An Rhein und Ruhr. Die drei großen Umweltverbände BUND, NABU und LNU wollen die Landesregierung unter Druck setzen. In Bayern gelang ein ähnliches Projekt.

Drei große Umweltverbände starten jetzt auch in Nordrhein-Westfalen eine Volksinitiative, die sich für den Erhalt der Artenvielfalt einsetzt. Ein ähnliches Volksbegehren im Bayern unter dem Titel „Rettet die Bienen!“ hatte ab Februar 2019 rund 1,8 Millionen Unterschriften gesammelt. Vor einem Jahr hatte sich die CSU-geführte Landesregierung unter Markus Söder zu einer bemerkenswerten Politikänderung bewogen gefühlt und das in der Initiative formulierte Gesetz in Kraft gesetzt – ein Jahr danach bemängeln die Initiativen jedoch die Umsetzung.

In NRW geht man einen etwas anderen Weg: Hier sind es Forderungen, kein Gesetz. MIt acht solchen Forderungen rufen der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und der Naturschutzbund (NABU) gemeinsam unter dem Slogan „Insekten retten – Artenschwund stoppen“ alle Bürgerinnen und Bürger NRWs dazu auf, sich mit ihrer Unterschrift dafür einzusetzen. Damit sich der Landtag mit der Initiative befassen muss, sind mindestens 66.000 Unterschriften nötig (0,5 % der Stimmberechtigten im Land), die innerhalb eines Jahres zusammenkommen müssen.

„Mal sehen, ob wir bei 500.000 Unterschriften Schluss machen...“

BUND-Vorsitzender Volker Sticht legte die Messlatte am Donnerstag vor dem Landtag allerdings deutlich höher. „Wir werden dann mal sehen, ob wir bei 500.000 Unterschriften schlussmachen oder sagen: die Million machen wir auch noch voll.“ Bei der Auftaktpressekonferenz übten er und seine Mitstreiter massive Kritik an der Landesregierung. Diese habe unter anderem das Land für den Flächenfraß freigegeben: „Der Verbrauch von maximal fünf Hektar pro Tag ist aus dem Landesentwicklungsplan gestrichen worden“, so Heike Naderer, Vorsitzende des NABU NRW.

Insektenretter und Naturschützer starteten am Donnerstag  vor dem Landtag ihre Unterschriftensammlung.
Insektenretter und Naturschützer starteten am Donnerstag vor dem Landtag ihre Unterschriftensammlung. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Ziel der Volksinitiative ist es, den Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach dem Schutz der biologischen Vielfalt zu dokumentieren und das Land so zu mehr Natur- und Artenschutz zu bewegen, heißt es in einer in Düsseldorf verbreiteten Erklärung. Nach Auffassung der drei Verbände zeigt die NRW-Landesregierung trotz des dramatischen Rückgangs vieler Insekten-, Vogel- und Pflanzenarten „keinerlei Ansätze für eine konsequente Naturschutzpolitik“.

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Auch in den meisten Kommunen sei der Schutz von Natur und Umwelt nicht handlungsleitend.

Eigentlich wollten die drei Umweltverbände BUND, LNU und NABU die „Volksinitiative Artenvielfalt“ schon Anfang April starten, mussten dies jedoch coronabedingt verschieben. Nicht so schlimm, hieß es gestern in Düsseldorf, so werde man auch den Kommunalwahlkampf nutzen können, um auf die Belange der Umwelt aufmerksam zu machen.

Denn Umweltschutz beginne vor Ort. „Dazu gehört beispielsweise, dass Schottergärten in den Bauordnungen verboten werden“, so LNU-Chef Mark vom Hofe. Denn grundsätzlich gelte: Nicht bebaute Fläche müssten begrünt werden. In Gestaltungssatzungen könnten Kommunen auch vorschreiben, dass statt Plastikzäunen Hecken gepflanzt werden müssen.

Doch noch schwerer wiegen Versäumnisse auf Landesebene, so die Verbände: Die Regierung zeige „keinerlei Ansätze für Naturschutzpolitik“. So betonte NRW-NABU-Chefin Heide Naderer: „Es ist nach wie vor möglich, auch in Naturschutzgebieten Pestizide auszubringen.“ Das müsse aufhören. Im Gegenteil: die Naturschutzgebiete bräuchten eine umgebende Schutzzone, um für die Artenvielfalt wirksam zu werden.

Die drei großen nordrhein-westfälischen Naturschutzverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und der Naturschutzbund (NABU) rufen  dazu auf, mit ihrer Unterschrift ein deutliches Signal zum Erhalt der Artenvielfalt zu setzen.
Die drei großen nordrhein-westfälischen Naturschutzverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und der Naturschutzbund (NABU) rufen dazu auf, mit ihrer Unterschrift ein deutliches Signal zum Erhalt der Artenvielfalt zu setzen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Eine besondere Rolle komme der Landwirtschaft zu. Die Vorfälle bei Tönnies hätten vor Augen geführt, dass diese Form des Agrobusiness eigentlich nichts mehr mit Landwirtschaft im Wortsinne zu tun habe: „Da geht es um Tierproduktion im industriellen Maßstab“, so Volker Sticht vom BUND – zu Lasten von Tier, Umwelt und Mensch.

Zu den Forderungen der drei Verbünde gehört zudem ein wirksamerer Schutz von Gewässern und Auen, ein Stopp der Lichtverschmutzung in Städten und die Ausweisung von mehr Waldflächen ohne Nutzung. Ganz konkret fordern die Verbände die Ausweisung eines Nationalparks Senne.

Landesregierung zeige „keinerlei Ansätze für Naturschutzpolitik“

Selbst das NRW-Umweltministerium räumte in seiner Stellungnahme zu dem Volksbegehren ein: „Zusammen mit dem Klimawandel stellt der Verlust der biologischen Vielfalt die gegenwärtig größte ökologische Bedrohung dar. Vor allem der Schwund der Insekten muss genau in den Blick genommen werden.“ Dazu habe man eine Langzeitstudie beauftragt.

Was die Stilllegung der Staatswaldfläche für Naturschutzzwecke betrifft, steht Nordrhein-Westfalen nach Auffassung von Umweltministerin Ursula Heinen-Esser „bundesweit sehr gut da“. Alleine im Jahr 2020 stünden über 57 Millionen Euro zur Unterstützung der Forst- und Holzwirtschaft in NRW bereit, um die Waldzukunft nachhaltig zu gestalten. Unfug, meint BUND-Vorsitzender Sticht: „Alles, was dem Land einfällt, ist die Wiederaufforstung mit den gleichen Beständen. So rennen die Waldbauern erneut in die Sackgasse.“

Unterschreiben kann die Volksinitiative, wer zur Landtagswahl berechtigt ist. Es gibt keine Online-Petition, gültig sind nur manuelle Unterschriften auf dem offiziellen Unterschriftenbogen. Auf der Homepage www.artenvielfalt-nrw.de kann man, neben den Zielen und weiteren Infos, (bald) sehen, wann und wo gesammelt wird, man kann sich Unterschriftenlisten herunterladen, sie ausfüllen und den Verbänden zurücksenden