Dinslaken/Voerde/Hünxe. Der Unterricht an NRW-Schulen kann wegen Corona zwischen 7 und 9 Uhr starten. Leiter aus Dinslaken, Voerde, Hünxe halten das für nicht machbar.

„Wir haben die Möglichkeit eines entzerrten Unterrichtsbeginns in den Morgenstunden. Der verfügbare Korridor wird jetzt um jeweils 30 Minuten erweitert auf die Zeit zwischen 7 und 9 Uhr.“ So könnte nach Verlautbarung des NRW-Schulministeriums der Unterrichtsbeginn in den Schulen flexibilisiert und das Gedränge in Bussen, Bahnen und vor Schulen vermieden werden. Theoretisch. In Dinslaken, Voerde und Hünxe hat man sich mit der Frage befasst. Tenor: Die Theorie ist in der Praxis kaum umzusetzen.

OHG-Schulleiterin: Sämtliche Stundenpläne von vier Systemen würden unbrauchbar

In Dinslaken wurde die Frage des flexiblen Schulbeginns bereits am Montag bei einer Sitzung der Schulleitungen der weiterführenden Schulen mit dem Schulträger, also der Stadtverwaltung, besprochen. Die Schulen, so fasst Marcel Sturm für die Stadt vorsichtig zusammen, hätten mit „sehr viel Zurückhaltung“ reagiert. Im Klartext heißt das: „Für die Kooperationsschulen ist ein flexibler Schulbeginn nicht machbar“, sagt Astrid Weidler, Leiterin des Otto-Hahn-Gymnasiums , das mit Theodor-Heuss-Gymnasium, Gustav-Heinemann-Gymnasium sowie mit der Ernst-Barlach-Gesamtschule kooperiert. Ein flexibler Unterrichtsbeginn würde „gleich sämtliche Stundenpläne von vier Systemen unbrauchbar machen“, so Astrid Weidler. Außerdem, so ergänzt Daniel Tiszay, Leiter des Gustav-Heinemann-Gymnasiums, seien „die Pendelfahrten zwischen den Schulen mit der Firma HDC eng getaktet und gesetzt“.

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Am Standort Hiesfeld, wo sich morgens gleichzeitig Schüler von drei Schulen tummeln, „wäre es allenfalls denkbar, dass die Realschule und die Gesamtschule gemeinsam einen anderen Unterrichtsbeginn beschließen und somit die morgendliche Situation hier am früheren Schulzentrum entspannt wird, wenn das Gymnasium bei dem Unterrichtsbeginn um 8 Uhr bliebe“, so Tiszay. Doch auch hier gibt es Probleme mit dem Öffentlichen Schülerverkehr. Denn einige Schüler des Schulzentrums kommen laut Daniel Tiszay aus Oberhausen. Und der einzige Bus, die Linie 918, fahre nur einmal in der Stunde. „Hier müsste die NIAG einen passenden Einsatzbus stellen, der genau asynchron zu der bestehenden Linie fährt.“

Dinslakener Schulleiter: Vorstoß der Politik „schwierig umsetzbar“

Auch Daniela Gottwald, Leiterin der Gesamtschule Hiesfeld , bewertet die mögliche Flexibilisierung als „nicht ganz so einfach, weil da sehr viele Faktoren eine Rolle spielen und organisatorisch so viele Zahnräder zu drehen wären“. Deswegen favorisiere man eine Entzerrung durch den Einsatz weiterer Busse – die Verwaltung habe bei dem Gespräch am Montag zugesagt, das zu prüfen. An der benachbarten Gustav-Heinemann-Realschule benennt Leiterin Heike Tuda den Vorstoß aus der Politik ebenfalls als „schwierig umsetzbar“. „Wir beispielsweise nutzen ja gemeinsam mit der Gesamtschule Hiesfeld Räume und die Sporthalle – wenn der Unterricht also versetzt beginnen würde, dann passt das zeitlich alles nicht mehr“, erklärt sie.

„Alles ist also deutlich schwieriger, als es in Düsseldorf manchmal gesehen wird,“ resümiert GHG-Schulleiter Daniel Tiszay.

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Die weiterführenden Schulen in Voerde haben noch nicht abschließend entschieden, ob sie von der Möglichkeit Gebrauch machen wollen, den Unterrichtsbeginn flexibel zu gestalten – sie dürfen nunmehr zwischen 7 und 9 Uhr starten, zuvor war ein Zeitraum zwischen 7.30 und 8.30 Uhr zulässig. So viel lässt sich schon jetzt sagen: Auf große Begeisterung stößt diese Option nicht. Gerd Kube, Schulleiter des Gymnasiums Voerde (GV, )sieht die durch das Land eröffnete Möglichkeit vielmehr sehr kritisch. Daran würden Erwartungen geknüpft, „die wir nicht erfüllen können“.

Für Schulleiter des Gymnasiums Voerde wäre „Wechselunterricht“ effektiver

Mit dem zeitversetzten Schulstart werde das Problem der „massenhaften“ Begegnung der Schüler in der Schule nicht gelöst, weil irgendwann alle da seien. Auch fragt sich Kube, wie der sukzessive Schulbeginn realisiert werden soll, wenn nicht mehr Busse eingesetzt werden. Dabei verweist er auf womöglich ohnehin vorhandene personelle Engpässe bei den Unternehmen aufgrund von krankheitsbedingten Ausfällen.

Kubes Ansicht nach wäre vielmehr „Wechselunterricht“ effektiv: Das würde die Schülerzahl Tag für Tag halbieren, argumentiert er. Der Schulleiter des Gymnasiums Voerde verhehlt nicht die Belastung, die für die Familien damit einherginge. Auch Voerdes Schuldezernent Jörg Rütten hält die Möglichkeit der Teilung von Klassen und die Einführung von Wechsel- und Hybridunterricht für „zielführender“. Zudem führt Gerd Kube den hohen Aufwand an, der mit einem flexiblem Unterrichtsstart verbunden wäre: „Das ist schulorganisatorisch ungeheuer anspruchsvoll. Der Stundenplan muss vollständig neu geschrieben werden.“

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Von Anja Hasenjürgen,Petra Keßler und Peter Neier

Von einer organisatorischen Herausforderung spricht auch Ursula Reinartz. Die Leiterin der Comenius-Gesamtschule Voerde erklärt, dass die Möglichkeit eines zeitversetzten Unterrichtsbeginns darauf hin geprüft werde, ob diese machbar und zweckdienlich sei. Reinartz weist in dem Zusammenhang etwa darauf hin, dass die Kurse, die Schüler aus unterschiedlichen Klassen besuchen, zur gleichen Zeit anfangen müssen. Die Voerder Gesamtschule sei zurzeit ohnehin schon um ein Drittel ausgedünnt. Da drei Lehrkräfte positiv auf das Coronavirus getestet wurden , sind 282 der insgesamt 830 Schülerinnen und Schüler und neun weitere Lehrpersonen nach Entscheidung des Gesundheitsamtes bis in die nächste Woche hinein in Quarantäne.

Gesamtschule Hünxe hält am Schulstart um 8 Uhr fest

Die Gesamtschule Hünxe wird laut ihrem Leiter Klaus Ginter weiterhin am Schulstart um 8 Uhr festhalten. Grundsätzlich hält Ginter die höhere Flexibilität durchaus für eine Möglichkeit. „Aber dafür braucht man ein ausgebautes Netz“, betont er. Das sei vielleicht in Ruhrgebietsstädten gegeben, in der ländlichen Region um Hünxe aber nicht. Hier werde morgens vor Schulbeginn ein Bus zum Transport eingesetzt, nach Schulschluss seien es je nach Wochentag einer oder zwei. „Die Busse hier fahren ja lange Routen, um alle unsere Schüler einzusammeln. Es ist ganz fein austariert, wie und wann die Linien wo fahren“, erklärt Ginter.

Es gebe Kinder und Jugendliche, die seien somit über eine Stunde unterwegs. Einen auf 7 Uhr vorgezogenen Schulstart hält Ginter alleine deshalb für „nicht zumutbar. Denn dann würde es Kinder geben, die schon sehr früh – um vor 6 Uhr – zur Haltestelle kommen müssen.“ Über die Schulbusproblematik habe man zuletzt verstärkt mit Mitarbeitern der Gemeinde gesprochen. „Da ging es aber primär um die Frage, ob es in den Bussen zu voll ist, und nicht darum, ob wir früher starten.“ Die Gesamtschule sehe aber „kein größeres Gefährdungspotenzial“ – die Auslastung der Busse liege etwa zwischen 50 und 70 Prozent.

Stadt Dinslaken hat mehr Busse organisiert

Die Stadt Dinslaken konnte nun bei der Niag „Verstärkerfahrten“ organisieren. „Damit gibt es mehr Platz für Schülerinnen und Schüler. Mit zunehmend kalter Witterung hat sich ein erhöhter Bedarf abgezeichnet“, sagt Stadtsprecher Marcel Sturm.

Vor allem für das Schulzentrum Hiesfeld wurde ein größerer Bedarf festgestellt. Hier gibt es ab sofort auf den Linien 17 und 25 bei der Hinfahrt zusätzliche Busse sowie auf den Linien 17, 25 und 918 bei der Rückfahrt. Dies gilt zunächst bis zu den Weihnachtsferien. Die zusätzlichen Fahrten werden vom Land zu 100 Prozent gefördert. Zur Entzerrung werden zudem bereits seit Anfang September auf drei Linien der DB Rheinland, die insbesondere Schüler aus Hünxe nach Dinslaken befördert, jeweils für die Hinfahrt und eine Rückfahrt zusätzliche Busse eingesetzt. Auch diese Vereinbarung gilt zunächst bis zu den Weihnachtsferien, da bis dahin auch die Förderung des Landes gilt. Die Stadt erwartet aber, dass die Förderung verlängert wird.

Stadt Voerde eruiert Möglichkeiten des Einsatzes zusätzlicher Schulbusse

Weil volle Schulbusse andere Covid-Vorsichtsmaßnahmen „konterkarieren“, steht die Stadt Voerde sowohl mit dem Kreis Wesel als auch mit der Niag in Kontakt, um die Möglichkeiten des Einsatzes zusätzlicher Busse für die Beförderung von Schülern zu eruieren, erklärt Voerdes Schuldezernent Jörg Rütten auf Nachfrage der NRZ. Sollten von dort keine Möglichkeiten bestehen, werde die Stadt versuchen, Lösungen über den Verband der Omnibusunternehmen mit der Bereitstellung zusätzlicher Busse zu finden.

Nach Angaben der Stadt liegen ihr Rückmeldungen über volle Busse auf der Linie 25 vor. Zudem bestehe im Hinblick auf die Linie 81 das Problem, dass diese häufig ausfalle. Dies werde von Seiten der Niag mit personellen Engpässen begründet, erklärt Rütten.