Düsseldorf. Viele Fluglinien bieten Fast- oder Priority-Lanes für Kunden an – gegen Aufpreis. Ein Düsseldorfer Jura-Professor übt Kritik daran. Seine Gründe.

Die Kommentare, die der Düsseldorfer Jura-Professor Till Zimmermann mit einem Online-Artikel provoziert hat, sind teilweise heftig. Er solle „zuerst das Hirn einschalten und dann die Tastatur bedienen“, legt ihm ein Leser des Mallorca-Magazins nahe. Ein anderer ätzt: „Das ist so typisch Deutsch, schlimmer geht es nicht.“ Auf der Seite frankfurtflyer.de gibt ein vorgeblicher Jurist an: „Ich empfinde es als ernsthaft besorgniserregend, welche Aufmerksamkeit dieser extremen und linken Mindermeinung zukommt.“ Und ein anderer User notiert: „Klingt für mich mal wieder wie Kommunistenlaberei“.

Doch was hat Zimmermann eigentlich so „polarisierendes“, „aus der Luft gegriffenes“ und „populistisches“ gesagt? Der Professor der Heinrich-Heine-Universität (HHU) hat gemeinsam mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Julian Stolz einen Beitrag im Legal Tribune Online veröffentlicht, in dem er die Praxis der Fast Lanes (oder Priority Lanes) vor der Sicherheitsabfertigung als Korruption bezeichnet.

Fast-Lanes: Was dahintersteckt und wer verantwortlich ist

Viele Airlines bieten Sonderkonditionen für Kunden der Business-Class oder Vielflieger an. Laut Zimmermann und Stolz jedoch ist das Privileg verkürzter Wartezeit vor der Sicherheitsabfertigung aber illegal. Warum?

Die Sicherheitsabfertigung sei eine Aufgabe, die der Staat erfüllen müsse, wie Zimmermann erklärt, also „dem Staat zurechenbar“. Zur Sicherheitsabfertigung gehöre aber auch die Warteschlange vor der Abfertigung. Und weil das so ist, sind die Personen, die für die Warteschlange zuständig sind, als verlängerter Arm des Staates zu verstehen. Mit anderen Worten: Die Flughafenbetreiber, die die Warteschlangen managen, agieren in dieser Hinsicht in Vertretung der Bundespolizei. Wobei es egal ist, ob die Abfertigung von ihr oder einem Subunternehmer erledigt wird. Verantwortlich bleibt die Bundespolizei und damit der Staat. Der aber ist an den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes gebunden. Aus diesem folge hinsichtlich der Sicherheitsabfertigung das Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

+++ Folgen Sie der NRZ Düsseldorf jetzt auch bei Instagram! +++

Aber daraus allein folge noch keine Korruption. Die entstünde aber immer dann, wenn man sich eine „zeitliche Bevorzugung bei einer Verwaltungstätigkeit“ erkauft. Wer etwa einen Zollbeamten „als Gegenleistung für eine vorrangige Abfertigung bezahlt“, besticht ihn. Daraus folgern die Juristen: „Premium-Passagiere per Fast Lane zeitlich vorzuziehen, ist eine solche strafbare Beschleunigungskorruption.“

BGH: „Flughafenbetreiber dürfen bei Passkontrolle niemanden privilegieren“

Beispiel Passkontrolle: Laut Bundesgerichtshof ist es dem Flughafenbetreiber „verwehrt, einzelne Reisende durch ein Vorziehen der Passkontrolle zu privilegieren“. Daraus könnte folgen, dass der Flughafen zwar die räumlichen Bedingungen stellen muss, also dafür sorgt, dass die Warteschlange irgendwo stattfinden kann. Die Bundespolizei aber muss das Wie der Warteschlange managen, auch wenn sie diese Aufgabe abtritt. Und wenn dann jemand innerhalb der Schlange vorgezogen wird und dafür auch noch Geld bezahlt, dann wäre das Bestechung.

Und wer wäre dann der Böse? Die Airlines bezahlen den Flughafenbetreiber dafür, dass ihre Premiumkunden schneller zur Sicherheitsabfertigung gelangen. Die Airlines bestächen in dieser Logik also, die Flughafenbetreiber machten sich hingegen der Bestechlichkeit schuldig. Damit aber nicht genug. Nach Zimmermann und Stolz würden sich sogar die Passagiere strafbar machen, weil sie „mit ihrem systemerhaltenden Beitrag strafbare Beihilfe leisten“.

Was sagt der Flughafen Düsseldorf?

Der Flughafenverband ADV erklärt auf Anfrage: „Reisenden stehen für die Passagier- und Handgepäckkontrollen häufig verschiedene Zugänge zur Verfügung. Beispielweise in Form von Priority Lanes. Prinzipiell stellen die Flughafenbetreiber durch die regelkonforme Passagiersteuerung sicher, dass alle geöffneten Kontrollspuren gleichmäßig ausgelastet werden. Den Vorwurf einer strafbaren Handlung kann der Flughafenverband aktuell nicht nachvollziehen.“

Und nach Ansicht des Düsseldorfer Airports gilt: „Am Flughafen Düsseldorf sind Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen für Passagiere kein Thema“. Denn: „Selbst in den verkehrsreichsten Ferienzeiten können 90 Prozent der Passagiere in weniger als zehn Minuten die Sicherheitskontrollen passieren“.

Flughafen DUS: „Wir verdienen an den Lanes kein Geld“

Überhaupt sei der Flughafen Düsseldorf hinsichtlich des Zugangs streng demokratisch: „Passagiere können grundsätzlich jede Sicherheitskontrolle nutzen.“ Ferner könne „ausnahmslos jeder Passagier am Flughafen ein festes Zeitfenster für die Sicherheitskontrolle buchen.“ Dieser Service sei kostenlos. Zwar gebe es an den Flugsteigen A und B auch Priority Lanes, der Flughafen aber verdiene an diesen kein Geld. Man stelle die Priority Lanes lediglich den Airlines zur Verfügung, die ihren Passagieren diesen Service anböten. Die Priority Lanes würden im Übrigen auch dazu genutzt, „Familien mit Kindern oder Personen mit eingeschränkter Mobilität durch die Kontrolle zu führen“.

Was sagen die Airlines?

Eine Anfrage an die Bundespolizei vom 8. April blieb bisher (21. April) unbeantwortet. Der für die Airlines zuständige Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) aber erklärt: Man teile die Ansicht Prof. Zimmermanns nicht und auch die „Rechtssprechung und Rechtsliteratur“ täten das „soweit ersichtlich“ nicht. Zumal die Fluggesellschaften den Flughafenbetreibern „für den Zugang zur Fast Lane in der Regel kein separates Entgelt entrichten“.

Wobei es „im Einzelfall“ aber eben doch zu einer „Abgeltung des Zugangs über ein privatrechtliches Flughafenentgelt“ kommen kann. Das sei aber völlig rechtens und damit nicht als Korruption zu verstehen. Fast Lanes seien „kein unerlaubtes und erst recht kein strafbares Verhalten.“

Zimmermann hingegen lässt sich davon nicht überzeugen: „Die Stellungnahme bestätigt ja, dass sich zumindest einige Flughäfen von den Airlines für die Erlaubnis zur Fast Lane-Nutzung für ihre Passagiere bezahlen lassen.“ Der BDL verweist außerdem auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, in dem festgestellt worden war, dass ein Entgelt für die Nutzung der Fast Lanes genehmigungspflichtig sei. Zimmermann kontert: „Das Urteil sagt allerdings nichts dazu, ob eine solche Genehmigung erteilt werden dürfte. Ich meine, dass eine solche Erlaubnis nicht rechtmäßig erteilt werden kann.“

Zimmermann bleibt bei seinem Punkt: „Es gibt bei Korruption oftmals Reaktionen, die dahingehend lauten: ‚Das haben wir doch schon immer so gemacht, das kann doch keine Korruption sein‘“. Das überzeuge aber nicht. Im Falle der Fast Lanes fehle es an einer klaren gesetzlichen Regelung. Offenbar aber auch „am politischen Willen, dies zu ändern“. Der Vorwurf, es handele sich bei Zimmermanns Kritik um Kommunismus, sei „natürlich völlig überzogen“. Doch er bleibt dabei: „Fast Lanes sind ein Gerechtigkeitsproblem“.

Lesen Sie auch diese Nachrichten aus Düsseldorf