzte Wärmephase der Eiszeit, danach fiel das Klima rasant ab, die Federmessergruppen verschwanden aus Angermund. Weitere Funde stammen aus der Jungsteinzeit (5300–2150 v. Chr.) und aus der vorrömischen Eisenzeit (800–15 v. Chr.).
Angermund bot sich den Jägern und Sammlern an, weil es in der Nähe von Fließgewässern ein verlässliches und reichhaltiges Nahrungsangebot gab. Welches genau – daran wird noch geforscht. An der Angermunder Fundstelle wurden Bohrungen veranlasst. Die dabei gewonnenen Proben werden derzeit im Labor für Archäobotanik der Uni Köln untersucht. Die Ergebnisse könnten Aufschluss darüber geben, welche Pflanzen im Allerød-Interstadial zwischen Duisburg und Düsseldorf wuchsen. Die Spurensuche ist also noch längst nicht abgeschlossen.
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