Dinslaken. Ende 2020 stehen in Dinslaken die Kommunalwahlen an. Wir haben den Bürgermeisterkandidaten im Rahmen des Bürgerbarometers auf den Zahn gefühlt.

Sozialer Wohnungsbau, Leerstand in der Innenstadt, sanierungsbedürftige Kitas und Schulen: In den kommenden Jahren steht Dinslaken vor zukunftsweisenden Herausforderungen. Welche Lösungen haben die Bürgermeisterkandidaten Michaela Eislöffel, Michael Heidinger und Thomas Giezek parat? Wir haben uns umgehört.

Das war im vergangenen Jahr die beste Nachricht für die Stadt?

Heidinger: Es gab viele tolle Nachrichten, die uns gezeigt haben, dass die Bürgerinnen und Bürger gerne in ihrer Heimatstadt leben. Das haben die bisherigen Ergebnisse des NRZ-Bürgerbarometers noch einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Auch der Einzelhandelsstandort Dinslaken hat gute Noten bekommen. Das alles zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Zumal die guten Nachrichten 2020 weiter gehen, wenn wir beispielsweise die Porscheansiedlung an der B8 betrachten.

Giezek: Die beste Nachricht war für mich, dass die Pflegeschule in Lohberg nun doch auf den Weg gebracht wird. Ich bin seit vielen Jahre Ortsgruppenvorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Dinslaken-Hiesfeld. Und als wir mitbekommen haben, dass die Finanzierung auf der Kippe stand, haben wir einen Antrag an die Verwaltung gestellt. Uns war einfach wichtig, dass wir auf dem ehemaligen Standort des Bergwerks Lohberg Ausbildungsplätze für Pflegekräfte schaffen. Die werden in den Krankenhäusern und Altenheimen dringend benötigt.heidinger- „bürger sind kritisch und das ist auch gut so“

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Eislöffel: Für mich war die Solidarität, die die Dinslakenerinnen und Dinslakener in dieser Stadt zeigen, das Highlight in 2019. Wir haben Menschen aus verschiedenen Gruppen und Organisationen wie zum Beispiel den Kirchen, der Tafel, der Bürgerhilfe, Vereinen, Wunderfinder, Fridays for Future, Seebrücke, Omas gegen Rechts und viele andere, die sich in unserer Stadt engagiert haben. Das zeigt, dass Solidarität, Menschlichkeit, Klimaschutz und Demokratie ein ganz wichtiger Bestandteil in Dinslaken sind. In einer Stadt mit diesem großen Engagement lebe ich sehr gerne.

Was wollen Sie tun, um sozial geförderten Wohnraum zu schaffen?

Giezek: Ich würde eine öffentlich geförderte Wohnungsgesellschaft gründen, die zu 100 Prozent der Stadt Dinslaken gehört. Dadurch hätten wir die Belegungsrechte, die Mieterhöhungen könnten relativ niedrig gehalten werden und auch die Förderung würde nach 25 Jahren nicht einfach auslaufen. Zudem könnten die Menschen dort wohnen bleiben, wo sie den Großteil ihres Lebens verbracht haben, weil uns in jedem Quartier sozial geförderte Wohneinheiten zur Verfügung stünden. Die Alternative ist, dass wir uns in naher Zukunft ernsthaft über das Thema Wohnungslosigkeit Gedanken machen müssen.

Eislöffel: Ich setze mich dafür ein, dass der Wille der Dinslakenerinnen und Dinslakener in Bezug auf Wohnungsneubauten in zukünftige Planungen von Neubauten berücksichtigt werden. Demnach müssen wir attraktive Wohnquartiere schaffen, in denen barrierefreie Mehr-Generationen-Häuser in grüner Umgebung und mit sozialer Gemeinschaft entstehen. Nicht zu vergessen die älteren Menschen, deren Wünsche weit über Angebote wie Altenwohnungen und Altersheime hinausgehen. Zudem ist es wichtig, dass wir bei neu geplantem Wohnraum nicht nur 30 Prozent sozialen Wohnungsbau schaffen, sondern, dass sich auch Familien ihre Miete leisten können, die ganz knapp über der Förderungsgrenze liegen. Hier gibt es eine große Grauzone und auch die gilt es zu beachten.

Heidinger: Die Erhöhung der Angebote im sozial geförderten Wohnraum ist zweifelsfrei eine der zentralen Zukunftsaufgaben, die wir in Dinslaken zu bewältigen haben. Dafür benötigen wir freie Flächen, die wir mit Wohneinheiten bebauen können. Hierzu wird es eine Änderung des Regionalplans geben, die es uns ermöglichen wird, 60 bis 80 Hektar für zusätzlichen Wohnraum auszuweisen. Unser Ziel ist, bis zum Jahr 2030 bis zu 2000 neue Wohnungen zu schaffen – und bezahlbarer Wohnraum wird dabei eine entscheidende Rolle spielen.

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Worauf würden Sie in Ihrer Amtszeit den Schwerpunkt setzen? Wo gibt es aus Ihrer Sicht den größten Handlungsbedarf?

Eislöffel: Mir ist wichtig, die Kommunikation, den Austausch und die Transparenz innerhalb der Stadt zu fördern. Dass sich die Bürgerinnen und Bürger einbringen können und vertreten werden. Auch die Anerkennung der ehrenamtlichen Arbeit, die in Dinslaken sehr vielfältig vorhanden ist. Denn wir werden in Zukunft darauf bauen müssen, dass wir vor allem junge Menschen für Ehrenämter begeistern können. Ein weiterer Aspekt ist die Belebung der Innenstadt. Ich finde, der Leerstand ist ein großes Problem und da müssen wir schon für Anreize sorgen. Ansonsten wird sich die Situation weiter zuspitzen.

Heidinger: Wir werden weiterhin alle Bereiche in den Blick nehmen, von Investitionen in Kitas und Schulen bis hin zum Ausbau der städtischen Infrastruktur. Dass wir damit bislang ganz gut gefahren sind, zeigt sich übrigens auch an der Kaufkraftbindung. Die hat sich in den vergangenen zehn Jahren von rund 88 Prozent auf mehr als 97 Prozent gesteigert. Es geht aber auch darum, die Solidarität und den Gemeinsinn zu fördern. Hier könnte ich mir zum Beispiel den Einsatz von haupt- oder ehrenamtlichen Quartiersmanagern vorstellen, die den Zusammenhalt in den Quartieren weiter stärken und vorhandene Angebote bündeln.

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Giezek: Das ist einerseits die Infrastruktur unserer Kindergärten und Schulen. Da hängen wir in NRW wirklich hinterher. Wenn ich in eine Schule gehe und auf der Toilette Fliesen sehe, die es schon vor 40 Jahren dort gab, weiß ich, dass einfach zu wenig investiert wurde. Die Schüler sollen in Zukunft für unsere Daseinsvorsorge da sein. Wenn wir in die Bildung der Kinder immer nur das Notwendigste stecken, läuft etwas falsch. Andererseits sehe ich auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch großen Handlungsbedarf. Ich kenne das ja selber: Meine Frau ist Chemikerin, ich selbst bin Elektriker. Da kommt noch einiges auf uns zu.

War es Ihrer Meinung nach die richtige Entscheidung, die Gesamtschule Hiesfeld zu gründen?

Heidinger: Definitiv, denn dabei sind wir ja ausdrücklich dem Willen der Bürgerinnen und Bürger nachgekommen. Ich freue mich sehr, dass sich diese Zustimmung jetzt auch in Anmeldungen niedergeschlagen hat. Nun geht es für uns darum, die Gebäude auf einen Standard zu bringen, der in den Dinslakener Schulen maßgeblich ist: ein Bildungsort, der alle pädagogisch wichtigen Einrichtungen beinhaltet. Wir werden gemeinsam daran arbeiten, diese Maßnahmen an der Gesamtschule Hiesfeld zügig umzusetzen.

Giezek: Ja, es war die richtige Entscheidung, aber mindestens zwölf Jahre zu spät. Leider wurde es versäumt, im Vorfeld die entsprechenden Gebäudestrukturen zu schaffen. Jetzt baut man wieder hinterher. Außerdem bin ich froh darüber, dass wir uns zusammen mit den anderen Parteien erfolgreich für den Erhalt der Grundschulen eingesetzt haben. Es sollten zwischenzeitlich mal drei gestrichen werden. Dass die Kinder auch in Zukunft einen kurzen Weg zur Schule haben, ist ganz wichtig.

Eislöffel: Die Entscheidung, die Gesamtschule zu gründen, basiert auf Elternbefragungen. Es war keine Idee, die aus dem luftleeren Raum entstanden ist. Insofern finde ich die Entscheidung genau richtig. Natürlich gibt es auch Eltern, die ihre Kinder lieber zur Realschule oder ins Gymnasium schicken. Aber wir müssen ja auch überlegen, wo die Kinder bleiben, die an unserer bislang einzigen Gesamtschule nicht angenommen werden. Und da schien eine zweite Gesamtschule der Elternwille zu sein. Solange wir für alle Schulformen zufriedenstellende Anmeldezahlen haben, sollte daran auch festgehalten werden.

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Was würden Sie tun, um Bürger beim Thema Straßenbaubeiträge weiter zu entlasten?

Giezek: Wenn sich das Land NRW nicht dazu bereit erklärt, die Kosten zu übernehmen, wäre ich für eine Erhöhung der Grundsteuer. So käme es zu einer moderaten Steuererhöhung für alle Bürger, anstatt einige wenige mit riesigen Kosten im Regen stehen zu lassen. Nehmen wir zum Beispiel mal die Taubenstraße. Das ist eine Bergbausiedlung, in der die älteren Bürger nicht mehr ruhig schlafen können aus Sorge um ihre Existenz. Die wissen nicht, was kommt da auf mich zu? Muss ich vielleicht einen Kredit aufnehmen oder bei meinen Kindern um Hilfe bitten? Die gehen kaputt an den Straßenbaubeiträgen und das kann nicht sein. Die Last müssen wir alle gemeinsam tragen.

Eislöffel: Laut einer Studie des Bundes der Steuerzahler kann davon ausgegangen werden, dass bei den Straßenbaubeiträgen 60 Prozent der Zahlungen, die von Bürgerinnen und Bürgern geleistet werden, in die Verwaltung gehen. Das sind Kosten, die zum Beispiel entstehen, damit Bescheide erstellt oder die exakten Beträge errechnet werden können. Es bleiben also maximal 40 Prozent als Kostenersatz übrig. Hinzu kommt, dass durch die neue Reform des Landes ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht. Denn durch die Möglichkeit der Ratenzahlung ergibt sich noch ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass die Bürgerinnen und Bürger von dieser Zahlung befreit werden müssten. In der Hoffnung, dass die Menschen das ersparte Geld vielleicht in energetische Baumaßnahmen an ihre Häusern stecken. Diese Maßnahmen kämen dann uns allen zugute.

Heidinger: Die beste Lösung wäre, wenn die Belastung komplett wegfallen würde – so wie es der Gesetzesentwurf der SPD-Landtagsfraktion vorgesehen hat. Leider ist die Landesregierung dem Entwurf nicht gefolgt und setzt stattdessen auf Fördermittel. Wir werden uns deshalb weiterhin dafür stark machen, dass die Straßenbaubeiträge ganz gestrichen werden, müssen aber zunächst mal mit dem arbeiten, was aktuell Gesetzeslage ist. Das bedeutet, dass wir die Satzung der Stadt Dinslaken so anpassen werden, dass wir die Fördermittel des Landes in Anspruch nehmen können. Zudem wird die Satzung deutlich reduzierte Prozentsätze enthalten, um die Bürgerinnen und Bürger schon jetzt spürbar entlasten zu können.

Die Fragen stellte: Dennis Freikamp