Voerde. Neben mobilen Toiletten gibt es jetzt auch eine Duschmöglichkeit für die Anwohner des überlasteten Abwasserkanals. Was zur Ursache bekannt ist.
Mit dem Schachthaken öffnet der Mitarbeiter des Voerder Baubetriebshofs den Gullydeckel an der Dinslakener Straße, führt den Schlauch in das metertiefe Loch ein und pumpt das Schmutzwasser in den Tankanhänger. „Eigentlich sind das Wassertanks, mit denen wir Bäume und Grünflächen bewässern“, erzählt er. Seit Silvester werden die Tanks allerdings zweckentfremdet, um den Schmutzwasserkanal in Möllen zu entlasten. Durch die anhaltenden Regenfälle der vergangenen Woche ist der Grundwasserspiegel in Voerde so stark angestiegen, dass die Kanalisation im Bereich vom Kurfürstenring und der Dinslakener Straße vollgelaufen ist und zahlreiche Keller überflutet sind.
Es ist bereits die 20. Tour, die der Mitarbeiter seit Schichtbeginn gefahren ist. Und es ist zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 13 Uhr. 7000 Liter Schmutzwasser pumpt er pro Fahrt ab und bringt sie direkt zur Kläranlage an der Frankfurter Straße. „Das zeigt Wirkung. Wir können den Kanal damit etwas entlasten“, sagt Bürgermeister Dirk Haarmann, der sich gemeinsam mit Feuerwehrchef Dirk Bosserhoff und dem Fachdienstleiter des Baubetriebshofs, Michael Bruchhausen, am Dienstag erneut ein Bild von der Lage vor Ort gemacht hat.
Das Grundwasser fließt in Voerde von Ost nach West – sprich in den Rhein. „Weil der Fluss derzeit ebenfalls viel Wasser führt, kann das Grundwasser nicht mehr richtig abfließen“, erklärt Michael Bruchhausen. Stattdessen läuft es in den Schmutzwasserkanal, der mittlerweile so voll ist, dass das Schmutzwasser nicht mehr schnell genug abfließen kann. Dadurch ist es zu Rückstausituationen gekommen, die bei Häusern ohne Rückstauklappe oder mit schadhafter Rückstauklappe zu überfluteten Kellern führten. In einigen Haushalten drückt „nur“ Grundwasser nach oben, bei anderen sind es auch Fäkalien.
Die ersten Meldungen über die überfluteten Keller gingen bei der Stadt und bei der Feuerwehr an Weihnachten ein. Die Stadt hat den Kanal an der Dinslakener Straße daraufhin am ersten Weihnachtstag durchgespült. „Dabei konnten wir ausschließen, dass etwas am Kanal nicht in Ordnung ist. Es gibt keinerlei Verstopfung“, betont Bürgermeister Haarmann. Nach wie vor fließt aber Grundwasser in den Schmutzwasserkanal. „Der Kanal funktioniert einwandfrei, ist aber für derartige Fremdwassermengen nicht ausgelegt.“
Stadt richtet Duschmöglichkeit in der Regenbogenschule ein
Seit Weihnachten können einige Anwohner ihre Duschen und Toiletten daher nicht mehr benutzen. „Das ist ein echtes Problem“, sagt Voerdes Feuerwehrsprecher Detlef Berlin. Er wohnt selbst in dem betroffenen Gebiet. „Einige Nachbarn nutzen seit Tagen zum Beispiel die Toiletten der Bäckerei Schollin.“ Wie viele Haushalte genau betroffen sind, könne die Stadt noch nicht sagen. Solche Probleme mit einem Schmutzwasserkanal habe es in solch einem Ausmaß bisher noch nie gegeben.
Um ein bisschen Abhilfe zu schaffen und die Notdurft verrichten zu können, hat die Feuerwehr an Silvester kurzfristig drei Toilettenwagen für die Anwohner der Siedlung aufgestellt. Zwei stehen am Kurfürstenring (in Höhe der Hausnummern 21 und 70), ein weiterer an der Dinslakener Straße 79. Die mobilen Toiletten werden vom Dienstleister täglich kontrolliert und gereinigt, teilt die Stadt auf NRZ-Anfrage mit.
Zudem hat die Stadt für die betroffenen Anwohner seit Dienstagnachmittag eine zentrale Duschmöglichkeit in der Turnhalle der Regenbogenschule in Möllen (Auf dem Bünder 25) eingerichtet. In der Zeit von 8 bis 11 Uhr sowie von 17 bis 20 Uhr können die Duschen kostenlos genutzt werden.
Lage im Kanal entspannt sich, wenn Grundwasser- und Rheinpegel sinken
Wie geht es jetzt weiter? Die Stadt saugt weiterhin das zufließende Wasser im Bereich der Dinslakener Straße und des Kurfürstenrings ab, um die Kanalspiegellage abzusenken. Der Abwasserzufluss aus Möllen wurde bereits am 27. Dezember runterreguliert, um für weitere Entlastung zu sorgen, die Pumpenleistung wurde außerdem erhöht.
„Wir müssen aber auch ehrlich sein: Das sind Sofortmaßnahmen, die kurzfristig wirken, aber nicht langfristig nachhalten“, so der Bürgermeister. „Wir müssen darauf setzen, dass sich die Grundwasserlage entspannt, der Rheinpegel sinkt und die starken Niederschläge nachlassen.“ Am Kanal selbst könne die Stadt nicht viel machen, die Ursache für die Fremdwasserproblematik sei häufig auf den Privatgrundstücken zu suchen – weil zum Beispiel Drainagen unsachgemäß angeschlossen, oder Hausanschlussleitungen undicht seien.
Die Feuerwehr warnt weiterhin davor, vor allem Duschen oder Toiletten auf höherliegenden Etagen zu benutzen. Dies könnte zu Überläufen auf den darunterliegenden Etagen führen. Aber auch im eigenen Bad könnte es passieren, dass die Fäkalien wieder hochgedrückt werden würden, weil sie nicht abfließen können. „Insbesondere in mehrstöckigen Wohnhäusern und Mehrfamilienhäusern ist also Vorsicht und Rücksicht geboten“, betont die Feuerwehr.