Dinslaken. Während des Pflegeforums von NRZ und Caritasverband diskutierten die Teilnehmer aus Politik und Pflege über die Situation der Fachkräfte.
Mehr Zeit für die zu pflegenden Patienten, mehr gesellschaftliche Akzeptanz für den Pflegeberuf und auch eine höhere finanzielle Anerkennung - das ist es, was die Mitarbeiter in Pflegeberufen während des Pflegeforums von NRZ und Caritasverband Dinslaken-Wesel am Freitag in Dinslaken-Lohberg von der Politik forderten. Die Diskussion fand unter Einhaltung aller Abstands- und Hygieneregeln in der Lohnhalle auf dem ehemaligen Zechengelände statt, wurde moderiert von Caritasdirektor Michael van Meerbeck und NRZ-Vize-Chefredakteur Ralf Kubbernuß.
„Mehr Zeit für die Patienten“
In das Gebäude soll auch bald die Pflegeschule des St. Vinzenz-Hospitals einziehen. Einer der derzeitigen Schüler ist Taifun Sengül. „Es geht nicht nur ums Geld, wir wollen nicht reich werden - auch, wenn es schön wäre, sich regelmäßige Urlaube leisten zu können, denn das ist mit dem derzeitigen Gehalt nicht möglich, wenn man auch noch eine Familie ernähren muss“, sagt er. Zusätzlich wünsche er sich jedoch vor allem mehr Zeit für seine Patienten. „Gerade während der Pandemie haben wir gemerkt, wie einsam die Menschen sind und wie wichtig der Austausch für sie ist“, sagt Sengül. Doch dies sei oft nicht möglich, denn: „Manchmal kommt eine Kollegin auf zehn Patienten. Das steht in keinem Verhältnis zum Pflegeaufwand, gerade bei Demenzerkrankten“, ergänzt Anja Herrmann, Stationsleiterin der Geriatrie im Vinzenz-Hospital.
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Daraus resultiere auch, dass Praxisanleiter kaum noch Zeit für die Ausbildung der Pflegeschüler hätten. „Wenn die Praxisanleiter keine Zeit haben, dann werden viele Pflegeschüler ausbildungsmüde“, wirft Annegret Oberender, Leiterin der Pflegeschule, ein. Oberender befürchtet, dass es dadurch auch zu einer drohenden Kündigungswelle kommen kann. Zwar gebe es seit 2015 einen stetigen Anstieg an Auszubildenden in der Alten- und Krankenpflege, berichtet Sabine Weiss, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, jedoch zeigt eine Online-Befragung der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN): Jeder dritte Mitarbeiter (30,5 Prozent) spielt seit der Pandemie mit dem Gedanken, seinen Beruf zu wechseln.
Mitarbeiter konnten kaum geschützt werden
„Es kann ja sein, dass es einen stetigen Zulauf an Azubis gibt. Aber sie bleiben dann nicht im Beruf. Ich arbeite gerne in der Pflege, immer noch, aber wir fühlten uns, gerade am Anfang der Pandemie, vergessen“, klagt Barbara Kasek, Leiterin der palliativen Sozialstation der Caritas Dinslaken. Michael van Meerbeck, Caritasdirektor für die Dekanate Dinslaken und Wesel, fügt hinzu: „Ich konnte meine Mitarbeiter zudem am Anfang der Pandemie kaum schützen, sie mussten ohne Maske, ohne Test, ihre Aufgaben weiterführen. Sie können nicht, wie andere Berufsgruppen, im Homeoffice arbeiten.“
Hier wünsche er sich mehr Achtsamkeit und „verlässlichere Arbeitszeiten“, ergänzt auch Margret Hennewig-Schnock vom Regionalbüro Niederrhein der Initiative Alter, Pflege und Demenz. Man müsse personell so ausgestattet sein, dass immer ein „Puffer vorhanden ist und niemand aus dem Urlaub geholt werden muss, weil gerade ein anderer Kollege krank geworden ist. Die Pflegekräfte brauchen ihre Freizeit“.
Pflegeprämie: Ein Versuch der Anerkennung
Vor allem in Pandemie-Zeiten, in denen bei allen Menschen die psychische Belastung sehr hoch sei. Dem sei sich die Politik durchaus bewusst. Ingo Brohl, Landrat des Kreises Wesel, macht klar: „Wir als Kreis wollen einen Schwerpunkt auf die Pflege setzen, wir haben die Pflege weit oben auf der Agenda.“ Auch Sabine Weiss betont, dass Berlin wisse, dass „dringend etwas getan werden muss“. Die Pflegeprämie sei ein Versuch der Anerkennung gewesen. Zudem solle noch in den kommenden drei Wochen auf den Weg gebracht werden, dass für alle in der Pflegekräfte ein allgemeinverbindlicher Lohntarif gilt, auch bei Angestellten von privaten Pflegedienststellen. „Zusätzlich wollen wir die Eigenmittel der zu Pflegenden reduzieren.“ Dafür soll eine Summe von drei Milliarden Euro vom Bund finanziert werden. „Jeder, der Pflege erlebt hat, egal ob als Angehöriger eines Pflegebedürftigen oder als zu Pflegender selbst, weiß die Arbeit der Mitarbeiter zu schätzen“, ist sich Weiss sicher. Nun liege es daran, dies sichtbar zu machen.