Düsseldorf. Sechs Millionen haben Eugene Boateng als Kommissar im Flensburg-Krimi gesehen. Jetzt läuft der zweite Teil. Warum er seinen Eltern dankbar ist.
Wow! Das kommt nicht oft vor, dass sich ein Gesprächspartner im fast 600 Kilometer entfernten Berlin dermaßen über ein Interview mit der NRZ in Düsseldorf freut. „Woohoooooo“ jubelt Eugene Boateng. „Düsseldorf, Düsseldorf“, ruft er ins Telefon. Das klingt kein bisschen aufgesetzt, sondern nach einer ehrlichen Emotion, die spontan aus ihm herausplatzt. Der Schauspieler, Tänzer und Choreograf hat eine besondere Beziehung zu Düsseldorf. Er ist auf der Kiefernstraße aufgewachsen. Neben der Kö die einzige Straße, die sich über die Grenzen der Stadt hinaus einen Namen gemacht hat – mit ihrer Hausbesetzer-Szene. „Die Kiefernstraße ist tief in meinem Herzen“, sagt der 38-Jährige am anderen Ende der Leitung. „Überall, wo ich hingehe, ist sie dabei.“
Sechs Millionen Zuschauer haben Eugene Boateng 2021 bei seiner Premiere als Kommissar Antoine Haller im Flensburg-Krimi gesehen. Zuvor hatte er die Hauptrolle im Kinofilm „Borga“ so beeindruckend gespielt, dass er dafür unter anderem mit dem Deutschen Schauspielpreis ausgezeichnet wurde. Am Donnerstag, 22. Februar, läuft um 20.15 Uhr der zweite Flensburg-Krimi „Wechselspiele“ mit ihm im Ersten; der dritte ist in Planung.
Auf eine Zukunft wie diese hat er als Jugendlicher in seinem Kiez auf der Kiefernstraße hingearbeitet. „Eugene ist ein Träumer“, haben die anderen gesagt. In dem Viertel, in dem er lebte, war man „ganz unten“. Das hat ihn angespornt. „Ich wollte bei allem der Beste sein.“ Er fühlte die Talente, die in ihm schlummerten.
Der Flensburg-Krimi „Wechselspiele“
Am Donnerstag, 22. Februar, ermittelt Eugene Boateng ab 20.15 Uhr im Ersten. Im zweiten Teil des Flensburg-Krimis, so viel verrät der Schauspieler vorab, wird mehr Privates seiner Figur Antoine Haller gezeigt.
Der kleine Bruder des lässigen, aber auch sehr ehrgeizigen Kommissars mit ghanaischen Wurzeln taucht auf. Er ist Tänzer und möchte den Traum leben, den Antoine Haller für seine Karriere bei der Polizei aufgegeben hat.
Es wird diesmal also auch ein bisschen biographisch, denn Eugene Boateng bringt seinen Familiensinn und das Tanztalent in die Krimiserie.
Mit 19 schleppte er eine Schranktür mit Spiegel vom Sperrmüll auf den Dachboden des Hauses an der Kiefernstraße 3 und legte ein Kabel für den Ghettoblaster durchs Treppenhaus, um dort oben ganz allein das Tanzen zu trainieren. Jeden Tag, vier Stunden mindestens. Zwei Jahre später gewann er den Talent-Wettbewerb „Dance Star“ des TV-Senders Viva, trat danach in Musikvideos auf und war auf einer Tour von Beyoncé als Tänzer dabei.
Die Lebensgeschichte von Eugene Boateng klingt, als würde er die Hauptrolle in seinem eigenen Film spielen. Die Eltern kamen aus Ghana nach Deutschland. Eugene wird am 20. März 1985 in Düsseldorf geboren, er wächst mit sieben Geschwistern auf. In der Zweizimmerwohnung auf der Kiefernstraße, wo er im Gemenge vieler Nationen groß wird, muss die Familie eng zusammenrücken. Mit seiner Zwillingsschwester Eugenia teilt er das Bett bis er 19 ist.
„Ich bin so unfassbar dankbar für die Art und Weise, wie ich aufgewachsen bin“, sagt er heute. Die Kiefernstraße war sein Dorf. Ein Viertel, in das Kinder aus seiner Schule nicht gehen durften, weil es als gefährlich galt. Erst im Nachhinein ist ihm bewusst geworden, wie sehr ihn all das geprägt hat und dass er durch seine Herkunft zu dem geworden ist, was er heute ist. „Ich musste mich immer mehr anstrengen als andere, um gesehen zu werden.“ Sein Vater, der Soldat war, hat ihm „Disziplin und Respekt“ als Tugenden beigebracht. Seine Mutter hielt die Familie mit ihrer Liebe zusammen. Sie starb, als er zwölf war. Ihr Tod schlug eine tiefe Kerbe in sein Herz. Eine Wunde, die erst viele Jahre später zu heilen begann.
Sie hat seine Karriere nicht mehr miterleben dürfen. So stolz wäre die Mama gewesen, dass ihr Eugene im Fernsehen eine Lanze für all die Menschen bricht, die in dem Land, in dem sie leben, noch immer für ihre Integration kämpfen. „Mir ist bewusst, dass ich etwas darstelle, was in Deutschland noch nicht alltäglich ist“, sagt der 38-Jährige über seine Rolle als schwarzer Kommissar im Flensburg-Krimi. „Daran sind die meisten Augen nicht gewöhnt.“ Als „Ritterschlag und Ehre“ empfindet er diesen Job, der für ihn auch Pionierarbeit ist. „Ich reiße Türen auf, damit sich die Köpfe der Menschen öffnen.“
Die Liebe zum Schauspiel hat Eugene Boateng in Flingern im Kulturverein „Kabawil“ entdeckt, der 2016 mit dem Düsseldorfer Integrationspreis ausgezeichnet wurde. Als junger Tänzer machte er bei einem Projekt des Vereins mit dem Ensemble des Jungen Schauspiels mit. Als er hinter der Bühne auf seinen Auftritt wartete und durch ein Loch im Vorhang den Schauspieler Bastian Sierich beobachtete, passierte es: „Ich habe ihn spielen sehen und gedacht: Das ist es! Genau das will ich machen.“
Dass dieser Wunsch wahr geworden ist, macht ihn demütig und dankbar: „Gott hat mich nie aufgegeben.“ Der Glaube hat Eugene Boateng durch die schwierigen Zeiten seines Lebens getragen. Und er hilft ihm immer noch in Momenten des Zweifelns: „Eigentlich habe ich ständig Angst zu versagen.“ Darüber spricht er sehr offen. „Das ist für mich wirklich schlimm.“ Zwei Herzen schlagen in seiner Brust. Der Deutsche in ihm will alles akkurat und richtig machen, hat Angst vor Fehlern. Aber dann meldet sich der Ghanaer zu Wort und sagt: „Hey Mann, entspann dich. Es gibt kein richtig oder falsch. Gib einfach dein Bestes.“