Düsseldorf. Der Düsseldorfer Mieterverein setzt sich für Mieter ein. Zum 125-jährigen Jubiläum will er digitaler werden - und noch mehr Hilfe anbieten.
„Düsseldorf ist eine klassische Mieterstadt“, erklärt Hans-Jochem Witzke, Vorsitzender des Düsseldorfer Mietervereins. Rund 80 Prozent der Haushalte in der Landeshauptstadt wohnen zur Miete, berichtet er. Gleichzeitig ist auf dem hiesigen Wohnungsmarkt bezahlbarer Wohnraum Mangelware. Für viele Mieterinnen und Mieter bedeutet das teils große Schwierigkeiten. Unterstützung können sie im Düsseldorfer Mieterverein bekommen – seit fast genau 125 Jahren. Denn im Jahr 1899 gründete sich der Verein.
Seitdem hat sich viel verändert, doch manche Probleme sind geblieben, erklären Witzke und seine Kollegen. Der Verein blickt zurück – und will sich mit neuen digitalen Angeboten für die Zukunft stark aufstellen.
1899 wie 2024: In Düsseldorf fehlt Wohnraum
Zum Jubiläum gibt der Mieterverein ein sehr kompaktes Buch heraus: Beiträge von verschiedenen Autoren zu aktuellen Themen der Wohnungspolitik werden ergänzt durch reich bebilderte Artikel zur Vereinsgeschichte. Auch die aktuellste Mietrichtwert-Tabelle und Einblicke in den Verein sind abgedruckt. Das Buch gibt es in der Geschäftsstelle des Mietervereins an der Oststraße 47 in der Düsseldorfer Innenstadt oder digital auf der Seite des Vereins zu bekommen.
Auch 1899, im Jahr der Vereinsgründung, herrschte in Düsseldorf Wohnungsknappheit. Viele Menschen kamen damals nach Düsseldorf, um in der Industrie zu arbeiten. Die Bedingungen, die sie in Wohnhäusern vorfanden, waren desolat, erklärt Witzke: Viele lebten in nassen, zu kleinen Wohnungen, die sie sich oft mit anderen Arbeitern teilten. Wohnungsbauten wurden gleichzeitig unverhohlen als Spekulationsobjekt angepriesen, sagt er. Mieter seien den Vermietern geradezu „ausgeliefert“ gewesen, so Witzke. „Damals gab es noch gar keinen Mieterschutz“, fügt Dieter Schneider-Bichel hinzu, der die Redaktion des Jubiläums-Buchs innehatte. „Es brauchte etwa keinen Grund für eine Kündigung.“ Im Bürgerlichen Gesetzbuch, das 1900, im Jahr nach der Vereinsgründung in Kraft trat, habe es dann erstmals auch eine grundsätzliche Regelung für den Mieterschutz gegeben.
Düsseldorfs mitgliederstärkster Verein
Zu seiner Gründung am 16. Januar 1899 hatte der Mieterverein 425 Mitglieder, zum Ende desselben Jahres schon 2000. Zu seinem 125-jährigen Jubiläum liegt der Verein mittlerweile bei rund 34.000 Mitgliedern, die verstreut im ganzen Stadtgebiet und im Umland wohnen. Damit ist er der mitgliederstärkste Verein in der Landeshauptstadt, sogar noch vor der Fortuna, betont Witzke stolz. Da nicht alle in einem Haushalt Mitglied sein müssen, um die Vereinsangebote in Anspruch zu nehmen, entspreche dies auch ungefähr 34.000 Haushalten.
Viele von ihnen nutzen die Service-Dienstleistungen, die der Verein seinen Mitgliedern unentgeltlich anbietet: 23.000 Rechtsberatungen gaben die Juristen des Mietervereins exemplarisch im Jahr 2022, erklärt Geschäftsführer Claus Nesemann. Dazu kamen 20.000 telefonische Auskünfte, die ohne Termin möglich sind. „Da sind auch Leute dabei gewesen, mit denen man zehn Gespräche hatte“, erklärt Nesemann. „Es gibt auch Mitglieder, die das nicht nutzen, aber trotzdem Mitglied bleiben“, fügt Witzke hinzu.
Wer in den Verein neu eintritt, zahlt aktuell einen Jahresbeitrag von 84 Euro. .„Wir funktionieren nach dem Solidaritätsprinzip.“ Auch Betriebskostenabrechnungen überprüfen die Experten des Vereins. „Jede zweite, die wir überprüfen, ist falsch“, so der Vereinsvorsitzende. In Streitfällen kann der Mieterverein auch die Kommunikation mit dem Vermieter übernehmen. Die Vereinsvertreter sehen sich dabei auch als Streitschlichter: „Kaum zwei Prozent aller Fälle landen vor Gericht“, berichtet Nesemann.
Neue digitale Angebote sind in der Mache
Es gebe aber auch Dinge, die sich seit 1899 nicht geändert haben, erläutert Hans-Jochem Witzke: „Es gibt immer noch viele Vermieter, die versuchen, das Maximum an Miete rauszubekommen.“ Witzke erinnert sich noch an eine Zeit, in der der Wohnungsmarkt ausgeglichen war, sagt er. Doch in den vergangenen Jahren habe die Knappheit an Wohnungen nur noch zugenommen. „Man hat von Seiten der Stadt jahrelang den Wohnungsbau vernachlässigt“, urteilt er. Eine Miete zu zahlen, die nicht mehr als ein Drittel des Einkommens beträgt, ist gerade für viele Geringverdiener aktuell quasi „unmöglich“, urteilt Witzke. Dennoch, das möchte er auch betonen, gebe es auch viele Vermieter, die versuchen, mit ihren Mietern fair umzugehen.
Der Mieterverein wappnet nun sich für die Zukunft: „Wir sind dabei, uns zu digitalisieren“, kündigt Geschäftsführer Nesemann an. So wird der Verein in diesem Jahr auf digitale Akten umstellen. Zusammen mit anderen Mietervereinen soll auch ein autonom funktionierendes Online-Terminsystem für Sprechstunden verfügbar gemacht werden. Gleichzeitig soll der Verein auf Social-Media präsenter werden. Und, ganz neu: Ein Online-Tool, mit dem Düsseldorfer ab Februar überprüfen können, ob ihre Miete gegen die Mietpreisbremse verstößt. Die zugrunde liegende Mietrichtwerttabelle erstellt der Mieterverein zusammen mit Haus und Grund, eine Interessengemeinschaft von Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümern. Dieser Mietspiegel, der Bestandsmieten berücksichtigt und der einzig rechtlich gültige ist, wird das nächste Mal im März 2024 erscheinen. Witzke und seine Kollegen sind zuversichtlich, auch in Zukunft noch viele Mitglieder zu gewinnen und zu unterstützen. Für die Zukunft wünscht sich Witzke: „Die Leute sollen sich nicht so viel gefallen lassen!“