Düsseldorf. Umweltschützer wollen die Schaffung von Überflutungsflächen vor Gericht durchsetzen. Deich soll weiter landeinwärts neu gebaut werden.

Umweltschützer vom BUND ziehen gegen die geplante Sanierung des Rheindeichs im Düsseldorfer Stadtteil Himmelgeist vor Gericht. Man habe Klage beim Oberverwaltungsgericht in Münster eingereicht, teilte der Landesverband an diesem Mittwoch (29. Juli 2020) mit. Die Umweltschützer wollen, dass der Deich stattdessen weiter landeinwärts neu gebaut wird und bei Flut wichtige Überschwemmungsgebiete entstehen. Zudem sorgt sich der BUND um die Wildbienen vor Ort.

Insgesamt 79 verschiedene Wildbienen-Arten sind laut einem Gutachten auf dem 1900 Meter langen, bisherigen Deichabschnitt vertreten - darunter 12, die auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen. "Für so einen stadtnahen Bereich ist das echt eine Menge", erklärte Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND Nordrhein-Westfalen, gegenüber der Redaktion. "Würde der bestehende Damm abgetragen und neu aufgeschichtet, wären die Populationen der dort siedelnden Arten ausgelöscht", warnt Michael Süßer von der BUND-Kreisgruppe Düsseldorf.

Land NRW hatte Rückverlegung vorgesehen

Konkret wendet sich die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung von Ende Mai. Die Stadt Düsseldorf hatte sich aus Kostengründen für eine Sanierung des Deiches auf bestehender Trasse entschieden - und das, obwohl das Land NRW ursprünglich eine Rückverlegung nebst Überschwemmungsraum vorgesehen hatte. Auch wenn es Politik und Verwaltung jedenfalls bislang verneinen: "Wir haben den finsteren Verdacht, dass die Sanierung durchgezogen werden soll, um eventuelle spätere Baulandflächen zu erschließen", argwöhnte Jansen. Allerdings gab es zuletzt Signale für ein Umdenken im Stadtrat, aus BUND-Sicht müssen nun Taten folgen.

Die Klage hat bis zu ihrer Entscheidung keine aufschiebende Wirkung, einstweilen kann weiter geplant werden. Juristisch rechnen sich die Umweltschützer aber Chancen aus, gerade mit Blick auf das Wasserrecht. Wasserhaushaltsgesetz wie auch EU-Wasserrahmenrichtlinie drängen bei solchen Projekten auf Verbesserungen ("Verbesserungsgebot"). Die Schaffung von Überflutungsräumen durch eine Deichrückverlegung gilt als segensreich - sowohl für die Ökologie wie auch mit Blick auf eine Entschärfung von Hochwasser weiter flussabwärts.

"Eine einmalige Chance für großflächige Auenlandschaft"

In der Sanierung des Deiches auf bestehender Trasse hingegen sieht der BUND einen Verstoß gegen eben jenes "Verbesserungsgebot". Die Umweltschützer kritisieren, dass die Bezirksregierung gar nicht geprüft habe, ob ein Verzicht auf die Rückverlegung die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie gefährdet. „Das Land NRW ist mit den Maßnahmen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie viele Jahre im Verzug", mahnte BUND-Landeschef Holger Sticht. Die "einmalige Chance" zur Schaffung von großen Auenflächen in Himmelgeist zur ökologischen Verbesserung des Ökosystems Rhein dürfe nicht vertan werden.

Gerade im Düsseldorfer Umland gibt es herausragende Beispiele für solche Auenlandschaften und rheinferne Deiche - etwa in der Urdenbacher Kämpe. Für die Bürgerschaft könne in Himmelgeist ein attraktives Naherholungsgebiet entstehen. Mit einer Rückverlegung des Deiches ließen sich gleich mehrere Ziele auf einmal erreichen, meint Michael Süßer von der BUND-Kreisgruppe.

Bedrohte Heuschreckenart entdeckt

Den Verlust des landesweit bedeutsamen Wildbienen-Vorkommens wollen die Umweltschützer nicht hinnehmen. Sie hoffen, dabei auch Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) auf ihrer Seite zu haben. Immerhin zählt seine Partei in NRW zu den Unterstützern der "Volksinitiative Artenvielfalt", die der BUND und andere Umweltverbände in der vergangenen Woche gestartet hatten.

Bei dem geforderten Deichneubau im Hinterland soll der bestehende Deich als Bauwerk erhalten bleiben und nur an zwei Stellen aufgebrochen werden. Mit seinem Trockenrasen sei der bisherige Hochwasserschutz ein wichtiger Lebensraum auch für andere Lebewesen, sagen die Umweltschützer. Bei einem Ortstemin in Himmelgeist an diesem Dienstag stießen BUND-Vertreter jetzt zum Beispiel auf die "blauflügelige Ödlandschrecke" - eine bedrohte Heuschreckenart, die in diversen NRW-Naturgroßräumen entweder stark gefährdet ist oder bereits verschollen. "Der Bereich dort schreit geradezu nach einer ökologischen Weiterentwicklung", ist BUND-Geschäftsleiter Dirk Jansen überzeugt.