Voerde. Hans Gutjahr hat die Möglichkeit, seinen Gastronomiebetrieb wieder zu öffnen, noch nicht genutzt. Grund: Er kann sein Kerngeschäft nicht ausüben.
Landauf, landab haben seit Montag nach fast zweimonatiger Zwangspause in Folge der Corona-Pandemie viele Gastwirte ihre Türen wieder geöffnet – der Pächter des Gasthauses Möllen verzichtet bisher bewusst darauf, auch an den Start zu gehen. „Das hat nicht den Grund, dass ich im Geld schwimme“, betont Hans Gutjahr. Der 59-Jährige berichtet von Kollegen, die ihm gesagt hätten, er solle „nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen“. Mit Trotz hat seine Entscheidung, das Gasthaus Möllen geschlossen zu halten, nichts zu tun, und auch nicht damit, dass er für einen zeitnahen Start nicht gerüstet wäre, wie er deutlich macht.
Offener Brief mit „Hinz-&-Kunz“-Betreiber an Merkel und Laschet
Vielmehr argumentiert Hans Gutjahr insbesondere damit, dass sein Kerngeschäft nicht im Betrieb eines Restaurants liegt, sondern in der Veranstaltungsgastronomie. „Das ist mein Herzstück“, sagt er beim Gang in den 500 Quadratmeter großen Festsaal, in dem bis zu 250 Gäste Platz finden können. Wegen des Coronavirus können jedoch Familienfestivitäten wie Geburtstage oder Hochzeiten, Firmenfeiern oder andere große Veranstaltungen nicht stattfinden. Auch die beiden vor der Pandemie an den Wochenenden ausgelasteten Kegelbahnen kann Hans Gutjahr nicht nutzen.
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Der Pächter des Gasthauses Möllen befürchtet angesichts von Politikeraussagen düstere Zukunftsaussichten für diesen Bereich der Gastronomie, die er in einem mit dem Betreiber des Hinz & Kunz in Dinslaken, Martin Mettlach, verfassten „offenen Brief“ an Bundeskanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet skizziert. Darin nehmen die Absender Bezug auf den SPD-Gesundheitsexperten und Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach, der erklärt habe, dass die Eventgastronomie etwa zwölf Monate geschlossen bleiben werde.
Gutjahr und Mettlach sprechen von „Berufsverbot“
Für Gutjahr und Mettlach heißt dies „im Klartext“, dass Kegel- und Bowlingbahnen geschlossen bleiben, Schützen- und Familienfeste wie Hochzeiten etc. bis auf weiteres nicht möglich, Tanzveranstaltungen, Konzerte, Weihnachtsfeiern, Livemusik und mehr verboten sein werden. Beide sprechen von einem „Berufsverbot“. Sie wollen von Merkel und Laschet wissen, wie es weitergehen soll. „Ich habe im Moment keinerlei Perspektive“, sagt Hans Gutjahr und weist auf weitere daran hängende „persönliche Schicksale“ hin: Er nennt seine Lieferanten, die Wäscherei, die Disc-Jockeys.
Nur den vorderen Teil seines Betriebes mit dem Bereich, in dem sich der Ausschank befindet, und den sich daran anschließenden Raum für das Gastronomieangebot zu nutzen, stellt für Gutjahr im Moment keine Option dar. Auf der Fläche hätte er, um die vorgeschriebenen Mindestabstände einhalten zu können, die Möglichkeit, insgesamt sieben Tische aufzustellen. Am Ende, sagt er, würde der Umsatz den Aufwand nicht rechtfertigen. Und die enormen Umsatzverluste, die er aufgrund der vielen Absagen von privaten Feiern – diese gingen schon bis in den November – erleidet, hole er „mit sieben Tischen nicht rein“, sagt Gutjahr. Die ersten beiden Wochen, in denen er öffnen würde, müsse er sich keine Sorgen machen, da seine Stammkunden und Freunde dann in das Gasthaus kämen. Dann aber würde sich die Realität einstellen, schließlich könnten sie ihn nicht jeden Tag unterstützen.
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Ganz grundsätzlich geht Gutjahr davon aus, dass die Menschen angesichts von Kurzarbeit nicht mehr das Geld zur Verfügung haben wie möglicherweise vor der Krise. Auch fragt er sich, wie die Gäste auf die Auflagen reagieren werden – wenn die Kellnerin mit Mundschutz und Handdesinfektionsmittel vor ihnen steht. Es gebe eine Menge Verhaltensregeln – damit könne er leben, „aber wo kommt da die Gemütlichkeit auf?“ Auch befürchtet der Gastronom, dass Angst und Verunsicherung einige Gäste von einem Besuch abhalten werden. „Der unsichtbare dritte Gast sitzt mit am Tisch: das Virus“, sagt er.
Pächter sieht sich in seiner Existenz als Gastronom bedroht
In der aktuellen Situation sieht Gutjahr keine Möglichkeit, mit seinem Gasthaus „eine schwarze Null zu schreiben“. Er sieht sich in seiner Existenz als Gastronom bedroht. Für die von Seiten des Bundes und Landes aufgelegten Soforthilfen sei er wirklich dankbar – am Ende aber seien diese nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Als „Überlebensform“ absolut ungeeignet bezeichnen er und sein Kollege Martin Mettlach in ihrem offenen Brief an Merkel und Laschet die für ein Jahr angedachte Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf sieben Prozent sowie die Möglichkeit, über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) einen Kredit aufzunehmen.
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Beide fragen sich, ob sie sich, „wenn sie es überhaupt können“, ein paar Jahre vor ihrer Rente erneut sehr hoch verschulden sollen, „ohne Licht am Ende des Tunnels zu sehen“. Hans Gutjahr würde sich einen Rettungsschirm für die Gastronomie wünschen – und zwar dergestalt, dass die zur Verfügung gestellten Mittel, anders als beim KfW-Kredit, zinslos bereitgestellt und nur zum Teil zurückgezahlt werden müssen.
Noch hat Gutjahr kein Datum im Kopf, wann er die Notbremse ziehen würde. Erst einmal will er die kommenden Wochen noch beobachten. In den nächsten Tagen setzt er sich mit dem Verpächter zusammen, um über die Situation zu sprechen. Dabei schließt er nicht aus, vielleicht das Gasthaus doch zu öffnen und es zu versuchen.