Voerde. Immer mehr Kinder nutzen den Offenen Ganztag. Das führt an den Voerder Grundschulen zu Problemen. Eltern üben Kritik. Wie die Stadt reagiert.
Die Offene Ganztagsschule (OGS) in Voerde ist gefragter denn je: Besuchten im Schuljahr 2012/13 660 Kinder (51 Prozent der gesamten Voerder Grundschüler) die OGS, sind es zehn Jahre später im Schuljahr 2022/23 schon 827 Kinder (65 Prozent). Und die Tendenz steigt weiter: Für das kommende Schuljahr sind bereits 909 Kinder für die OGS angemeldet. Das bedeutet 70 Prozent aller Voerder Grundschülerinnen und Grundschüler nutzen das offene Ganztagsangebot der fünf Schulen.
Doch insbesondere den Eltern an der Grundschule Friedrichsfeld bereitet das zunehmend Sorgen: „Die Zahl der zu betreuenden Kinder steigt jährlich und kontinuierlich an. Auch für 2023 ist mit 213 OGS-Kindern an der Grundschule Friedrichsfeld eine Steigerung von mindestens 15 Prozent gegenüber 2022 (186 OGS-Kinder) sicher“, sagt Rico Bernhöft, Sprecher der Elterninitiative der Grundschule Friedrichsfeld.
Voerder Eltern haben eine Petition gestartet
Die Eltern kritisieren, dass bereits heute die Räumlichkeiten viel zu klein, das Personal zu knapp und der Krankenstand aufgrund des „katastrophalen Umstands“ hoch sei. „Die Räume der Grundschule werden immer mehr zu OGS-Räumen umgenutzt, was die Bildungs- und Gestaltungsmöglichkeiten im Schulalltag stark einschränkt. Bis zu 53 Kinder in einem OGS-Raum sind aktuell an der Tagesordnung.“ Die Eltern beklagen, dass so weder individueller Förderbedarf noch eine qualitative Betreuung der Kinder sichergestellt werden kann. „Und mit der Erhöhung der Betreuungsquote spitzt sich die Situation weiter zu“, befürchtet Bernhöft.
Die Eltern haben deshalb eine Online-Petition gestartet. Sie fordern die Politik auf, ab dem kommenden Schuljahr Übergangsräumlichkeiten auf dem Schulgelände zu schaffen und langfristig die Schule baulich zu erweitern. Die Träger der OGS-Betreuung werden zudem aufgefordert, die sich verschlechternde Personalsituation durch Einstellungen zu lösen. 382 Personen haben die Petition bis Freitagmittag bereits unterschrieben.
Stadt Voerde plant mehr OGS-Gruppen im Schuljahr 2023/24
Politik und Verwaltung haben das Problem längst erkannt – auch, weil Eltern ab dem Schuljahr 2026/27 einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Offenen Ganztag haben. Um die Betreuungsqualität weiterhin sicherzustellen, stimmte der Schulausschuss am Donnerstag einstimmig dafür, die Anzahl der OGS-Gruppen ab dem kommenden Schuljahr 2023/24 von derzeit 32 auf 38 Gruppen (inklusive einer Reservegruppe) zu erhöhen. Die letzte Erhöhung fand im Schuljahr 2019/20 statt. Damals wurde die Gruppenanzahl von 27 auf 32 aufgestockt. „Der weiter steigende OGS-Bedarf überrascht uns in keiner Weise. Wir müssen in Friedrichsfeld schnell Abhilfe schaffen“, so Frank Steenmanns (CDU).
Um das Raumproblem kurzfristig zu lösen, sollen an der Grundschule Friedrichsfeld zwei, an der Otto-Willmann-Schule ein Raumcontainer mit jeweils 70 Quadratmetern Fläche aufgestellt werden. „Das kann aber nur eine Übergangslösung sein“, betont Rico Bernhöft als Gast im Schulausschuss. Gut ein Dutzend Eltern haben ihn am Donnerstag begleitet und saßen ebenfalls im Publikum.
OGS-Rechtsanspruch ab 2026/27 stellt die Stadt Voerde vor Herausforderungen
Dass die Container keine langfristige Alternative sind, findet auch die Politik. Daher stimmte sie ebenfalls einstimmig dafür, bauliche Veränderungen an den einzelnen Schulstandorten zu prüfen und zu planen. „Wir müssen großzügig planen und schnell ans Werk gehen“, so Christian Reselski (SPD). Für die sechs zusätzlichen OGS-Gruppen fallen Mehrkosten von rund 250.000 Euro pro Jahr an. Durch Zuweisungen vom Land und Elternbeiträge sollen diese gedeckt werden.
Schuldezernent Jörg Rütten zeigt sich mit dieser Zwischenlösung und der langfristigen Planung, den Offenen Ganztag auszubauen, zufrieden. „Wir sind als Stadt Voerde schon sehr weit“, sagt er. Denn: „Gerade mit Blick auf den OGS-Rechtsanspruch ab 2026 werden wir im Moment vom Land ziemlich im Stich gelassen. Es herrscht Stillstand, es gibt keine Richtlinien. Wir warten händeringend darauf, dass Bund oder Land sagen, wie der qualitative Ausbau des Offenen Ganztags aussehen und finanziert werden soll.“
Trotz dieser Ungewissheiten schiebe man das Thema OGS nicht vor sich her: „Wir planen bereits, machen Begehungen und versuchen mit den Schulen Lösungen für den Ausbau zu finden. Und den Rechtsanspruch setzen wir quasi schon heute um: Bisher musste noch nie ein Kind für den offenen Ganztag in Voerde abgelehnt werden“, betont Jörg Rütten.