Voerde. Bund und Land wollen den Ausbau der Windkraft an Land deutlich vorantreiben. Warum die Stadt Voerde dazu derzeit keinen Beitrag leisten kann.

Der Ausbau der Windenergie an Land ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. Und auch NRW hofft im Bereich der erneuerbaren Energien auf einen Schub und hat dafür eine aus seiner Sicht wichtige Weiche gestellt: Ende August kippte der Landtag den pauschalen 1000-Meter-Mindestabstand von Windrädern zu Wohnsiedlungen. Soweit der Wunsch – und die Theorie. Doch wie wirkt sich das Ansinnen auf die Kommunen aus, können sie es einfach umsetzen?

Voerde zum Beispiel hat 1999 durch die 47. Änderung des Flächennutzungsplans eine Konzentrationszone für Windräder ausgewiesen. Damit wurde das Ziel verfolgt, einen möglichen Wildwuchs solcher Anlagen auf dem Stadtgebiet zu vermeiden. Nur dort können, beziehungsweise konnten, Windräder bisher in Voerde errichtet werden. Mit dem jüngst erfolgen Bau der Anlage auf dem ehemaligen Schachtgelände in Löhnen sind die Möglichkeiten dafür nunmehr ausgeschöpft.

Aus der Zielvorstellung des Bundes, den Anteil von Windenergie an Land deutlich zu steigern, ergibt sich die Notwendigkeit, den Landesentwicklungsplan (LEP) NRW zu ändern und die Rahmenbedingungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien anzupassen. Ziel sei es, die „Transformation hin zur Klimaneutralität in Einklang zu bringen mit den Erfordernissen der Raumordnung“, erläutert die Stadtverwaltung in einer Vorlage für die Politik.

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Darin geht es um eine Stellungnahme der Stadt zur zweiten Änderung des LEP – und mithin auch um eine grundsätzliche Positionierung Voerdes zum Ausbau von Windenergie an Land. Dafür seien nach dem derzeitig bekannten Stand der Planung in NRW insgesamt 43.050 Hektar landesweit ausgewiesen. Dies entspreche etwa 1,3 Prozent der Fläche im bevölkerungsreichsten Bundesland. Auf Ebene der Regionalplanung aber würden nicht durchgängig Bereiche für Windenergie ausgewiesen. Um die im Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) formulierten Flächenziele für das Jahr 2032 von 1,8 Prozent zu erreichen, bestehe daher „zwingender Handlungsbedarf“, urteilt die Stadtverwaltung.

Zur Umsetzung der im Wind-an-Land-Gesetz festgelegten Vorgaben stehe die Option zur Verfügung, die Ausweisung der notwendigen Flächen in regionalen Raumordnungsplänen vorzunehmen oder selbiges durch die kommunalen Planungsträger zu sichern. Die Stadt gibt dabei Folgendes zu bedenken: Sollten die vorgegebenen Flächenbeitragswerte zu den beiden Stichtagen Ende 2027 und Ende 2032 nicht erreicht werden, wären Windenergieanlagen im gesamten von der Verfehlung der Ziele betroffenen Planungsraum privilegiert zulässig. Das hieße: Der Ausbau der Windenergie ließe sich nicht mehr über Darstellungen in Flächennutzungsplänen, über Ziele der Raumordnung sowie sonstige Maßnahmen der Landesplanung steuern. Dies sei sowohl aus Sicht der Landesregierung als auch aus Sicht der Stadt zu vermeiden.

Windkonzentrationsflächen: Stadt Voerde geht nicht zwingend von Fortbestand aus

Nicht alle bestehenden Windkonzentrationszonen wiederum seien als Bereiche für Windenergie in den Regionalplänen ausgewiesen. Dies gelte auch für die Fläche in Voerde – und zwar in Bezug auf den derzeit noch rechtskräftigen Gebietsentwicklungsplan (GEP 99) genauso wie für den aktuellen Regionalplanentwurf des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Damit aber eine Fläche als Windenergiebereich im Regionalplan ausgewiesen werden und damit zur Erfüllung des Beitragswertes einen Anteil leisten kann, müssten die vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (kurz: Lanuv) formulierten Ausschlusskriterien angewendet werden.

Nach Ansicht der Stadt Voerde kann auch nicht zwingend vom Fortbestand der Windkonzentrationsflächen als Windenergiebereiche ausgegangen werden – und „dies unabhängig davon“, ob dort bereits solche Anlagen errichtet wurden. „Damit stehen die angeführten 43.050 Hektar ausgewiesener Windenergieflächen genauso auf der Ebene des Regionalplanes auf dem Prüfstand wie die fehlenden 18.352 Hektar, um den Flächenbeitragswert von 61.402 Hektar (1,8 Prozent)“ zu erfüllen, urteilt die Voerder Verwaltung in ihrer Stellungnahme, die der Stadtrat Ende September einstimmig beschlossen hat.

Stadt Voerde steht Ausbau der Windkraft grundsätzlich positiv gegenüber

Voerde begrüßt die Entwicklung der Windenergieanlagen, sie stehe dem grundsätzlich positiv gegenüber, sieht aber „durchaus ein Umsetzungsproblem aufgrund der Vorgaben des Lanuv“, erklärt Stadtpressesprecherin Miriam Lütjann auf NRZ-Anfrage. Zurzeit gebe es in der Kommune keine Möglichkeit, weitere Flächen zum Bau von Windrädern auszuweisen. Man habe die Abstandsbereiche und Ausschlussvorgaben für das Stadtgebiet überprüft. Ergebnis: Nicht nur konnten „keine neuen potenziellen Windenergieflächen“ eruiert werden – auch wäre „die Ausweisung der bisherigen Windkonzentrationszone als Windenergiefläche im Regionalplan Ruhr bei Beibehaltung der Abstandsflächen und Ausschlussvorgaben durch die regionale Planungsbehörde so gut wie nicht möglich“.

Die in NRW gekippte 1000-Meter-Mindestabstandsregelung zu Wohnhäusern bleibt im Voerder Fall aktuell ohne Wirkung. Diese sei derzeit irrelevant. Denn: „Selbst bei Einhaltung der Vorgabe des Lanuv von 700 Metern sind in Voerde keine weiteren Windenergieanlagen möglich“, erklärt Lütjann. Die Änderung des Regionalplanes werde zeigen, wie der RVR als zuständige Planungsbehörde mit dem Flächenerfordernis nach dem Windenergieflächenbedarfsgesetz umgeht. „Die Änderung des Landesentwicklungsplanes NRW nimmt den Städten ihre kommunale Planungshoheit in diesem Themenfeld“, merkt die Stadtpressesprecherin zudem an.

>>Info: Hintergrund

Innerhalb der zwischen Löhnen und Mehrum gelegenen Voerder Windkonzentrationszone galten folgende Regeln: Zu Wohngebieten sei ein pauschaler Abstand von 500 Metern bei der Flächenfestlegung der Konzentrationszone angenommen worden. Ein ausreichender Abstand zwischen Windenergieanlagen und Einzelwohnhäusern sei für jede Anlage im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nachzuweisen gewesen, erklärt Stadtpressesprecherin Miriam Lütjann.

Bei den in dem Bereich gebauten Windrädern sind nach Angaben der Stadt 545 Meter der geringste Abstand zu einem Wohnhaus im Süden von Löhnen. Zu einer geschlossenen Wohnbebauung (Löhnen bzw. Götterswickerhamm) betrage dieser rund 650 bis 700 Meter, erläutert Lütjann.

In ihrer Stellungnahme zur zweiten Änderung des LEP NRW stellt die Stadt Voerde die Möglichkeit, die zu erzielenden Flächenbeitragswerte für Windenergie in der Planungsregion des RVR insbesondere durch die Konzentration auf nur wenige Kreise zu erfüllen, in Frage. Dabei beruft sie sich auf einen Fachbericht des Lanuv, wonach der Kreis Wesel über ein Flächenpotenzial von 558 Hektar verfüge. „Es fehlen Informationen darüber, auf welche Kommunen sich diese Potenziale in welcher Größe beziehen“, moniert die Stadt außerdem. Zu diesem Punkt beziehe auch der RVR kritisch Stellung.