Dinslaken. In einem Dinslakener Seniorenheim pflegen Bewohner einen eigenen Gemüsegarten und kümmern sich um Hasen und Hühner. Was hinter der Idee steckt.
Wilma, Marta, Lissi und Lotti scharren und picken zufrieden in ihrem Gehege, das sich im Garten des Wilhelm-Lantermann-Hauses befindet. Seit zwei Jahren ist das Seniorenzentrum an der Voerder Straße das Zuhause der vier Hühner. Ihnen gegenüber wohnen die beiden Hasen Möhre und Hugo. Die Tiere sind Teil des Projektes „Unsere kleine Farm“ - und längst zu festen Mitbewohnern geworden. Vor zwei Jahren hat sich das Awo-Seniorenzentrum für das tier- und naturgestützte Präventionsprojekt „Unsere kleine Farm“ beworben. Aus einer Din A4-Seite ist ein 56 Seiten langer Projektantrag entstanden, erinnert sich Einrichtungsleiterin Anna Ginz.
Was nach zwei Jahren daraus entstanden ist, hätten sie und Projektkoordinatorin Antje Schwarz nicht gedacht. Der Farmergarten ist eine kleine Oase, die zum Verweilen einlädt. Von dem Ergebnis überzeugten sich auch Bürgermeisterin Michaela Eislöffel und Sozialdezernentin Dr. Tagrid Yousef sowie Vertreter des Verbandes der Ersatzkassen - der das Projekt gefördert hat - und Vertreter der Awo-Seniorendienste Niederrhein, denn das Projekt soll nun auf andere Bereiche erweitert werden.
Für das Projekt wurde der Garten des Wilhelm-Lantermann-Hauses in Dinslaken umgebaut
Schon vor dem Start des Projektes hat das Wilhelm-Lantermann-Haus für ein paar Wochen Hühner mit Stall, Futter und allem drum und dran zur Pflege ausgeliehen und gute Erfahrungen gemacht - und sich daher für das Projekt beworben. Dafür wurde der Garten hinter dem Haus umgebaut. Die beiden großzügigen Tiergehege liegen eingebettet zwischen mehreren kleinen Sitzplätzen, Wiese und Beeten. Die werden von den Bewohnern bepflanzt, das geerntete Gemüse wird gemeinsam in der angrenzenden Farmerküche verarbeitet. Das Schnibbeln schult die Feinmotorik, wie Antje Schwarz verrät. Das ist aber nicht der einzige positive Effekt.
Die Tiere seien ein Türöffner und der Garten aktiviere die Bewohner, zählt die Projektkoordinatorin weitere Vorteile auf. Im ersten Jahr seien zwei Bewohner jeden Abend zum Gießen in den Garten gekommen, andere kommen regelmäßig, um zu sehen, wie es den Hühnern geht. In einem Beet wird Rhabarber angepflanzt, weil eine Bewohnerin ein Rezept für Rhabarberkuchen hat. Momentan werden Kartoffeln vorgezogen. Die Freude auf Kartoffeln mit Kräuterquark sei groß, erzählt Antje Schwarz. Der Sohn eines Bewohners hat die Rosen seines Vaters in den Garten gepflanzt, nun kümmert dieser sich wieder um seine „Queen Elizabeth“. Ein Trimm-dich-Pfad mit Übungen ergänzt das Angebot des Farmergartens, der auch neue Gesprächsthemen bietet und Erinnerungen an früher weckt.
Dinslakener Bürgermeisterin: „Unsere kleine Farm“ ist ein „unterstützenswertes Projekt“
Darin sieht auch die Bürgermeisterin einen positiven Effekt. Die Menschen könnten aktiviert werden und biografisch an früher andocken, wenn sie früher selbst Hühner hatten oder im Garten Gemüse angebaut wurde. Dass sich die Bewohner im Farmergarten einbringen können, hält Michaela Eislöffel, die gerade Huhn Lotti auf dem Arm hält, für ein „unterstützenswertes Projekt“. Das läuft nun bald nach zwei Jahren aus, eine Verlängerung ist nicht möglich, aber eine Erweiterung. Die soll in den Kontext Klimagesundheit eingebettet werden, wie Ringo Schoepke, Referent für Projektmanagement Gesundheitsförderung und Prävention beim Verband der Ersatzkassen, verrät. Die Idee: Die Gärten der Pflegeeinrichtungen sollen sich für die Nachbarschaft öffnen, damit erlebbar wird, wie Tiere und Natur auf die Gesundheit wirken. Die Erkenntnisse des Projektes werden zudem wissenschaftlich ausgewertet, wie Nina Lauterbach-Dannenberg vom Kuratorium Deutsche Altershilfe erklärt, um die Weiterentwicklung zu unterstützen. Das Projekt „Unsere kleine Farm“ hält sie für eine „richtig schöne Idee“.
Es ist vor allem eine Idee, die bleibt. Und Zukunftspläne gibt es auch schon. Demnächst erhalten Wilma, Marta, Lissi und Lotti ein neues Hühnerhaus und das Gehege wird erweitert. Auch die Aktivitäten werden fortgeführt, da sie sich gut in den Alltag integrieren lassen. „Dann findet die Klönrunde auch mal im Garten statt“, so Antje Schwarz, der auch nach zwei Jahren immer noch das Herz aufgeht - und das spürt man im Farmergarten auch. Damals hatte sie gerade eine Weiterbildung zu tiergestützter Arbeit absolviert und überlegt, was sie damit am besten machen könnte. „Unsere kleine Farm“ sei da wie ein Sechser im Lotto gewesen. Viele Sinne würden durch das Streicheln der Tiere oder auch die Gerüche angeregt, hat Antje Schwarz beobachtet, „wenn man mit den Bewohnern hier sitzt, kommen gleich Gespräche.“ Der Farmergarten mit seinen tierischen Bewohnern ist somit auch für die Bewohner des Wilhelm-Lantermann-Hauses ein Gewinn.